"Mancher Bauingenieur staunt": Modulares Bauen soll Modernisierung bringen

Ein Haus zu bauen, dauert oft länger und kostet mehr als geplant. Die Baubranche will mit vorfertigten Modulen Abhilfe schaffen.

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Studentenwohnheim in Bochum: Aus Modulen gestapelt und ineinanergesteckt wie Lego.

(Bild: Daiwa House Modular Europe GmbH)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Susanne Donner
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Wohnzimmer, Küche und Bad reisen auf Schwerlastern an. Die Räume sind fast komplett ausgestattet, mit Küchenzeile, Dusche, Steckdosen, Fliesen und Tapeten. Auf der Baustelle werden sie mithilfe eines Krans neben- und aufeinandergestellt wie Legosteine. Ruckzuck steht ein fast bezugsfertiges, mehrstöckiges Gebäude mit zig Wohneinheiten.

Die Branche nennt die Methode serielles oder modulares Bauen. "Mancher Bauingenieur staunt", sagt etwa Andreas Göbel, Manager beim niederländisch-japanischen Modulbaukonzern Daiwa House. "Aber unsere Modulbauten stehen absolut sicher, auch bei Wind und Erschütterungen durch Erdarbeiten, geprüft von deutschen Statikern."

Zwar sind in Deutschland erst fünf Prozent der Gebäude Modulbauten. Aber die Branche spricht von einem Boom. Bauen, heißt es, könne nun schneller, preiswerter und nachhaltiger werden. Die Baustoffe könnten recycelt und in neuen Modulen zum Einsatz kommen. Solche Versprechungen begeistern auch die Politik. Die Bauministerkonferenz setzt sich dafür ein, das Baurecht der Bundesländer zugunsten des seriellen Bauens zu vereinfachen.

Für Daiwa House ist das ein sehnlich erwartetes Signal. Der Konzern ist eigenen Angaben zufolge der siebtgrößte Baukonzern weltweit und der größte Anbieter modularer Gebäude – in Deutschland allerdings ein Neuling. In Bochum hat er das Studentenwohnheim "Community Campus" gebaut. Und in Fürstenwalde, östlich von Berlin, zieht das Unternehmen derzeit eine neue Modul-Fabrik hoch. In den Hallen sollen ab Herbst dieses Jahres 2500 Gebäudeteile pro Jahr entstehen. Nach Unternehmensangaben soll die Kapazität dann sukzessive auf 15.000 bis 20.000 Stück steigen.

Dieser Text stammt aus MIT Technology Review 6/2023

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Laut Branche ist die Industrialisierung des Bauprozesses überfällig. Seit Jahrtausenden vollzieht sich der Hausbau überwiegend in einem archaischen Nacheinander der Gewerke. "Normalerweise kommt der Rohbau, dann schließen sich die verschiedenen Ausbaustufen an. Faktisch verzögert sich aber ständig etwas. Der Prozess wird immer wieder neu geplant und die Kosten müssen neu berechnet werden", sagt Jutta Albus, Juniorprofessorin für ressourceneffizientes Bauen von der Technischen Universität Dortmund.

Doch sie übt auch Kritik an der modularen Strategie. "Was bisher gebaut wurde, wirkt teils eintönig und einfallslos", moniert sie. Es bestehe das Risiko, dass der boomende Modulbau zur Platte 2.0 werde, wenn er fantasielos und an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigeplant werde. Albus nennt aber auch preisgekrönte, ästhetisch ansprechende Beispiele mit hohem Nutzwert, unter anderem Entwürfe aus ihrer Arbeitsgruppe und das Studentenwohnheim "Woodie" in Hamburg, das ein Holzmodulbauer aus der Steiermark 2017 fertiggestellt hat. Es ist der größte Holzmodulbau in Europa und hat zum Teil vorspringende und überhängende Wohnblöcke.

Neben der Architektur ist auch der Transport eine Herausforderung der Modulbauweise. Er kann, je nach Entfernung, sehr teuer werden und begrenzt zudem die möglichen Maße der Module, die schließlich auf einen Transporter passen müssen.

Für die Zukunft strebt die Branche an, die Automatisierung der Modulfertigung voranzubringen, nicht zuletzt um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Bisher geschieht laut Daiwa-Manager Göbel vieles noch in Handarbeit, in der Fürstenwalder Daiwa-Fabrikhalle etwa die Montage der Einbauküchen und das Verlegen des Estrichs.

In Japan sei die Branche deutlich weiter, berichtet Göbel. Dort schweißen Roboter Stahlträger aneinander, fräsen Löcher für die Steckdosen in die Wände und schließen Fugen. Die Wohnelemente fahren selbsttätig auf beweglichen Plattformen von einer Arbeitsstation zur nächsten. Jedes Modul erhält einen QR-Code und die verbauten Materialien lassen sich zurückverfolgen, wie das Ei zur Hühnerfarm. Wann die Hightech-Fabriken auch in Europa zum Standard werden, ist noch unklar.

(anh)