Razzia bei "Radio Dreyeckland": Staatsanwaltschaft erhebt Anklage wegen Link

Trotz der umfangreichen Kritik an dem Vorgehen wegen eines Links in einem Onlineartikel erhebt die Staatsanwaltschaft Karlsruhe jetzt Anklage gegen den Autor.

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(Bild: VGV MEDIA/Shutterstock.com)

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Vier Monate nach den Razzien bei "Radio Dreyeckland" hat die Staatsanwaltschaft Karlsruhe Anklage gegen den Verfasser eines Onlineartikels erhoben, in dem das Archiv der verbotenen Vereinigung "linksunten.indymedia" verlinkt war. Das berichtet der betroffene Radiosender aus Freiburg in einer Pressemitteilung und übt gleichzeitig scharfe Kritik. Per Strafrecht wolle die Staatsanwaltschaft "ihre anti-linke Agenda" durchsetzen, meint Geschäftsführer Kurt-Michael Menzel und fordert die Auflösung der verantwortlichen Staatsschutzabteilung. Das Verfahren gegen den für die Website und damit auch für den Artikel Verantwortlichen im Sinne des Presserechts sei dagegen eingestellt worden.

Mitte Januar wurden die Geschäfts-, aber auch Privaträume von Angestellten des Radios Dreyeckland (RDL) durchsucht. Begründet wurde die viel kritisierte Maßnahme mit einem Link in einem Onlineartikel. Der führte zu einem Artikelarchiv der verbotenen Internetplattform "linksunten.indymedia" und sei als unzulässige Weiterverbreitung gewertet worden, fasste der Sender zusammen. Gleichzeitig liefert bereits eine kurze Recherche eine Vielzahl solcher Verlinkungen bei anderen Medien. Aus der jetzt vorgelegten Anklageschrift gehe hervor, "dass die Durchsuchungen keinerlei neue Erkenntnisse zu dem Sachverhalt erbracht haben", schreibt Radio Dreyeckland. Sie richte sich gegen ein missliebiges Medium, "das nicht Polizeimeldungen ungeprüft wiedergibt".

Unterstützt von den Bürgerrechtlern der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat der Radiosender im März Beschwerde gegen die Durchsuchungsbeschlüsse eingelegt. Die GFF will dabei ein Präzedenzurteil erstreiten, in dem festgestellt wird, dass Journalisten und Journalistinnen sich nicht strafbar machen, wenn sie in einer Berichterstattung über Vereinsverbote auf Archivseiten verlinken. Sollte das Landgericht die Durchsuchungsbeschlüsse bestätigen, will die GFF dagegen Verfassungsbeschwerde erheben. Ihrer Ansicht nach könne das Setzen eines Links allein nicht als strafbare Unterstützungshandlung gewertet werden.

Die Internetplattform "linksunten.indymedia" galt Sicherheitsbehörden als einflussreichstes Medium der linksextremen Szene in Deutschland – und als Forum für gewaltbereite Autonome. Bei dem Verbotsverfahren wandten die Sicherheitsbehörden einen Kniff an: Formal handelte es sich um ein Vereinsverbot – die Betreiber wurden von den Behörden als Verein eingestuft. Dagegen reichten mehrere Personen Klage ein, die Existenz des Vereins bestritten sie aber. Deswegen scheiterten sie 2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht aus formalen Gründen, denn zur Anfechtung eines solchen Verbots sei "regelmäßig nur die Vereinigung" befugt. Radio Dreyeckland ist der älteste freie Radiosender Deutschlands; er entstand in den 1980er-Jahren aus der Anti-Atomkraft-Bewegung.

(mho)