Polizei NRW: Kostenexplosion und Verzögerung bei umstrittener Palantir-Software

Für 14 Millionen Euro wollte das LKA NRW ein System für Big-Data-Analysen. Inzwischen kostet das lange nur testweise laufende Projekt fast 40 Millionen.

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(Bild: mahc/Shutterstock.com)

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Das IT-Großprojekt, mit dem das Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen (NRW) mit Software der US-Big-Data-Firma Palantir verschiedene Datentöpfe wie Vorstrafenregister, Fahndungssysteme, Handy-Daten und Social-Media-Profile effizienter und einfacher durchsuchen können will, ist bei den Kosten und im Zeitplan heftig aus dem Ruder gelaufen. Der Auftragswert habe laut Ausschreibung 14 Millionen Euro betragen, berichtet der WDR. Insgesamt musste das Land demnach aber inzwischen 39 Millionen Euro für die Initiative hinblättern.

Mit insgesamt 22 Millionen Euro netto sollen laut dem WDR-Bericht bisher allein die von Palantir berechneten Lizenzkosten für fünf Jahre zu Buche geschlagen haben. Dabei sei das System, das auf der Palantir-Plattform "Gotham" basiert und beim Kampf gegen Terrorismus und schwere Kriminalität helfen soll, anderthalb Jahre nur im Testbetrieb gelaufen. Die NRW-Datenschutzbeauftragte habe nämlich auf eine eigene Rechtsgrundlage gedrängt, Innenminister Herbert Reul (CDU) erst nach Monaten eingelenkt.

Im April beschloss der Landtag ein neues Polizeigesetz, das den Einsatz der Software ausdrücklich erlaubt. Im Mai startete dann der Regelbetrieb. Ursprünglich sollte das System bereits im Herbst 2020 für die ersten Nutzer anwendbar sein. In den Ausschreibungsunterlagen warnte das LKA jedoch schon, dass das System dafür "innerhalb nur weniger Monate geliefert und in die bestehende IT-Architektur der Polizei NRW implementiert werden muss".

Für zusätzliche Hardware sollen ferner rund 2,4 Millionen Euro fällig geworden sein, teilte das Innenministerium dem WDR mit. In Summe seien zudem 13 Millionen Euro "für ergänzende Tätigkeiten anderer Unternehmen ausgegeben" worden. "Aufgrund vertraglicher Verpflichtungen" habe das Ressort dazu keine konkreten Empfänger oder Leistungen nennen können.

Das von Trump-Unterstützer Peter Thiel mitgegründete Unternehmen Palantir ist seit Jahren umstritten. Die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU spricht von einer "Schlüsselfirma in der Überwachungsindustrie", die mit Geld des CIA-Wagniskapitalarms In-Q-Tel loslegte. Sie ist Kritikern zufolge tief in den militärisch-digitalindustriellen Komplex der USA verstrickt. Das Geschäftsmodell heiße: Big Data für Big Brother.

Reul verweist darauf, dass die Software mittlerweile erfolgreich eingesetzt werde. Es seien schon mehrere Straftaten damit verhindert worden, etwa Geldautomatensprengungen und sexualisierte Gewalt an Kindern. Jürgen Bering von der Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisierte gegenüber dem Sender aber, dass das NRW-Gesetz den Einsatz des Data-Mining-Systems auch bei minderschweren Straftaten wie Betrug, Beamtenbestechung oder Volksverhetzung zulasse. Die Bürgerrechtsorganisation will daher Anfang Oktober Verfassungsbeschwerde einlegen.

In Deutschland baut auch Hessen im Anti-Terror-Kampf auf Gotham. Kritiker etwa aus der Opposition monieren, dass mit dem entsprechenden Projekt "Hessendata" eine ungerechtfertigte Rasterfahndung einhergehe. Es sei unklar, welche Daten in die USA flössen.

(olb)