Mehr Innovation im All: Gewinner des Wettbewerbs INNOspace Masters gekürt

50 Unternehmen, Start-ups, Universitäten und Forschungseinrichtungen entwickelten für den Ideenwettbewerb INNOspace Masters neue Konzepte für die Raumfahrt der Zukunft. Nun stehen die Gewinner fest.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
INNOspace Masters verliehen ? erster deutscher Wettbewerb für mehr Innovationen im All

Die Gewinner: Prof. Sergio Montenegro (3. von links) und Tobias Mikschl (2. von rechts) vom Lehrstuhl Informatik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg holten mit ihrem Projekt den Gesamtsieg beim INNOspace Masters.

(Bild: DLR/ Simone Leuschner)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
Inhaltsverzeichnis

Für die Erde in den Weltraum – so lautete lange Zeit das Motto, mit dem die aufwendigen Investitionen in die Raumfahrt gerechtfertigt wurden. Die für die Erkundung des Kosmos entwickelten Technologien sollten andere, bodenständigere Industrien beflügeln und als "Spinoffs" das Leben auf der Erde verbessern. Doch jetzt hat sich die Richtung umgekehrt: Die Raumfahrt soll von den erdgebundenen Industrien lernen. Um diesen Prozess voranzutreiben hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) den Ideenwettbewerb INNOspace Masters ausgeschrieben. Dessen Gewinner wurden am Mittwoch in Berlin bekanntgegeben.

Die im September 2015 gestartete Aktion richtete sich vornehmlich an "klein- und mittelständische Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Universitäten, aber auch Startup-Unternehmen“, die bis Ende Januar 2016 Vorschläge zu "neuen Methoden und Verfahren mit Potential für die nächste Satellitengeneration" einreichen konnten. Gefragt waren ausdrücklich branchenfremde Akteure.

Bereits die Qualität der etwa 50 eingereichten Konzepte habe den Wettbewerb zu einem Erfolg gemacht, sagte Wolfgang Scheremet, Leiter der Abteilung Industriepolitik beim BMWi, jetzt bei der Preisverleihung. "Insgesamt sind wir hoch zufrieden", ergänzte Gerd Gruppe, Vorstand des Raumfahrtmanagements beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bevor die Gewinner verkündet wurden. Diese können sich nun über Unterstützung in Form von Beratungen, Kooperationen mit großen Firmen und teilweise auch finanzielle Mittel freuen.

Entsprechend der Entwicklung von der Idee über die Innovation zum Produkt war der Wettbewerb in drei Kategorien aufgeteilt, in denen im April jeweils drei Finalisten ermittelt worden waren. Bei den Konzepten im Ideenstadium, ging es um vereinfachte und leichtere Strukturen für Satelliten sowie um ein Verfahren, das die aufwendige Verkabelung durch breitbandige Radiokommunikation vermeiden soll.

Für ihr "Skip the Harness" (Skith) genanntes Konzept bekamen Sergio Montenegro und Tobias Mikschl von der Universität Würzburg nicht nur den ersten Preis in dieser Wettbewerbskategorie, sondern wurden auch zum Gesamtsieger INNOspace Master gekürt. Sie entwickelten den ersten drahtlosen Satelliten, heißt es vom DLR. Anstelle von Kabeln setzen sie auf miniaturisierte Hochgeschwindigkeits- und Echtzeit-Funkmodule mit kurzer Reichweite. Planungsaufwand und Kosten sollen sich so verringern, gleichzeitig soll die technische Zuverlässigkeit und Flexibilität des Satelliten steigen.

Die zweite Kategorie, in der es um die Anlaufphase geht, in der Konzepte und Demonstratoren zu Prototypen entwickelt werden sollen, wurde von den Business Incubation Centers der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Bayern und Hessen betreut. Hier machte die Space Products and Innovation UG mit dem Vielzweck-Adapter MA61C das Rennen. Die auf den ersten Blick sehr technisch klingende Bezeichnung stehe auch für "Magie", erklärte Firmengründer Ran Qedar: Multipurpose Adapter Generic Interface Connector.

Für die dritte Kategorie war das Unternehmen Airbus Defence and Space verantwortlich. Dessen Senior Vice President Johannes von Thadden versprach, mit allen Final-Teams kooperieren zu wollen. Die Siegertrophäe, ein im 3D-Drucker gefertigtes Satellitenmodell, überreichte er Markus Knapek von der ViaLight Communications GmbH, die Satelliten in niedrigen Umlaufbahnen über Laserverbindungen untereinander sowie mit stratosphärischen Plattformen und dem Boden verbinden will.

Im Humboldt Café in Berlin wurden die Gewinner des ersten IMMOspace-Masters-Wettbewerbs ausgezeichnet. Auf dem Fotos sehen Sie die Gewinner gemeinsam mit den Organisatoren. Der Ideenwettbewerb stand unter dem Motto "Satellite 4.0". Gesucht wurden neue Konzepte für die Raumfahrt der Zukunft.

Bei der Festveranstaltung zur Preisverleihung betonte DLR-Mann Gerd Gruppe noch einmal, dass Raumfahrt mittlerweile zu einem Werkzeug für andere Zwecke geworden sei und von externen Kräften wie etwa der IT-Industrie vorangetrieben werde. Als zentrale Forderung formulierte er: "Raumfahrt muss billiger und schneller werden." Wolfgang Scheremet wollte dem zwar nicht direkt widersprechen, störte sich aber an der Formulierung: "In Schwaben unterscheiden wir zwischen billig und günschtig."

Deutschland sei angesichts der zunehmenden Kommerzialisierung der Raumfahrt gut aufgestellt, aber damit das so bleibe, seien neue Ansätze erforderlich. Mit einem Seitenblick auf die Leinwand, wo das Schlagwort "Satellite 4.0" zu lesen war, bemerkte er, dass die Raumfahrt eigentlich noch nicht einmal bei der Version 3.0 angekommen sei, sondern im wesentlichen noch auf dem Niveau der Manufaktur operiere. Der Sprung auf 4.0 sei groß, aber machbar. Dafür könne sich die Raumfahrtindustrie bei den Autoherstellern und dem Maschinenbau bedienen, die bewährte Methoden für Produktentwicklung und -produktion aufgebaut hätten.

Franco Ongaro, Leiter des Technik- und Qualitätsmanagements bei der ESA, unterstrich das mit den Worten, dass die Raumfahrt ihre Designphilosophie ändern müsse. Nicht mehr allein die Funktionalität und Zuverlässigkeit dürfe im Mittelpunkt stehen (design-to-peformance), sondern auch der Produktionsprozess müsse berücksichtigt werden (design-to-produce).

Alle Redner waren sich einig, dass Europa für diese "New Space"-Ökonomie gut aufgestellt sei. Die im Vergleich mit den USA deutlich geringeren öffentlichen Mittel hätten hier bewirkt, dass alle Akteure sich von vornherein mehr anstrengen mussten, sagte Johannes von Thadden. Ein Problem angesichts der neuen Herausforderungen sei allerdings, dass für Raumfahrtingenieure "das Bessere nicht immer der Feind des Guten" sei. Risiken müssten neu ausbalanciert werden, etwa bei der Entwicklung neuer Raketen wie jetzt beim Wechsel von der Ariane 5 zur Ariane 6, bei der verstärkt Verbundwerkstoffe und 3D-Druck zum Einsatz kommen sollen. Das wäre bei einer bloßen Erweiterung der Ariane 5 nicht möglich gewesen. Zukünftig müsse nicht nur die Technologie beherrscht werden, sondern auch das Marketing. Das beinhalte ein erhöhtes Risiko. Man müsse sich darauf einstellen, das nicht immer alles auf Anhieb funktioniere. "Aber wenn wir es nicht versuchen, tun es andere", mahnte er.

Als Beispiele für Technologien, die anfangs skeptisch beäugt worden seien, nannte er die Laserkommunikation. Die habe sich in Deutschland gegen viel Widerstand entwickeln müssen: "Heute haben wir den Laserkommunikationsfacharbeiter – was für ein schönes, langes deutsches Wort." Ähnliches gelte für den 3D-Druck. Mittlerweile würden große Flugzeugteile mit diesem Verfahren gefertigt, in naher Zukunft auch On-Demand. Wenn auf diese Weise auch Satelliten direkt im Weltraum hergestellt werden könnten, ließen sich die aufwendigen mechanischen Strukturen sparen, die derzeit noch die Satelliten gegen die starken Belastungen beim Start schützen müssen. Zudem könnten Satelliten schnell auf Kundenwünsche hin produziert werden. (ssi)