Nordkoreaner leben in "virtueller Isolation"

Für die meisten Nordkoreaner blieb der Internet-Blackout folgenlos. Sie können ohnehin nicht im World Wide Web surfen. Die Zugangskontrolle ist Teil der Informationsblockade der Regierung.

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Nordkoreaner leben in "virtueller Isolation"

(Bild: Nicor, CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dirk Godder
  • dpa
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Stell dir vor, das Internet fällt aus und niemand bemerkt es: Bis zu einem gewissen Grad trifft das auf das verarmte, aber hochgerüstete Nordkorea zu. Denn das Regime verwehrt dem Großteil der Bevölkerung den Zugang zum World Wide Web. Der nun bemerkte Internet-Blackout schlägt vor allem wegen des Streits des Landes mit den USA über eine Cyber-Attacke international hohe Wellen.

Noch ist unklar, wer oder was den Ausfall verursacht hat. War es eine Attacke von außen, fiel das ohnehin störanfällige System wegen Überlastung aus oder hat das Regime in Pjöngjang das Internet für ein paar Stunden abgeschaltet? Zunächst schwieg Nordkorea dazu. Der Ausfall löste Spekulationen aus, dass es sich um einen gezielten Hacker-Angriff gegen das Land handeln könnte.

Der auf Internet-Sicherheitsthemen spezialisierte Dienst Arbor Networks erklärte, man habe angesichts des Ausfalls Denial-of-Service-Attacken (DDoS) beobachtet. Eine Verwicklung der USA sieht Arbor Networks nicht: "Die Internet-Infrastruktur in Nordkorea ist nicht so beeindruckend, es ist also nicht so, dass eine super-ausgefeilte Attacke nötig ist, um es auszuschalten." Die Hackergruppe Lizard Squad brüstet sich derzeit, für den Ausfall verantwortlich zu sein, als "Cyber-Terroristen".

Wenn es um das Internet in Nordkorea geht, könnten die Gegensätze im Land nicht größer sein. Nach Angaben der Regierungen Südkoreas und der USA rüstet sich Nordkorea schon seit Jahren für einen Cyberkrieg, speziell gegen die beiden Länder. Die südkoreanische Regierung in Seoul schätzt die Zahl der nordkoreanischen "Cyber-Krieger" auf 5900.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un sieht zudem im Aufbau eines IT-Sektors ein wichtiges Instrument für die Entwicklung des Landes. Firmen in Nordkorea erhalten seit Jahren aus dem Ausland IT-Outsourcing-Verträge, bei denen Projekte auf externe Dienstleister übertragen werden. Gut ausgebildete IT-Spezialisten in Nordkorea programmieren auf diese Weise etwa 3D-Animationen.

Auf der anderen Seite lebe der Großteil der Bevölkerung "virtuell isoliert", sagen westliche Besucher. Die Aktivitäten der Menschen werden vom stalinistischen Regime streng kontrolliert - das gilt vor allem, wenn es um Informationen von außen geht. Nordkoreanische Flüchtlinge erzählen, sie wüssten, dass es Computer gebe. Auch hat sich die Zahl der Computer und Handys in dem Land in den vergangenen Jahren stark erhöht. Doch die meisten Bewohner haben noch nie im Internet gesurft. Nur eine kleine Zahl einer zur Elite zählenden Gruppe hat Internetzugang.

Eric Schmidt besuchte Nordkorea Anfang 2012.

(Bild: dpa, Yonhap)

Google-Verwaltungsratschef Eric Schmidt besuchte Nordkorea vor knapp zwei Jahren und warb für mehr Offenheit. Danach sagte er, die Führung des Landes riskiere ohne freien Internetzugang für die Bürger eine unaufholbare wirtschaftliche Rückständigkeit. Er sei nach Nordkorea gereist, um Meinungen über die freie Nutzung des Internets auszutauschen, sagte er damals. Doch geändert hat sich bisher nichts.

Es gibt ein auf das Land beschränktes, nicht öffentliches Intranet – Kwangmyong oder "Helligkeit" genannt. Doch wird es zensiert und kann nur von Regierungsbeamten, dem Militär und Universitäten genutzt werden. Sie können damit die geschätzten 1000 bis 5500 Websites durchforsten. (mho)