Post aus Japan: Stammzellenversuche breiten sich aus

Im Sommer beginnt der erste klinische Test einer Therapie für Rückenmarksverletzte. Nippon will die Forschung hier weiter anführen.

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Post aus Japan: Stammzellenversuche breiten sich aus

Menschliche iPS-Zellen.

(Bild: Dr. Ole Isacson, McLean Hospital and Harvard Medical School)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling

Hideyuki Otani ist eine Größe bei kleinen menschlichen Zellen, die sich in viele Gewebe verwandeln können. Schon 2007 erhielt der Professor des Graduierten-Kollegs für Medizin an der Tokioter Keio-University eine Auszeichnung, die ihn zu den Top-Stammzellenforschern der Welt kürte. Jetzt wird er dem Preis wieder gerecht. Gemeinsam mit seinem Kollegen Masaya Nakamura und einem Forscherteam wird Otanis Gruppe den weltweit ersten klinischen Test für eine Therapie von Querschnittslähmungen durch Rückenmarksverletzung durchführen, um Gelähmte wieder laufen zu lassen.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Diese Woche endlich genehmigte das Gesundheitsministerium den Test von Okanos Stammzellenkur an vier Patienten. Im Sommer soll es losgehen. Jedem der querschnittsgelähmten Versuchsteilnehmer werden in die unterbrochene Nervenbindung 200 Millionen neurale Stammzellen injiziert, die aus den wahren Alleskönnern, den induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) gewonnen worden waren. Zudem erhalten Testpersonen Arzneien, die die Immunabwehr unterdrücken. Schließlich soll der Körper die kleinen Fremdzellen nicht bekämpfen, sondern ihrer Arbeit nachgehen lassen, dem wachsen neuer Nervenbahnen.

Die große Hoffnung ist, dass sich dann beim Menschen wiederholt, was der Zellcocktail bei Äffchen schon erreicht hat: dass Querschnittsgelähmte wieder gehen können. Die Probanden werden über den Verlauf eines Jahres von den Forschern begleitet, um neben Fortschritten auch mögliche Nebenwirkungen wie Krebs erfassen zu können.

Medizinisch ist der Versuch schon interessant, aber innovationstrategisch ebenfalls. Denn der klinische Versuch ist einer von mehreren, die nach ein paar Jahren Testschlaf wieder starten. Die Kyoto-Universität hat schon einen Test gestartet, das Startup Healios steht auch davor. Und an der Keio-Universität gibt es noch ein anderes Stammzellenprojekt, dass sich verwirklichen will. Den Anstoß gab der global erste klinische Stammzellenversuch des australischen Startups Cynata Therapeutics. Das Unternehmen hat bereits die erste Phase einer Kur gegen die Abwehrreaktion von Knochenmarkstransplantationen beendet. Und plötzlich bekam Japan es mit der Angst zu tun, dass ausgerechnet der iPS-Pionier zum Nachzügler werden könnte. "Japan versucht seine Führung seine Führung im Rennen um Stammzellentherapien wiederzuerlangen", schrieb die Wirtschaftszeitung Nikkei damals.

Tatsächlich ist Japan ein Powerhouse der iPS-Forschung. 2006 gelang es Professor Shinya Yamanaka von der Kyoto-Universität, die Alleskönner zu erzeugen. Bereits 2012 wurde er für die Erfindung mit dem Nobel-Preis für Medizin auszeichnet. Die außergewöhnlich schnelle Belohnung unterstrich die Hoffnungen der Menschen, schon bald jedwedes Gewebe nachwachsen lassen zu können.

Und es ging voran. 2014 transplantierte das japanische Forschungsinstitut Riken eine erzeugte Zellschicht in ein Auge. Doch danach würgte die Regulierung weitere Versuche bis zum heilsamen Schock aus Australien ab. Nun müssen die finanziell klammen Universitätslabore und Startups nur noch große Unternehmen finden, die die Versuche auch wirklich in Medikamente verwandeln.

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