Linux Mint: Das bessere Windows? | c't 3003

Linux Mint gilt als etwas konservativ, ist aber extrem gerade bei Windows-Umsteigern sehr beliebt. c't 3003 hat es sich genauer angeschaut.

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Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Jan-Keno Janssen
Inhaltsverzeichnis

Linux Mint ist extrem beliebt. Warum eigentlich?

(Hinweis: Dieses Transkript ist für Menschen gedacht, die das Video oben nicht schauen können oder wollen. Der Text gibt nicht alle Informationen der Bildspur wieder.)

Guckt mal hier: Das ist Linux Mint. Und für die Installation auf meinem Windows-PC habe ich ernsthaft weniger als 10 Minuten gebraucht. Ganz ehrlich: Ich habe noch nie so ein “USB-Stick-reinstecken und läuft”-Linux auf dem Rechner gehabt. Und jetzt verstehe ich auch so langsam, warum ihr da draußen immer schreibt, wir sollen doch mal was zu Linux Mint machen. Zum Beispiel in dieser Umfrage hier. Also hier ist es: Das Video zu Linux Mint, der offenbar bei euch beliebtesten Linux-Geschmacksrichtung. Das habe ich eine Woche lang zum Arbeiten benutzt. Und ja, es gab einiges, was ich bemerkenswert fand. Und deshalb gibts gleich: Sechs Sachen, die mich bei Linux Mint erstaunt haben. Hmm, minzig! Bleibt dran!

Liebe Hackerinnen, liebe Internetsurfer, herzlich willkommen hier bei…

Also, ich habe ja schon wirklich viele Linuxe in meinem Leben installiert. Und das ging auch meistens ganz entspannt, aber Linux Mint ist wirklich das erste Linux, wo ich während des ganzen Installations- und vor allem ersten-Einschalt-Prozess NIEMALS gedacht habe: Hä, das war jetzt ein bisschen verwirrend. Also dieses klassische: Hmm, ja, ich drücke einfach mal ok, auch wenn ich nicht genau checke, was die da jetzt von mir wollen. Wirklich nicht ein einziges Mal. Und was ich noch krasser fand: Ich habe alle für mich wichtigen Tools wie WireGuard, Dropbox, Steam, OBS und so weiter installiert ohne ein einziges Mal eine Kommandozeile zu sehen. Alles in der grafischen Benutzeroberfläche.

Und das ist direkt der erste der sechs Gründe, warum Linux Mint erstaunlich ist:

Eigentlich würde ich das Ding hier ja “Appstore” nennen, aber das ist natürlich genau genommen falsch, weil man hier gar nix kaufen kann – die Software hierdrin ist kostenlos, es gibt rein technisch gar keine Kaufmöglichkeit. Aber das Programm mit dem etwas sperrigen Namen “Anwendungsverwaltung” fühlt sich tatsächlich ein bisschen so an, wie ein etwas aufgeräumterer Appstore bei Apple oder Google. Was hier oben angezeigt ist tatsächlich von Menschen kuratiert; und das sind dann auch wirklich die Programme, die viele Leute installieren wollen – und nicht die Programme, die Leute in einer perfekten Open-Source-Welt installieren SOLLTEN. Also da finden sich dann halt auch ganz pragmatisch neben so Linux-Klassikern wie der Bildbearbeitung Gimp kommerzielle Sachen wie Steam, Spotify oder Microsofts Codingtool Visual Studio Code. Eben das, was Leute oft verwenden. Schöne, unbekanntere Sachen sind dann direkt da drunter, nämlich die Programme mit den besten Bewertungen. Ja, wirklich, die Anwendungsverwaltung hat echte Bewertungen von echten Menschen, die einen auch tatsächlich weiterbringen.

Richtig gut gelöst ist das altbekannte Problem “Wie installiere ich welches Programm?” Ihr kennt das ja vielleicht: Es gibt unter Linux mehrere Möglichkeiten, Software zu installieren. Entweder als Systempaket (bei Debian-basierten Linuxen wie Mint zum Beispiel mit apt beziehungsweise apt-get, bei Arch-basierten Distris mit pacman) oder als distributionsübergreifendes Paket wie zum Beispeil flatpak. Der Vorteil von zweiterem ist, dass das wie gesagt distributionsübergreifend läuft – das heißt, die Software muss nicht, wie bei Systempaketen minutiös an die Distri angepasst werden, weil alle benötigten Bibliotheken mit im Paket liegen. Deshalb sind sie meist aktueller. Als Nachteil gilt oft, dass die Sachen erstmal mehr Speicherplatz brauchen, eben weil ja die ganzen Bibliotheken mit drin sind. Aber: Pakete teilen sich gleiche Datenblöcke, das heißt, häufig verwendete Bibliotheken nehmen keinen pro Installation keinen zusätzlichen Platz ein – das Speicher-Argument fällt nicht wirklich ins Gewicht.

In der Mint-Anwendungsverwaltung kann man bei vielen Programmen aussuchen, ob man die als Systempaket in einer meist älteren Version oder als Flatpak in einer neueren Version installieren will. Der Speicherplatzbedarf wird direkt angezeigt. Und Linux Mint denkt auch im Detail mit. Man kann nämlich Systempaket und Flatpak-Versionen gleichzeitig installieren. Und wenn man das macht, wird im Startmenü hinter der Flatpak-Version auch “Flatpak” angezeigt, damit man weiß, welches welches ist. Richtig praktisch! Ja, ich weiß, andere Linux-Distris haben auch Appstore-ähnliche Programminstallations-Tools, aber ich fand bislang keines so schön wie das von Linux Mint.

Ja, das ist ein kurioser Widerspruch: Linux Mint wird von einem vergleichsweise kleinen Entwicklungsteam betreut und das ist nur möglich, weil große Teile vom großen Ubuntu verwendet werden. Linux Mint ist also quasi ein Ubuntu-Remix, der aber konsequent Dinge anders machen will. Während Ubuntu zum Beispiel standardmäßig als Desktop-Umgebung ein aktuelles Gnome verwendet, nimmt Mint das selbstentwickelte Cinnamon (das vereinfacht gesagt auf einer älteren Gnome-Version basiert). So hat Gnome seit Version 3 keine klassische Taskleiste mehr, Cinnamon aber schon. Generell kann man sagen, dass Linux Mint in Sachen Bedienung etwas konservativer ist und sich eher so ein bisschen Windows-10-mäßig anfühlt, während Gnome inzwischen sein eigenes Ding macht.

Windows-Leute dürften sich mit Linux Mint direkt zu Hause fühlen: Links unten der Start-Button, daneben die Programm-Icons, rechts die Schnelleinstellungen, ganz rechts die Uhrzeit – wie Windows halt.

Anders als Windows ist Linux Mint aber viel stärker anpassbar. Unter “Themen” kann man zum Beispiel etliche Farb- und Iconschemen herunterladen und installieren, und da sind wirklich sehr hübsche Sachen dabei. Ich benutze zum Beispiel als Mauszeiger Bibata-Modern-Classic, als Desktop- und Fensterdesign Adapta-Nokto und als Icon-Set breeze. Ganz hübsch, ne? Das ist auch das Design, was ihr im Rest dieses Videos seht. Das Hintergrundbild habe ich auch aus den vorinstallierten Bildern genommen.

Dinge, für die man sonst irgendwelche Terminalbefehle braucht oder Configdateien editieren muss, macht Mint (auf Wunsch!) sehr simpel per Mausklick. Was mich regelrecht erschüttert hat: Ich habe mal eben in wenigen Sekunden mit zwei Klicks den Kernel ausgetauscht, also das absolut grundlegende Systemgerüst. Linux Mint ist, sagte ich ja schon, ist konservativ und nutzt den schon etwas älteren Langzeitunterstützungs-Kernel 5.15, aber wenn man hier in Aktualisierungsverwaltung geht und unter Ansicht auf “Linux-Kernel” geht, kann man einfach so den aktuellen 6.2er-Kernel installieren. Und wenn damit was nicht funktioniert, auch einfach so wieder zurückwechseln. Wow. Kurzer Hintergrund, falls ihr euch fragt, wozu das überhaupt gut sein soll: Im Kernel stecken unter anderem die Systemtreiber, das heißt, wenn ihr aktuelle Hardware habt, kann es sein, dass Sachen erst mit einem neueren Kernel laufen oder halt stabiler. Kann man ja einfach ausprobieren. Muss man aber natürlich nicht, wenn alles zufriedenstellend läuft.

Ja, ich weiß, Linux ist aus dem Problembär-Status raus, auch andere Linuxe laufen super, wir hatten ja schonmal ein Video über Endeavour gemacht. Aber ich muss sagen, hier mit Mint war das alles noch ein Tacken smoother. Schaut mal hier, das ist die Installation:

- ISO runterladen

  • mit Etcher auf USB-Stick kopieren
  • Beim Systemstart (wenn ihr Windows benutzt) auf “Standardeinstellungen ändern oder andere Optionen auswählen” klicken, dann “Weitere Optionen auswählen”, dann “Ein Gerät verwenden” und dann den USB-Datenträger auswählen. Dann bootet der Rechner vom USB-Stick.
  • Hier im Menü einmal Return drücken
  • Auf dem Desktop Install Linux Mint doppelklicken
  • Sprache auswählen
  • Weiter
  • Multimedia-Codecs anwählen
  • Und (Wenn ihr das parallel zu Windows installieren wollt) “LInux Mint neben den Windows Boot Manager installieren” wählen und los
  • Ich hatte auf meinem System einfach einen 200-GByte-Bereich frei, also wo keine Partition hinterlegt war – und der Mint-Installer hat das automatisch erkannt und einfach da hin installiert.
  • Weiter
  • Kurz warten
  • Im UEFI bei Boot-Reihenfolge auf Ubuntu umschalten

Achso: Solltet ihr irgendwelche Probleme haben, müsst ihr womöglich im UEFI Secure Boot ausschalten.

Ja, jedenfalls lief dann bei mir in unter 10 Sekunden das installierte Linux-Mint-System. Sehr nice. Auch das “Erste Schritte”-Fenster, was nach dem Starten angezeigt wird, ist super zielführend und auf den Punkt, ich habe ich woanders schon ganz anders gesehen. Hier: System-Snapshots anlegen, Treiberverwaltung, wo ich zum Beispiel ganz einfach den neuesten Nvidia-Grafiktreiber installieren kann, Aktualisierungsverwaltung, Systemeinstellungen – alles was man braucht. Und auch alles komplett lokalisiert, also auf Deutsch. In anderen Distris gibts oft Sprachmischmasch.

Thema Spiele: Ich kann in der Anwendungsverwaltung einfach Steam installieren. Ja, und dann hier in Steam unter “Kompatibilität” Steam Play aktivieren. Zack, fertig. Und dann geht fast alles, was ich in der Steam-Bibliothek habe. Ja, das klappt in den meisten Linuxen so. Aber ich hatte zum Beispiel bei Endeavour mit Steam anfangs einige Thmen zum Beispiel mit Elden Ring, weil das den Denuvo-Kopierschutz hat und der manchmal Probleme macht. Aber hier in Mint: Alles, was ich in Steam gestartet habe, ging.

Und: Während ich bei anderen Linux-Distris oft rumsuchen musste, wo ich bestimmte Programme finde, hatte ich bei Mint so gut wie immer direkt in der Anwendungsverwaltung Erfolg.

Auch so Sachen wie das berüchtigte Microsoft Teams gingen auf Anhieb. Einfach hier in Firefox in der Webversion, und zwar inklusive meines externen USB-Mikrofons und der Webcam.

Lediglich ein kleiner Schönheitsfehler ist mir aufgefallen: Wenn sich mein Monitor in den Stromsparmodus abschaltet und bei Mint der Login-Screen läuft, kann ich den Monitor nicht mit Mausbewegungen oder Leertaste aufwecken. Ich muss dann blind mein Passwort eingeben und erst dann schaltet sich der Monitor wieder ein. Naja.

Das kann man jetzt natürlich schlecht finden, weil man nach dem wahren, echten, einzigartigen Linux-Gefühl sucht, aber Linux Mint funktioniert halt einfach so, dass die meisten Menschen, die Windows kennen, auf Anhieb damit klarkommen. Startmenü, Taskleiste, Kontextmenü bei Rechtsklick und sogar das schöne Snap-in-Feature von Windows, dass die Fenster entweder zweigeteilt oder viergeteilt hier so einrasten – alles da. Ich würde sogar die rasante These aufstellen, dass Leute, die sich nicht für Computer interessieren und hin und wieder mal Windows benutzen müssen, es gar nicht merken würden, wenn man denen ein Linux Mint vorsetzt (also vorher am besten noch das von Windows bekannte Hintergrundbild einstellen). Oder lieg ich da total falsch? Hat das von euch vielleicht sogar mal ausprobiert?

Klar, das gilt für viele Linuxe, aber gerade von Windows-Notebooks kennt man ja das Problem: Bloatware, also irgendwelcher Shit, den man gar nicht haben will. Bei Linux Mint dagegen gibts das nicht, dafür alles, was man haben WILL. Also zumindest hätte ich die Vorauswahl vermutlich nicht anders gemacht: Firefox zum Browsen, Thunderbird für Mails, LibreOffice fürs Büro und obendrein noch ein paar kleine nette Goodies. Gerne herumgespielt habe ich zum Beispiel mit dem vorinstallierten Hypnotix, was einfach eine schöne Benutzeroberfläche mit frei empfangbaren TV-Kanal- und Film-Streams ist. Kann ich chinesisches Fernsehen gucken, nice. Oder MTV. Oder irgendwelche 80er-Trash-Filme. Wirklich nett.

Linux Mint ist eine Linux-Distribution, bei der der Einstieg extrem leicht fällt – und zwar auch für Leute, die bislang nur Windows kannten. Wer ein hochmodernes Cutting-Edge-Linux will, ist hier aber vermutlich nicht an der richtigen Adresse – obwohl man natürlich genauso frickeln kann, wie mit anderen Linuxen, wenn man dazu Lust hat. Aber die Desktop-Umgebung, also das Kern-Feature von Mint, ist halt das etwas konservative, Windows-mäßige Cinnamon. Ich muss sagen, dass ich das aktuelle Gnome rein vom optischen her etwas cooler und futuristischer finde, aber so wie ich mir mein Mint hier eingestellt habe, gefällt mir das auch schon wirklich gut. Und ich finde super angenehm, dass ich nach Programmen nicht nervig herumsuchen muss, sondern in den allermeisten Fällen in der Anwendungsverwaltung fündig werde. Es funktioniert halt einfach. Und deshalb werde ich Mint hier jetzt auch erstmal behalten. Wenn ich einen Wunsch freihätte, hätte ich gerne exakt den gleichen Komfortlevel den Linux Mint bietet, aber mit einem modernen Gnome und mit Wayland als Compositor (also quasi die Schnittstelle, die den Desktop anzeigt – Mint benutzt hier noch das sehr antiquierte X11). Vielleicht gucke ich mir mal Nobara Linux an, das ist ein auf Spiele optimiertes Fedora, über das ich viel Gutes höre. Würde euch dazu ein Video interessieren? Gerne in die Kommentare schreiben. Und abonnieren natürlich. Tschüss!


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(jkj)