New-Media-Rechte an der Fußball-WM entwickeln sich zum Verkaufsschlager

Der Schweizer Sportrechte-Vermarkter Infront hat bislang rund 50 Lizenznehmer für die Übertragung von WM-Spielen auf Mobiltelefone gewinnen können. In einigen Märkten bringt das New-Media-Geschäft bereits 10 Prozent der klassischen TV-Rechte-Umsätze.

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Der Schweizer Sportrechte-Vermarkter Infront Sports & Media hat eigenen Angaben zufolge bislang rund 50 Lizenznehmer für die Übertragung von WM-Spielen auf Mobiltelefone gewinnen können. Von Angola bis Venezuela, von Bahrain bis Costa Rica – nahezu überall können sich Fußball-Fans während der WM in Deutschland zumindest Zusammenfassungen einzelner Partien auf das Handy schicken lassen. Die meisten Lizenznehmer buchen dabei das so genannte "Standard New-Media-Package", bei dem insgesamt bis zu vier Minuten einer Partie von Technikern im International Broadcast Center (IBC) auf dem Münchner Messegelände zurecht geschnitten und anschließend als "Near-Live"-Signal in alle Welt verschickt werden. In einigen Märkten bringt Infront das New-Media-Geschäft (einschließlich Internet-Übertragung) bereits 10 Prozent der Umsätze, die mit der Vermarktung klassischer TV-Rechte erzielt werden.

Hierzulande bieten O2, T-Mobile und das Unternehmen Mobiles Fernsehen Deutschland (MFD) Übertragungen von der WM für Handys an. Wie der MFD-Vertriebspartner debitel am Dienstag dieser Woche verkündete, können "Fußballbegeisterte in mindestens acht FIFA WM-Städten (Berlin, Frankfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Hannover, Köln, München, Stuttgart)" alle vom ZDF gezeigten Spiele mobil mitverfolgen. Zu diesem Zweck will MFD am 30. Mai den Sendebetrieb über die eilig lizenzierte und durch den Technikpartner T-Systems installierte Handy-TV-Plattform nach DMB-Standard starten.

Wie Technology Review in seiner heute erscheinenden Ausgabe (im gut sortierten Zeitschriftenhandel oder hier portokostenfrei zu bestellen) berichtet, war die Frage der Übertragungsrechte bis Anfang dieser Woche umstritten: Das ZDF geht davon aus, mit den Fernsehübertragungs­rechten auch die Verbreitung über Mobil-TV gekauft zu haben. MFD-Gründer Henrik Rinnert gibt zu bedenken, wie "unwahrscheinlich" es sei, "dass wir bis zum WM-Start mehr als 1000 Abonnenten unter Vertrag haben werden". Unter diesen Umständen verbiete sich eigentlich jegliche weitere Zahlung, schließlich habe das ZDF "für die WM-Lizenzen bereits tief in die Tasche gegriffen". Wie ein Infront-Sprecher jedoch heute gegenüber TR erklärte, habe auch MFD "eine angemessene Summe gezahlt".

Infront hatte zu dieser WM erstmals in großem Stil die New-Media-Rechte separat vermarktet – bei der WM 2002 in Japan und Südkorea brachte das Unternehmen lediglich zwei Lizenzen an den Mann. Zu den großen Lizenznehmern bei der WM 2006 gehört die italienische H3G S.p.A., die mobile Rechte für alle 64 Spiele erwarb und diese sowohl über UMTS-Streaming als auch DVB-H oder DMB verbreiten darf. Auch die Deutsche Telekom darf ihrer T-Mobil-Kundschaft 20 Spiele live anbieten.

Wie Infront allerdings betont, seien die H3G überlassenenen Rechte "auf italienisches Territorium beschränkt". Dieses so genannte Geo-Blocking ist symptomatisch für den digitalen Sendebetrieb. Infront verpflichtet Lizenznehmer, Maßnahmen zu ergreifen, die eine Ausstrahlung außerhalb des lizenzierten Territoriums sowie über andere als die vertraglich vereinbarten Netzwerke verhindern. Neben Geo-Blocking kommt dabei DRM-Technologie zum Einsatz. "Natürlich", erklärt Infronts PR-Chef Jörg Polzer, "arbeiten wir mit allen Lizenznehmer bei der Umsetzung der Auflagen eng und partnerschaftlich zusammen".

Abgeschaltet wird das Signal also wohl in der Regel nicht, schließlich ist man an längerfristigen Geschäftsbeziehungen mit den Lizenznehmern interessiert. Aber Kontrolle ist manchmal besser als Vertrauen, und so beauftrage Infront den britischen Dienstleister Sports Marketing Surveys Ltd (SMS) mit dem "Compliance Monitoring".

SMS setzt für die Überwachung unter anderem automatisierte Software ein, die neben der Live-Übertragung auch die Verwendung von Logos und Markennamen registriert. Zwei der entsprechenden Pakete heißen FREDI (Freeze Frame Enhanced Digital Imaging) und Magellan (automatische Bilderkennung). Bei Fernsehübertragungen ist jede Sichtung als relevant definiert, die klar zu lesen ist und länger als eine Sekunde dauert. Während der WM 2002 sollen über 200 Verstöße festgestellt worden sein.

Eine andere Art von Compliance Monitoring mögen sich deutsche Arbeitgeber wünschen, denn wie WebEx in einer aktuellen Umfrage herausgefunden haben will, beabsichtigt etwa ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer, WM-Spiele auch im Büro zu verfolgen. Rund 15 Prozent erklärten sich gar für so Fußball-begeistert, dass sie selbst eine Dienstreise verschieben würden, um ein Spiel live sehen zu können. WebEx, ein Anbieter von Web-basierten Konferenzsystemen, verweist daher auf virtuelle Business-Meetings als mögliche Alternative. (Udo Flohr) / (wst)