Klimaschutzgesetz vorgelegt: "Klimaschutz wird marktwirtschaftlicher"

Die Einhaltung der Klimaziele soll laut der Novelle des Klimaschutzgesetzes nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren kontrolliert werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 49 Kommentare lesen

Kraftwerk Bremen-Hastedt

(Bild: heise online / anw)

Lesezeit: 4 Min.

Nach monatelangen Verhandlungen in der Ampel-Koalition hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht, zusammen mit einem Klimaschutzprogramm zum Einsparen von Treibhausgasen. Die Einsparziele bleiben im neuen Klimaschutzgesetz unverändert. Neu ist, dass die Einhaltung der Klimaziele nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren Energie, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude und Abfallwirtschaft kontrolliert wird, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend.

Die Bundesregierung als Ganzes entscheidet laut dem Referentenentwurf für das geänderte Klimaschutzgesetz künftig, in welchem Sektor und mit welchen Mitteln die zulässige Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll. Doch sollen besonders diejenigen Bundesministerien Maßnahmen vorschlagen, in deren Zuständigkeit Klimaziele gerissen wurden. Weiterhin solle es "volle Transparenz" geben, ob die Sektoren auf dem richtigen Pfad sind oder nicht, hieß es. Wenn sich kein Ministerium intern querstellt, könnten Klimaschutzgesetz und -programm kommende Woche im Kabinett beschlossen werden. In Kraft treten soll es zum kommenden Jahreswechsel.

Finanzminister Christian Lindner sagte, die Ambition der Regierung bleibe hoch, aber sie würden marktwirtschaftlicher umgesetzt. Künftig könne und solle Klimaschutz dort beschleunigt werden, wo die Effizienz am größten ist. "So können wir unrealistische Vorgaben in Sektoren wie Mobilität und Gebäuden, die zu drastischen Eingriffen in den Alltag der Menschen führen müssten, abwenden", sagte der FDP-Politiker.

"Das Ziel, bis 2030 die Klimagas-Emissionen um 65 Prozent zu senken, ist damit erstmals in Reichweite gerückt", sagte Habeck am Mittwoch. Laut der neuen Projektion bleiben bis 2030 nun noch etwa 200 Millionen Tonnen klimaschädlicher Treibhausgase, die noch eingespart werden müssen. Als er Minister geworden sei, habe diese Lücke bis 2030 noch 1100 Millionen Tonnen betragen. Man sei insgesamt enorm vorangekommen, sagte Habeck.

Die bisherigen und weiteren Ziele sind, dass Deutschland den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2030 gegenüber 1990 um 65 Prozent senken muss. Die erlaubte Zielmenge beträgt dann höchstens 440 Millionen Tonnen CO2. Bis 2045 muss verbindlich Klimaneutralität erreicht werden. Zurzeit beträgt die Minderung laut Umweltbundesamt rund 41 Prozent.

Im Projektionsbericht von 2021 seien für die bis 2030 kumulierten Jahresemissionsmengen in allen Sektoren erhebliche Überschreitungen festgestellt worden, heißt es zum Klimaschutzprogramm. Der größte Anteil entfiel demnach mit 500 Millionen Tonnen CO₂ auf den Energiesektor, es folgten der Verkehrssektor (271 Mio. t), der Industriesektor (178 Mio. t) und der Gebäudesektor (152 Mio. t). Auf Basis der vorgeschlagenen Maßnahmen sei absehbar, dass diese Überschreitung in den Sektoren Energie, Industrie und Gebäude nahezu vollständig abgebaut wird. Im Verkehrssektor werde die Überschreitung stark verringert um einen Beitrag zwischen 96 Millionen und 153 Millionen Tonnen, aber noch nicht vollständig abgebaut.

Zum Klimaschutzprogramm gehören im Bereich Energie die Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Windenergie-auf-See-Gesetzes, des Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und das Windenergieflächenbedarfsgesetz. Auch der Braunkohleausstieg 2030 im rheinischen Revier gehört dazu. Im Gebäudesektor haben zum Beispiel die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die nun in den Bundestag eingebracht wurde, und das Wärmeplanungsgesetz besondere Bedeutung. Zentraler Bestandteil des Klimaschutzes im Verkehrssektor ist der Übergang vom Verbrennermotor zu klimafreundlichen Antrieben. So sollen bis 2030 etwa 15 Millionen vollelektrische Autos in Deutschland fahren. Ebenso soll der Schienenverkehr, der ÖPNV und der Radverkehr gestärkt werden.

Die Potenziale für mobiles Arbeiten und Homeoffice sollen weiter stärker genutzt und die Anwendung nach Möglichkeit ausgedehnt werden, heißt es weiter im Klimaschutzprogramm. Dafür müssten die infrastrukturellen Grundlagen ausgebaut werden. Die Gigabitstrategie der Bundesregierung soll für eine flächendeckende Versorgung mit Glasfaser und dem neuesten Mobilfunkstandard sorgen.

(anw)