Optische Netze: Nächste Runde im Fusionspoker

Wer Produkte für optische Netze vorweisen kann, der hat gute Chancen, momentan sehr schnell reich zu werden: Lucent will Chromatis für 5,7 Milliarden US-Dollar übernehmen.

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Von
  • Jürgen Kuri

Wer Produkte für optische Netze vorweisen kann, der hat gute Chancen, momentan sehr schnell reich zu werden. Nicht etwa, weil man unbedingt gute Verkaufszahlen mit Produkten erzielen muss: Auch wenn man noch gar nichts zu verkaufen hat, kann man als Firmeninhaber schnell durch eine Fusion ein paar Milliarden US-Dollar machen. Der anhaltende Kampf um die Beherrschung des Markts für rein optische Netze (siehe dazu auch den Hintergrundbericht Der Boom der optischen Netze) lässt die Großen der Branche nach jeder Firma greifen, die das eigene Portfolio in diesem Bereich ergänzen kann.

Lucent, weltgrößter Hersteller von Equipment für Daten- und Telekommunikationsnetze, will nun für 5,7 Milliarden US-Dollar die Firma Chromatis kaufen, verlautete aus Kreisen des Lucent-Managements. Chromatis, spezialisiert auf Komponenten für optische Netze im MAN-Bereich (Metropolitan Area Networks), hat allerdings noch keine kommerziell verfügbaren Produkte vorzuweisen. Angesichts dessen scheint der Kaufpreis zwar weit übertrieben, dürfte aber für Lucent gerechtfertigt sein: Geräte von Chromatis befinden sich gerade in Feldtests bei verschiedenen Telekom-Konzernen; nach Angaben von Qwest, einem der Testteilnehmer, seien die Versuche sehr vielversprechend verlaufen. Die erste Phase sei abgeschlossen und Chromatis-Geräte könnten eine große Lücke bei Infrastruktur-Angeboten im MAN- und Citycarrier-Bereich schließen.

Chromatis stellt nach eigenen Angaben Equipment für optische Netze auf Basis von WDM (Wavelength Division Multiplexing) her, die mehrere Protokolle und Techniken über eine einzige Wellenlänge transportieren können. Traditionell werden dagegen etwa für ATM, IP oder TDM jeweils eigene Wellenlängen benutzt. Außerdem hat Chromatis eine Technik entwickelt, die die Firma SWDM (Selective WDM) nennt. WDM-Ringnetze erfordern normalerweise, dass an jedem Anschlusspunkt mindestens eine Wellenlänge mittels WDM-Geräten in den Ring gelangt oder an das angeschlossene Netz geleitet wird, um die Daten der an den optischen Ring angeschlossenen Teilnehmer transportieren zu können. SWDM soll es nun ermöglichen, in einem einzigen optischen Ring sowohl traditionelle Techniken für optische Netze als auch WDM gleichzeitig zu betreiben. Netzteilnehmer, die die Bandbreite von WDM nicht benötigen, können so nach Angaben von Chromatis kostengünstiger in ein MAN oder Citycarrier-Netz aufgenommen werden.

Die Übernahme von Chromatis durch Lucent, die offiziell noch nicht bestätigt wurde, brächte den Netzwerkgiganten, der aus AT&T hervorgegangen ist, jedenfalls Techniken ein, die gut zur eigenen Produktpalette passen. Die Übernahme wäre der nächste Schritt im Konzentrationsprozess bei den optischen Netzen: Besonders Lucent selbst und Nortel als zweitgrößter Hersteller nach der ehemaligen AT&T-Abteilung konkurrieren eifrig um die Beherrschung des Markts. Sowohl Lucent als auch Nortel führen ihre guten Geschäftsergebnisse unter anderem auf die Erfolge bei optischen Netzen zurück. Aber auch Cisco ist nicht untätig: Den Rückstand im Bereich der Photonik versucht der Platzhirsch unter den Router-Produzenten durch Aufkäufe wettzumachen. Nach der Übernahme der WDM-Abteilung des italienischen Mischkonzerns Pirelli baute Cisco die Abteilung für optische Netze durch den Kauf des schwedischen Anbieters Qeyton weiter aus. (jk)