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Neuer Fairphone-CEO peilt starkes Wachstum an

Noud Tillemans ist neuer CEO von Fairphone. Im Interview formuliert er ambitionierte Ziele und gibt Einblicke in die Zusammenarbeit mit Qualcomm. ​

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(Bild: c't)

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Von
  • Robin Brand

Der Launch des neuen Fairphone fällt mit einem Positionswechsel an der Spitze des Unternehmens zusammen. Seit dem 1. September ist Noud Tillemans CEO als Nachfolger von Eva Gouwens. An seinem ersten Tag im neuen Job erklärt der neue Mann an der Spitze, warum er sich dort nur vorübergehend sieht. Außerdem formuliert er ambitionierte Ziele für Fairphone und gibt Einblicke in die Zusammenarbeit mit Qualcomm.

c't: Anders als bei anderen Smartphones schaut man bei neuen Fairphones nicht zuerst auf die Specs, sondern inwiefern das Gerät nachhaltiger gebaut wurde. Beim Fairphone 5 scheint sich nicht viel getan zu haben: 14 Rohstoffe zumindest zum Teil fair gewonnen – das war auch beim Vorgänger schon der Fall.

Noud Tillemans: Doch, wir haben einen weiteren Schritt in Sachen Nachhaltigkeit gemacht. Ja, wir konzentrieren uns weiterhin auf 14 kritische Rohstoffe, die wir recyceln oder aus fairen Quellen gewinnen wollen. Doch während wir diese 14 Rohstoffe beim Fairphone 4 zu 40 Prozent aus fairen Quellen bezogen haben, sind es beim Fairphone 5 schon 70 Prozent.

Noud Tillemans ist seit 1. September CEO von Fairphone. Läuft alles nach Plan, wird er den Posten nicht lange innehaben.

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Wird es möglich sein, eines der kommenden Fairphones zu 100 Prozent aus fair gewonnenen Rohstoffen zu bauen?

Tillemans: Was die 14 Fokusmaterialien angeht, ja. Um das zu schaffen, arbeiten wir auch mit Zertifikaten. Denn nicht immer können wir sicherstellen, dass zum Beispiel das von uns gekaufte Fairtrade-Gold auch in unseren Smartphones landet, wenn es mit dem Gold aus anderen Quellen im Schmelzofen landet. Wir stellen also sicher, dass wir und unsere Fertigungspartner so viel fair gewonnene Rohstoffe in die Wertschöpfungskette einbringen, wie wir für die Produktion unserer Smartphones benötigen. Die größte Herausforderung dabei ist es, die Zulieferer zu überzeugen, etwas mehr zu investieren für recycelte Materialien.

Seit dem Fairphone 4 hat Ihr Unternehmen den Produktzyklus auf zwei Jahre verkürzt. Das ist zwar immer noch länger als bei anderen Smartphone-Herstellern üblich, aber eine Verkürzung des Produktzyklus widerspricht irgendwo dem Nachhaltigkeitsgedanken. Ihre Vorgängerin Eva Gouwens bezeichnete das als ein Dilemma, aber anders könne Fairphone nicht profitabel arbeiten und das Ersatzteilversprechen halten. Hat sich der Wechsel ausgezahlt?

Tillemans: Ja, wir zielen auf einen 2-Jahresrhythmus, weil das die Zyklen der Industrie sind. Schon nach einem Jahr melden uns Zulieferer für manche Teile, dass es jetzt die letzte Charge sei. Diese hilft uns über das zweite Jahr, aber spätestens im dritten wird es sehr kompliziert.

Glauben Sie, dass ein Mittelklasse-Chip ausreicht für die anvisierten 10 Jahre Nutzung?

Tillemans: Wir nutzen ein IoT-Chipset, das vergleichbar ist mit einem Snapdragon der 7er-Serie. Das ist für uns der Sweetspot aus Leistung und Preis. Ich bin mir sicher, dass die Leistung für zehn Jahre Nutzung ausreichend ist.

In der Vergangenheit hatten Sie schon mal Probleme, Updates bereitzustellen, weil Qualcomm den verwendeten Chip nicht mehr unterstützte. Wie wollen Sie das in Zukunft verhindern?

Tillemans: Wir haben vorab mit Qualcomm zusammengearbeitet und unsere Kooperation während der weltweiten Chipknappheit intensiviert. Zuvor haben wir Chipsets über unsere Auftragsfertiger bezogen, aber nun hatten wir auf diesem Wege keinen Erfolg mehr. Also haben wir Qualcomm um Hilfe gebeten. Seitdem arbeiten wir direkt zusammen. So sind wir die Ersten, die ein IoT-Chipset, das für Industrieanwendungen entwickelt wurde, in ein Consumer-Smartphone stecken. Für Qualcomm ist das auch eine Möglichkeit herauszufinden, wie sie in Zukunft Smartphone-Hersteller unterstützen können, länger Updates zu liefern.

Vor dem Fairphone 4 hatte Fairphone finanzielle Probleme. Ist das Unternehmen mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem sich mit dem Geschäftsmodell Geld verdienen lässt?

Tillemans: Ja, wir haben die vergangenen drei Jahre Profit gemacht und bewiesen, dass ein Unternehmen, das rund 100.000 Smartphones im Jahr verkauft, bestehen kann. Voriges Jahr haben wir 116.000 Fairphones verkauft, so viele wie nie zuvor in einem Jahr. Und wir haben Profit gemacht – gerade so. Dieses Jahr werden wir Verlust machen. Wir haben per Fundraising 49 Millionen Euro eingesammelt und wollen viel in Marketing investieren, weil viele Fairphone nicht kennen.

Was ist das Ziel? Wie viele Geräte kann das Unternehmen verkaufen?

Tillemans: Bis 2026 wollen wir 500.000 Fairphones im Jahr verkaufen.

Der Launch des Fairphone 5 fällt mit einem Positionswechsel an der Spitze des Unternehmens zusammen. Heute ist Ihr erster Tag als CEO, nachdem Eva Gouwens das Unternehmen aus privaten Gründen verlassen hat. Offiziell sind Sie Interims-CEO, wird es vielleicht mehr?

Tillemans: Wenn wir nicht den perfekten Kandidaten finden, möglicherweise. Aber das ist nicht das Ziel. Ich bin bereits seit vier Jahren CFO von Fairphone, aber Sales, Marketing und Markenentwicklung sind nicht meine Expertise.

Sie sind an der Suche nach Ihrem Nachfolger oder Ihrer Nachfolgerin beteiligt. Wie sieht ein perfekter CEO-Kandidat für Fairphone denn aus?

Tillemans: Wir suchen eine Person, die bestenfalls einen Hintergrund in der Branche hat und nachgewiesen, dass sie weiß, wie man mit einem Unternehmen expandiert. Erfahrung als CEO wäre auch wünschenswert, genauso wie Sales- und Marketing-Expertise. Wir haben eine Shortlist und ich hoffe, wir können nächstes Jahr einen neuen CEO berufen.

(rbr)