Mit P2P zur besseren Gesellschaft

Neue Peer-to-Peer-Protokolle ermöglichen das Livestreaming auf Android-Smartphones. Die Entwickler haben die Vision einer dank P2P besseren demokratischen Willensbildung.

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Von
  • Richard Sietmann

Der an der TU Delft entwickelte quelloffene P2P-Client Tribler wird demnächst in Version 6.0 erscheinen. Das hat Entwickler Johan Pouwelse am gestrigen Mittwoch in einem Vortrag auf dem Computer Systems Colloquium der Stanford University angekündigt.

Tribler ist ein P2P-System der vierten Generation (4G-P2P), das über eine serverlos sich selbst organisierende Plattform BitTorrent-kompatible Downloads, Video-on-Demand und Livestreaming ermöglicht. Im Vergleich zu BitTorrent, das täglich von Millionen genutzt wird, ist die Tribler-Gemeinde mit rund 25.000 "monthly active users" noch recht überschaubar.

Ursprünglich 2006 als reiner BitTorrent-Client mit einigen Social-Networking-Erweiterungen gestartet, stützt sich das Tribler jetzt auf eine Dual-Stack-Implementierung. Damit kann die P2P-Engine sowohl das TCP-basierte BitTorrent-Protokoll wie auch das für das Videostreaming besser geeignete, auf UDP aufsetzende Swift-Protokoll verwenden. Auf der IETF 83 Ende März in Paris hat die Peer-to-Peer Streaming Protocol (PPSP) Workgroup in der Internet Engineering Task Force Swift als P2P-Standard vorgeschlagen.

Die jüngste Entwicklung ist Swift4Android, eine schlanke Implementierung des Protokolls als P2P-App für Smartphones. Solche Versuche hat es zwar auch schon mit dem BitTorrent-Protokoll gegeben; einer der ersten war vor drei Jahren SymTorrent und stammte von Nokia-Entwicklern für das Symbian OS, beschränkte sich aber auf File-Downloads. Swift4Android hingegen soll CPU- und Speicher-schonend auch das Livestreaming aufs Smartphone ermöglichen.

Damit liegen die Delfter im Trend: Gerade erst hat im April das chinesische P2P-Rundfunksystem SopCast, dessen Livestreaming-Angebot auch zahlreiche ausländische Sender umfasst, die Vorversion seiner Videostreaming-App Sopcast for Android für Smartphones, Tablets, Settopboxen und andere Endgeräte mit Android 2.2+ vorgestellt, die jedoch im Unterschied zum quelloffenen Swift4Android proprietär ist.

Die Visionen der Delfter P2P-Entwickler gehen indes weiter. Pouwelse, Assistenzprofessor in der Gruppe Parallele und Verteilte Systeme und Wissenschaftlicher Direktor des in der c't 19/11 dargestellten EU-Projektes P2P-Next, schwebt eine Art Microblogging-Tool zur Stärkung der Demokratie vor. Es soll "Menschen in die Lage versetzen, eine bessere Gesellschaft zu schaffen, indem sie sich zu einer hierarchiefreien Gruppe zusammenschließen, die auf Kooperation und Prinzipien der direkten Demokratie beruht", und dies "völlig unabhängig von der Beeinflussung durch Unternehmen und Regierungen".

Das klingt zu schön, um wahr zu werden – die Realität ist eher, dass gerade in den Mobilfunknetzen Peer-to-Peer-Anwendungen von den Betreibern ausgebremst oder gänzlich unterbunden werden. (vbr)