Lufthansa stellt sich der Kritik an Buchungskosten

Die Lufthansa stellt in Abrede, dass Ticketpreise kundenabhängig werden. Aber sie will stärker nach Vertriebskanälen und "Kundenbedürfnissen" differenzieren. Das verursacht Kosten, die die Kunden tragen müssen.

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Lufthansa

(Bild: Aero Icarus, CC-BY-SA 2.0)

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Mit einer neuen Gebühr namens DCC verärgert die Lufthansa Group ihre besten Kunden und wichtigsten Vertriebspartner: Seit September wird ein Aufpreis von 16 Euro je Passagier fällig, wenn Tickets von Austrian, Brussels, Lufthansa oder Swiss nicht auf deren Webseiten sondern über ein Reservierungssystem (GDS) gebucht werden. Großkunden und Reisebüros sind aber auf GDS angewiesen. Gegenüber heise online trat die Lufthansa nun einigen Vorwürfen entgegen.

Insbesondere regelmäßig Fliegende und Großkunden befürchten, dass die Lufthansa-Gruppe dynamisches Pricing einsetzen will. Dabei diskriminiert ein Anbieter bestimmte Kunden gegenüber anderen, die Preise sind nicht für alle gleich.

Bei Buchungsanfragen über ein GDS sieht eine Fluggesellschaft nicht, wer ihr Passagier sein könnte, bevor sie einen Preis nennt. Das verhindert dynamisches Pricing. Auf den eigenen Webseiten kann sie hingegen Faktoren wie bisheriges Surf-, Buchungs- oder Reiseverhalten, aktueller Aufenthaltsort, Firmenzugehörigkeit, Endgerät oder Betriebssystem auswerten, und so den Preis steuern. Ziel könnte sein, sowohl Auslastung der Flugzeuge als auch Durchschnittspreise zu erhöhen.

Doch Deutschlands größte Fluglinie arbeitet nach eigenen Angaben nicht an solcher Preisdiskriminierung: "Die Lufthansa Group Carrier haben kein dynamisches Pricing, sondern ein nachfrageorientiertes Preismodell, wie viele andere Airlines auch. Zur Zeit ist auch keine Änderung dieser Systematik geplant", sagte Lufthansa-Sprecher Boris Ogursky gegenüber heise online, nachdem c't über die neue Lufthansa-Gebühr und die Proteste dagegen berichtet hatte, "Alle Tarife sind kundenunabhängig, also zum gleichen Zeitpunkt im selben Markt und Vertriebskanal zum gleichen Preis für jegliche Kunden erhältlich."

Bisher unterscheidet die Lufthansa in der Regel ihre Tarife nicht danach, über welchen Weg das Ticket an den Mann gebracht wird. Es gibt Aufschläge für Telefonbuchungen, Flughafenbuchungen und neuerdings 16 Euro DCC. Aber der zugrundeliegende Tarif ist, von speziellen Ausnahmen wie für Kreuzfahrtenanbieter abgesehen, gleich.

Genau das soll sich ändern. Preise sollen sich in Zukunft je nach Vertriebskanal unterscheiden. Das heißt, eine Buchung am Handy kann einen anderen Tarif zeitigen als am PC oder im Reisebüro. Die Preisunterschiede könnten bald weit über die 16 Euro DCC hinausgehen und sinnvolle Preisvergleiche unmöglich machen.

Eine Differenzierung nach Vertriebskanälen trifft auch die Betreiber der Reservierungssysteme. Denn sie versuchen ja gerade, einen möglichst umfassenden Preisvergleich zu bieten. Die Standardverträge der GDS sehen daher vor, dass Fluglinien alle Tarife für alle Verkaufsarten einstellen. Doch dieser Einschränkung hat sich die Lufthansa Group entledigt: "Lufthansa Group hat die 'Full-Content'-Vereinbarungen mit den GDS nicht mehr verlängert", bestätigt Ogursky, "dadurch haben wir jetzt die distributive Freiheit, mit der wir entscheiden können, welches Tarifprodukt wir über welchen Vertriebskanal vertreiben wollen."

Preisunterschiede je nach Markt, also wo das Ticket ausgestellt wird, gab es schon bisher. In manch anderer Branche ist das noch ausgeprägter. Es überraschte niemanden, würde auch diese Differenzierung bei der Lufthansa Group zunehmen.

Dazu kommt neuerdings die Entbündelung von Buchungsklasse und Leistung. Ursprünglich waren die mit Buchstaben wie L, M, A oder X bezeichneten Buchungsklassen dazu gedacht, neben unterschiedlichen Ticketbedingungen auch bestimmte Leistungen zu bezeichnen. Umbuchungs- und Stornobedingungen, Service während des Fluges, Sitzplatz, Freigepäck, Vielfliegermeilen, Loungezugang und so weiter hingen von Buchungsklasse und Vielfliegerstatus ab.

Seit einigen Monaten hat die Lufthansa Group das innerhalb Europas entbündelt: Teure wie billige Economy-Buchungsklassen können nun in der Variante "Light" (ohne Gepäckaufgabe, Umbuchung unmöglich), "Classic" (mit Gepäck, Umbuchung gegen Aufpreis) und "Flex" (gebührenfrei umbuchbar, mehr Meilen) gebucht werden. So will der Konzern "stärker auf individuelle Kundenbedürfnisse eingehen."

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Mit "Light" dürfte es für Geschäftsreisende, die gar keinen Koffer einchecken wollen, also billiger werden. Dafür verlieren die treuesten Kunden, jene mit Gold-Status, ihren Freigepäckbonus. Es wird spannend, zu sehen, wie sich das neue Preissystem auf den Yield (Durchschnittserlös) auswirkt.

Jedenfalls verkompliziert das neue System den Vertrieb enorm; plötzlich gibt es die meisten Buchungsklassen in mindestens drei Varianten. Viele Online-Reisebüros können das noch nicht widerspiegeln. Dort bleibt oft unklar, was gerade angeboten wird.

Helfen können hier ausgerechnet die internationalen Reservierungssysteme (GDS). Sie können zusätzlich zum Preis darüber informieren, was enthalten ist und was etwas extra kostet, und die passenden Logos und Beschreibungen bereitstellen. Im Fachsprech wird das "Content" genannt. Sobald die Online-Reisebüros ihre Software und Webdesigns angepasst haben, werden auch sie in der Lage sein, besser zu informieren und mehr Varianten anzubieten. Sofern diese für den Online-Vertriebskanal freigegeben ist. Plus 16 Euro DCC, versteht sich.

Nun arbeiten die GDS nicht für Gottes Lohn. Für den Zusatzaufwand mit dem Content muss die Lufthansa Group zahlen. Und auch für die Differenzierung nach Vertriebskanälen verlangen die GDS mehr. Denn je stärker der Preisvergleich eingeschränkt ist, desto geringer ist der Wert der GDS-Leistung für Großkunden und Reisebüros. Ausgleichen muss diesen Wertverlust derjenige, der den Preisvergleich einschränkt.

Und derjenige verrechnet es seinen Passagieren weiter. Möglicherweise durch einen Aufschlag – also der DCC. Doch erscheinen 16 Euro je Passagier erstaunlich hoch. Die Branche kann den Betrag nicht nachvollziehen. Ein Blick auf die offiziellen Finanzzahlen der GDS-Eigentümer verstärkt den Eindruck.

GDS-Betreiber Amadeus berichtete für das Finanzjahr 2014 von durchschnittlichen Erlösen je Buchung von 4,02 Euro. Davon sind 89 Prozent Flugbuchungen, und es können auch mehrere Passagiere unter einer Buchung reisen. Mitbewerber Travelport meldete jüngst einen leicht höheren Wert, Sabre einen niedrigeren. Von 16 Euro sind alle drei weit entfernt. Der US-Verband Business Travel Coalition gibt an, diese Kosten seien seit 2007 um 30 Prozent gefallen. Aber diese Rechnung ist noch ohne die neuen Verträge gemacht, die Austrian, Brussels, Lufthansa und Swiss mehr Flexibilität bei Content und Vertriebskanal gewähren.

Die Lufthansa Group verweist darauf, dass sie jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag an die GDS-Betreiber zahle. Die 16 Euro je Passagier seien bloß die Differenz zwischen den GDS-Kosten von 18 Euro und den Betriebskosten der eigenen Buchungswebseiten, die bei 2 Euro liegen sollen. "Wir werden mit der DCC nur die Mehrkosten gegenüber dem Online-Eigenvertrieb abdecken und damit keine zusätzlichen Erlöse generieren", verspricht Ogursky, "dies lassen wir auch von einem Wirtschaftsprüfer testieren."

Nachprüfbar ist das nicht. Denn nur die GDS und die Airlines wissen, welche Beträge tatsächlich in Rechnung gestellt werden. "Die effektiven Kosten einer einzelnen GDS-Buchung dürfen wir aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit den GDS nicht nennen", so Lufthansa-Sprecher Ogursky.

Vielleicht wirft nun die EU-Kommission ein prüfendes Auge auf die Sache. Denn Verbraucher haben noch nie profitiert, wenn Preisvergleiche erschwert wurden. (anw)