Mortal Engines: Ein bisschen Steampunk für Teenies

Die Peter-Jackson-Maschine verleibt sich die Romane von Philip Reeve ein. Das Ergebnis ist so kalt wie der Stahl der rollenden Städte.

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Mortal Engines: Ein bisschen Steampunk für Teenies

London ist die größte der rollenden Städte.

(Bild: Universal Pictures)

Lesezeit: 4 Min.

Wieder einmal hat ein gigantischer Krieg die Welt verwüstet und ein Teil der Menschheit lebt in nomadischen Stammeskulturen. Es herrscht Ressourcenmangel, die überlebenden Menschen müssen auf uralte Technik zurückgreifen. Das klingt wie handelsüblicher Postapokalypse-Trash, doch in seinem Roman “Mortal Engines” gibt Philip Reeve dem inzwischen schon klassischen Genre einen eigenen Dreh und entwirft eine dystopische Steampunk-Zukunft, in der Metropolen wie London als gigantische Eisenstädte über die verwüstete Erde rollen.

Die öden Landschaften des Westens sind zerfurcht von den Spuren der Städte.

(Bild: Universal Pictures)

Klingt komisch. Für Peter Jackson und Fran Walsh, die sich nach der zwar leidlich erfolgreichen, aber dennoch enttäuschenden Hobbit-Trilogie Reeves Roman vorgenommen haben, war das eine Herausforderung, die sie einem Regie-Neuling anvertrauten: Christian Rivers, der seit “Braindead” (1992) für Peter Jackson an Spezialeffekten arbeitet. Die Filmgeschichte kennt viele solche Karrieren, doch ist ein erfahrener Effektspezialist auf dem Regiestuhl nicht immer ein Garant für Erfolg – als ein Beispiel von vielen sei hier die Fortsetzung von David Cronenbergs Horror-Klassiker “Die Fliege” erwähnt.

Auch Rivers schafft es nicht, dem Spektakel eine Seele zu geben. Bei all der Liebe zum Detail, die in den Effekten steckt, bleibt die Geschichte auf der Strecke. Die ist Young Adult Fiction vom Reißbrett: schmachtende Teenager im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, der auf Reeves Landkarte topografisch definiert ist. Die Städte des Westens haben mobil gemacht und fahren wie gigantische Coal Roller über die verwüstete, von riesigen Fahrspuren durchzogene Landschaft. Auf der Jagd nach Ressourcen walzen die eisernen Giganten alles nieder, was ihren Weg kreuzt.

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Im Osten hingegen, jenseits einer massiven Mauer, gibt es blühende Landschaften. Hier sind die Menschen sesshaft geblieben und setzen dem postindustriellen Raubrittertum der westlichen Städte eine Gesellschaft entgegen, die von Wohlstand, Frieden und Diversität geprägt ist. Rivers und die Drehbuchautorinnen Philippa Boyens, Fran Walsh und Peter Jackson wählen hier Holzhammer statt Florett: Weniger subtil kann man seine progressive Botschaft kaum verpacken. Das Ganze wird dann noch angedickt mit dem schwer süßlichen und viel zu aufdringlichen Soundtrack des niederländischen DJs Junkie XL.

Diesen zusätzlichen Ballast könnten die "Mortal Engines" verkraften, wenn es den Filmemachern gelungen wäre, ihre rudimentäre Geschichte mit tollen Effekte zu einem mitreißenden Spektakel zu verschmelzen. Doch leider wirkt das "böse" London kaum bedrohlich, sondern eher wie eine übergroße Kirmesbude. Immerhin: Es gibt ordentlich was zu gucken in dieser Steampunk-Welt, die zwar mit liebevoll gestalteten Details aufwartet, aber mit etwas Abstand dann doch zu artifiziell wirkt.

Tom, Anna und Hester stellen sich London in den Weg.

(Bild: Universal Pictures)

Mit den staunenden Augen des Publikums sieht auch der junge Londoner Tom Natsworthy (Robert Sheehan) diese Welt und wird durch Zufall in einen Kampf zwischen Gut und Böse verwickelt. Der Londoner Historiker Thaddeus Valentine (Hugo Weaving) entgeht nur knapp einem Attentat der jungen Hester Shaw (Hera Hilmar), die noch eine Rechnung mit dem Großstädter offen hat. Tom interveniert – doch schnell wird klar, dass Valentine etwas im Schilde führt. Hester und Tom müssen fliehen und treffen auf eine Gruppe Rebellen um die enigmatische Anna Fang (Jihae). Zusammen setzen sie alles daran, Valentines Pläne zu durchkreuzen und den Osten gegen die marodierenden Städte zu verteidigen.

Das komplexeste an "Mortal Engines" ist die weibliche Hauptfigur: Hester hat früh ihre Mutter verloren und wurde von einer emotional unterentwickelten Vaterfigur großgezogen, die ihre eigenen Traumata zu bewältigen hat. Die Szenen mit Hester und ihrem "Vater" (Stephen Lang) gehören dann auch zu den wenigen anrührenden Momenten, in denen die die ansonsten eiskalte Erzählmaschine von "Mortal Engines" so etwas wie ein Herz entwickelt.

Die junge Heldin ist ein tough cookie und sorgt mehr als einmal dafür, dass der naive Tom den nächsten Akt auch noch erleben darf. Doch am Ende opfert das Drehbuch, das sich mit der Romanvorlage ohnehin einige Freiheiten erlaubt, seine autonome Heldin einem Dogma des alten Hollywood: Die Autoren verweigern Hester den finalen Triumph über ihre Nemesis, damit sie sich von Tom retten lassen kann. Ganz so progressiv, wie sie behaupten, sind die Filmemacher dann wohl doch nicht.

Mortal Engines ist ab dem 13. Dezember 2018 im Kino. (vbr)