Offshore-Windkraft- und Solarbranche fordern mehr Unterstützung

Beide Industrien wurden hierzulande zunächst gefördert, dann politisch fallengelassen. Für Energiesicherheit und Ausbauziele rufen sie nach neuer Unterstützung.

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(Bild: PHOTOCREO Michal Bednarek/Shutterstock.com)

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Sowohl die Offshore-Windkraft- als auch die Solarbranche ruft nach mehr politischer und wirtschaftlicher Unterstützung. Während die Solarbranche darum wirbt, dass die vorgelagerte Wertschöpfungskette mit entsprechenden Förderungen nach Europa zurückgeholt wird, macht die Windkraftbranche deutlich, dass die neu gesteckten Ausbauziele nur dann geschafft werden können, wenn die Politik mehr Unterstützung bereitstellt und etwa auch Änderungen am Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) vornimmt. Hierfür wünscht sich die Offshore-Windkraft-Branche explizit ein näheres Zusammenkommen mit den politischen Entscheiderinnen und Entscheidern. Die neuen Ausbauziele, und auch die Produktion von grünem Wasserstoff auf See, könnten ansonsten an der "industriellen Machbarkeit" scheitern.

Die Solarbranche macht mit großen deutschen Herstellern wie Wacker, Meyer Burger, NorSun, Norwegian Crystals, der Solarzellen ECM Group als auch den Forschungseinrichtungen Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP darauf aufmerksam, dass ein Großteil der Photovoltaik-Lieferkette von China abhängig ist. Das Land verfüge beispielsweise über 96 Prozent der weltweiten Produktionskapazität für Silicium-Wafer, der Basis für Solarzellen. Silicium, Ingots und Silicium-Wafer seien die Voraussetzung für die Herstellung von Solarzellen, Photovoltaik-Modulen und letztlich von Photovoltaik-Kraftwerken. Käme es wieder zu Lieferunterbrechungenwie etwa bereits durch die Coronavirus-Pandemie bekannt –, sei der Ausbau der Solarenergie in Europa gefährdet.

Die Politik solle sich dementsprechend dafür einsetzen, dass die Abhängigkeit im PV-Energiesektor verringert wird. Die Interessenvertreter fordern dafür den Aufbau einer lokalen, nachhaltigen Wertschöpfungskette, die auch Menschenrechte in den Blick nimmt. So erklärt etwa Carsten Rohr, Chief Commercial Officer bei NorSun: "Wir brauchen den richtigen politischen Rahmen und mehr finanzielle Unterstützungsmechanismen, um Investitionen in die PV-Wertschöpfungskette in Europa attraktiver zu machen, insbesondere für Investitionen und energieintensive vorgelagerte Produktionsschritte wie die Ingot- und Waferproduktion." Von Belang seien auch eine nachhaltige Produktion "sowohl im Hinblick auf hohe Umweltstandards –einschließlich eines geringen CO₂-Fußabdrucks" als auch die Einhaltung sozialer Standards.

Zudem setzt sich die Gruppe dafür ein, dass Subventionen für Investitionen in Produktionskapazitäten fließen, die Herstellung von PV-Produkten gefördert und ein wettbewerbsfähiger Strompreis garantiert wird. Vergünstigungen für niedrige CO₂-Emissionen bei der Herstellung von Produkten werden ebenso angemahnt.

Andreas Bett, Leiter des Fraunhofer ISE, unterstreicht: "Wir sind davon überzeugt, dass eine nachhaltige europäische PV-Produktionsindustrie mithilfe staatlicher Unterstützung zur Förderung der Installation und des Betriebs von PV-Produktionsstätten belebt werden kann. Dies würde die starke Energieabhängigkeit Europas deutlich verringern und gleichzeitig wirtschaftliche Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze schaffen."

Aus Sicht von Gunter Erfurt, CEO der Meyer Burger Technology AG, unterliegt der Energiesektor einem nationalen Sicherheitsinteresse: "Die Solarindustrie mit ihren Fertigungsstätten in Europa müssen vor dem Hintergrund der anhaltenden multiplen globalen Krisen zu einer politischen Priorität werden." Demzufolge sei "eine zeitlich begrenzte Industriepolitik, die gezielt die Renaissance einer produzierenden Industrie für erneuerbare Energien fördert, [...] strategisch klug und dringend notwendig. Industrien, die in Europa angesiedelt sind, sichern eine bezahlbare Energieversorgung und zahlen hier auch Steuern." Würden sich diese Industrien woanders ansiedeln, gehe Europa am Ende "doppelt leer aus."

Die Offshore-Windkraft-Branche, vertreten durch den Bundesverband WindEnergie e.V., den Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore e.V., die Stiftung Offshore-Windenergie, VDMA Power Systems, WAB e.V. und WindEnergy Network e.V., macht zugleich darauf aufmerksam, dass es für die im vergangenen Jahr erhöhten Ausbauziele für Windenergie auf See mehr politische Unterstützung brauche. Allein das Planen in Ministerien reiche nicht, so die Vertreter. Sie machen sich für gemeinsame Gespräche stark.

Die Industrie brauche für die Realisierung beispielsweise "den Aufbau stabiler Lieferketten und einen zukunftsorientierten Ausbau von Fertigungskapazitäten" sowie einen "stetigen und gleichmäßigen Zubau-Pfad". Die für das Erreichen der Ausbauziele notwendigen Produktionskapazitäten und Fachkräfte fehlten bisher in substanziellem Maße. Das Bündnis benötige deshalb eine von der Bundesregierung unterstützte Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive, sowie mehr Arbeitnehmerfreizügigkeit über EU-Grenzen hinaus und eine effektive Einwanderungspolitik.

Neben den industriellen Kapazitäten fehlten auch entsprechende Hafeninfrastrukturen sowie eine deutliche Erhöhung des Angebots deutscher Werften für den Bau von Gründungsstrukturen, Umspann- und Konverter-Plattformen oder etwa Spezialschiffen für Service, Wartung und Errichtung.

Auch müsse Europa eine gemeinsame starke Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act finden, der die US-Wirtschaft bevorteilen dürfte. International faire Wettbewerbsbedingungen, einfache Investitions- und Finanzierungsbedingungen seien nötig. Zu erkennen sei, dass mittlerweile viele deutsche Zulieferunternehmen mit Auftragsabarbeitungen für den internationalen Offshore-Windmarkt beschäftigt.

Immer noch ein Dorn im Auge, ist für die Branche auch die neue Gebotskomponente im Windenergie-auf-See-Gesetz, die erst 2022 eingeführt wurde. Diese erhöhe die Risiken für Investoren und belaste auch die Stromkunden, so das Bündnis. Denn klar sei, dass die Windparkbetreiber auf See die Gebotskomponente des Bieterverfahrens zurückverdienen müssten. Des Weiteren wirke sich die Komponente aber auch auf die Akteursvielfalt aus. Um nicht nur besonders große Bewerber zum Zug kommen zu lassen, sollte die maximal zu bezuschlagende Ausbaumenge pro Bieter und Jahr begrenzt werden.

Auch kritisiert das Bündnis, dass die Ausschreibungen der Bundesnetzagentur, die Auftragseingänge für die Zulieferindustrie ermöglichen, noch ausstehen. Solche Aufträge seien aber erforderlich, um das "Wiederhochfahren" der Offshore-Windindustrie für den deutschen Markt und die notwendigen Investitionen in Produktion und Lieferkette, Infrastruktur und Logistik zu ermöglichen.

Hakt es schon beim Ausbau der Offshore-Windkraft, wird auch die Produktion von Wasserstoff auf See kaum vorwärtskommen. Hier fehlt es den Vertretern aber auch noch am erforderlichen regulatorischen Rahmen, der die Entwicklung von konkreten Geschäftsmodellen ermögliche. Der Hochlauf der Wasserstoffproduktion auf See könne nur durch Ausschreibungen von mindestens 500 MW pro Jahr ab 2023 gelingen.

Mit dem Osterpaket der Bundesregierung wurden die Ausbauziele für die Windkraft auf See im Frühjahr 2022 erhöht. So soll die installierte Leistung 2030 auf mindestens 30 Gigawatt (GW anwachsen, 2045 sollen mindestens 70 GW erreicht sein. Im europäischen Rahmen sollen bis zum Jahr 2030 150 GW zugebaut werden. Diese Ziele erforderten entschlossenes politisches Handeln.

"Für das Erreichen der Ausbauziele bis 2030 müssen in Deutschland in weniger als acht Jahren 22 Gigawatt (GW) auf See installiert werden", erklären die Vertreter. Hierfür sei auch eine "industrielle Machbarkeit" notwendig.

Im vergangenen Jahr gingen laut Bündnis 38 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von 342 Megawatt (MW) im Projekt Kaskasi erstmalig ans Netz. Insgesamt speisten seitdem in Nord- und Ostsee 1.539 Windkraftanlagen mit einer Leistung von insgesamt 8.100 MW Strom ein. Für das Jahr 2023 werde mit der Fertigstellung und Inbetriebnahme von Arcadis Ost 1 gerechnet. In den kommenden Jahren rechne die Deutsche WindGuard für die Branche mit höheren Zubau-Raten. Im Sommer 2022 rechnete sie aber auch, dass bis zum Jahr 2030 eigentlich noch 9,4 Gigawatt zusätzlich ausgeschrieben werden müssen, um die Ziele des Osterpakets erreichen zu können.

(kbe)