Nach Amazon-Urteil: "Dringender Handlungsbedarf" beim Beschäftigtendatenschutz

Die Datenverarbeitung von Beschäftigten müsse klare Grenzen erhalten, fordert eine Aufsichtsbehörde mit Blick auf Amazons Leistungsüberwachung der Mitarbeiter.

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(Bild: Ioan Panaite/Shutterstock.com)

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Niedersachsens Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel sieht nach einer juristischen Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Hannover im Kampf gegen Amazons Leistungsüberwachung den Bundesgesetzgeber am Zug. "Die Grenzen einer Datenverarbeitung von Beschäftigten müssen gesetzlich klar festgelegt werden", verlangte sie am Freitag. Beim Absichern der Privatsphäre von Mitarbeitern bestehe "dringender Handlungsbedarf". Dies sähen die Richter genauso.

Die niedersächsische Aufsichtsinstanz hatte es Amazon untersagt, in seinem Logistikzentrum in Winsen (Luhe) bei Hamburg mit Handscannern ununterbrochen sowie jeweils aktuell und minutengenau Qualitäts- und Quantitätsleistungsdaten der Angestellten zu erheben und zu analysieren. Das Gericht hob die Verfügung am Donnerstag auf. Es erkannte den Überwachungsdruck zwar an, konnte dem ständigen Scannen und den damit verknüpften Feedbackmöglichkeiten für die Mitarbeiter aber auch Positives abgewinnen.

Thiel zeigte sich nach der Entscheidung weiterhin überzeugt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angestellten überwiege: "Der durch die minutengenaue Leistungsdatenerhebung sowie deren weitere Verarbeitung entstehende Anpassungs- und Leistungsdruck ist aus meiner Sicht höher zu gewichten als das wirtschaftliche Interesse des Unternehmens." Der Fall zeige, wie berechtigt der nachdrückliche Appell der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) aus dem Frühjahr sei, endlich auf Bundesebene ein Beschäftigtendatenschutzgesetz zu verankern.

Die DSK weist in ihrer einschlägigen Entschließung darauf hin, dass die sich dynamisch entwickelnde Digitalisierung zu "tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt" führe. Diese ermöglichten etwa erweiterte neue Formen der Verhaltens- und Leistungskontrolle, mit denen Beschäftigte oft in einer rechtlichen Grauzone ausspioniert werden. Deshalb seien weitergehende gesetzliche Vorgaben "notwendig und überfällig".

Das Ampel-Regierungsbündnis hat sich in seinem Koalitionsvertrag vorgenommen: "Wir schaffen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz, um Rechtsklarheit für Arbeitgeber" und Mitarbeiter zu erreichen sowie deren Persönlichkeitsrechte effektiv abzusichern. Zuvor waren – nicht nur während der großen Koalition – alle Anläufe der SPD für mehr gesetzlichen Arbeitnehmerdatenschutz gescheitert. Das Verwaltungsgericht ließ auch die Berufung gegen das Urteil zu. Ob Thiel von dieser Option Gebrauch machen wird, will sie nach einer gründlichen Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden.

(tiw)