Nach drei Jahren: Künast siegt auch vor Kammergericht über Hetzer

Nach dem Umweg über das Bundesverfassungsgericht bekommt Renate Künast nun auch die Daten von weiteren zehn Facebook-Nutzern, die sie teils schwer beleidigten.

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(Bild: dpa, Soeren Stache/dpa/Archivbild)

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Die auf Facebook zunächst mit richterlichem Plazet übelst verunglimpfte Bundestagsabgeordnete Renate Künast kann in ihrem Kampf gegen Hass im Internet einen weiteren Erfolg feiern. Das Berliner Kammergericht, wie in der Hauptstadt das Oberlandesgericht heißt, hat jetzt alle Äußerungen, gegen die Künast klagte, als rechtswidrige Beleidigungen eingestuft. Facebook muss daher die Daten der Verfasser der Hasskommentare auch in den zunächst noch offen gebliebenen zehn Fällen herausgeben.

Die damit erst einmal beendete juristische Auseinandersetzung über die Auskunft über die Nutzerdaten zog sich über mehr als drei Jahre lang hin. Künast hatte im September 2019 Klage wegen zahlreicher beleidigender Facebook-Kommentare eingereicht und forderte die Herausgabe der Nutzerdaten. In einem ersten Urteil hatte das Landgericht ihr das verwehrt und das mit "Sachbezug" und Meinungsfreiheit begründet. Später änderte das Gericht das Urteil ab und gab dem Antrag in Teilen statt.

Nach einer weiteren Beschwerde bekam Künast im März 2020 vorm Kammergericht in einigen weiteren Punkten Recht: Die Berufungsinstanz stufte zunächst sechs weitere Kommentare als rechtswidrig ein. Die zehn weiteren strittigen Äußerungen betrachteten die Berliner Richter indes nicht weiter. Mit einer Rüge gegen das Kammergericht scheiterte die Klägerin.

Erst mit dem Gang vors Bundesverfassungsgericht und ihrer Verfassungsbeschwerde konnte Künast im Februar durchsetzen, dass sie auch die anderen monierten Beschimpfungen und Falschzitate im Netz nicht länger dulden muss. Die Karlsruher Richter hoben den Beschluss des Kammergerichts auf, weil dieser die Klägerin in ihrem Persönlichkeitsrecht verletze und die niedere Instanz die verfassungsrechtliche Abwägung mit der Meinungsfreiheit unterlassen habe. Sie bezeichneten es auch als im öffentlichen Interesse, dass die Rechte von in der Politik Engagierten gewahrt werden müssen. Andererseits verliere das Gemeinwesen insgesamt.

"Es hat gerade mit Blick auf das Tempo der digitalen Welt extrem lang gedauert, aber nun gibt es mit dem hart erkämpften Beschluss des Kammergerichts doch einen Sieg", erklärte Künast am Dienstag. Der lange Kampf sei aber "auch emotional mühevoll" gewesen. Letztlich hätten die Gerichte nun zumindest "klare rechtliche Grenzen gesetzt": "Wer sich in der Demokratie engagiert, ist nicht Freiwild derer, die die Demokratie systematisch zerstören wollen." Zudem sei immer die digitale Reichweite und Reproduzierbarkeit von Kommentaren zu berücksichtigen.

Für Anna-Lena von Hodenberg von der Hilfsorganisation HateAid, die Künast in dem gesamten Verfahren unterstützte, zeigt das neue Urteil, dass der Rechtsstaat funktioniert. Der Preis für Betroffene von digitaler Gewalt sei aber zu hoch. Dass sich die Beschimpfte erst durch alle Instanzen klagen musste, bis die Täter nur identifiziert werden können, sei eine Zumutung.

Rechtsanwalt Severin Riemenschneider, der Künast vertrat, begrüßte, dass es das Kammergericht den Tätern nun auch nicht erlaube, "sich darauf zurückzuziehen, dass sie lediglich auf das verfälschte Zitat vertraut hätten". Ausgangspunkt der Welle von Hass und Hetze gegen die Klägerin war ein von dem Rechtsextremisten Sven Liebich verbreitetes Falschzitat der Politikerin. Darunter sammelten sich zahlreiche beleidigende Kommentare.

Das Amtsgericht Halle verurteilte den Blogger 2020 zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung, nachdem er auch dem Ex-SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz falsche Äußerungen in den Mund gelegt hatte. Im Oktober bestätigte das Landgericht Halle die Entscheidung im Großen und Ganzen und setzte die Bewährungsstrafe auf zehn Monate fest.

(olb)