Raspberry Pi OS: Raspi-Linux zieht auf Debian-Bookworm-Basis um

Raspberry Pi OS migriert die Basis auf Debian Bookworm. Zudem setzen die Entwickler auf Wayland anstatt X11.

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Raspberry Pi 4 in der Produktion

(Bild: Raspberry Pi Foundation)

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Das Raspberry Pi-Projekt hat die offizielle Linux-Distribution für die Bastelrechner, Raspberry Pi OS, auf den Stand von Debian 12 mit dem Codenamen Bookworm gehievt. Das aktualisiert den gesamten Unterbau. Einige Änderungen an der grundsätzlichen Architektur stechen zudem besonders hervor.

Die Entwickler legen etwa besonderen Wert auf den Umzug auf Wayland für die grafische Anzeige. X11 wollen sie ablösen und stoßen damit ins gleiche Horn wie seit Kurzem etwa die Entwickler der Desktop-Umgebung Gnome. Wayland liefere eine deutlich bessere Performance, da unter anderem anders als bei X11 nicht zwei Apps (Display Server und Window Manager) zur Anzeige eines Fensters auf dem Desktop tätig werden müssen, sondern Wayland das in einem Aufwasch im Compositor erledige.

Da unter X11 alle Apps mit dem Display Server kommunizieren müssten, sei auch Informationsaustausch unter den Apps möglich. Wayland sorge für eine Isolierung der Apps auf Compositor-Ebene, sodass keine App sehe, was eine andere mache. Dies stelle einen Sicherheitsgewinn dar. Als Compositor für das Wayland-Protokoll kam bislang der Mutter-Window-Manager zum Einsatz, der das unterstützt. Das war jedoch langsam und umständlich, weshalb jetzt Wayfire als Compositor dient. Der funktioniere sogar so gut, dass Wayland damit der Standardmodus für den Desktop darstellt – auf Raspberry Pi 4 und 5.

An der Performance auf älteren Plattformen optimieren die Entwickler noch. Dort kommt weiter X11 mit dem Openbox Window Manager zum Zuge. Aber der Umstieg auf Wayland ist auch hier geplant.

Ursprünglich setzte das offizielle Raspberry-Linux auf das ALSA Sound-Interface, was nach einiger Zeit durch PulseAudio ergänzt wurde. Jetzt haben die Entwickler das durch das modernere Pipewire-Audiosystem ersetzt. Das soll insbesondere Latenzen bei der Tonwiedergabe, unter anderem zu Videos, verringern. Die Verwaltung von Bluetooth-Geräten sei besser. Zudem funktioniere es einfach besser in Kombination mit Wayland. Während bei den Debian-Bullseye-basierten Raspberry-Pi-OS-Versionen die Nutzung von Networkmanager optional in raspi-config ausgewählt werden konnte, ist das nun die Standard-Netzwerkkontrolle unter Bookworm-basiertem Raspberry Pi OS. Es ersetzt dhcpcd und kann deutlich mehr, etwa zu versteckten WLANs verbinden, zu VPNs verbinden und einen Raspberry Pi als WLAN-Hotspot verwalten.

Nicht ohne Stolz verkünden die Entwickler zudem, dass Raspberry Pi OS jetzt eine auf Raspberry Pi optimierte Version vonj Mozilla Firefox mitbringt. Damit erhalte Firefox zudem erstmalig offizielle Unterstützung. Zuvor gab es lediglich eine alte Version aus den Debian-Repositories. Zu den Optimierungen gehört unter anderem die Aktivierung der V4L2-Unterstützung, sodass Firefox den Hardware-h.264-Decoder der Grafikeinheit des Mikroprozessors nutzen kann. Das reduziere die Last bei der Wiedergabe von HD-Videos enorm. Dank der UNterstützung von Widevine-DRM lassen sich zudem Video-Streaming-Dienste nutzen. Aber auch Videotelefonie soll ab Werk mit CSI-Kameramodulen klappen.

Eine derart große Umstellung läuft jedoch nicht immer vollständig reibungslos. Einiges, was in alten OS-Versionen funktionierte, tut es nun nicht mehr. Nicht alle Probleme haben sich lösen lassen, erklären die Entwickler.

So sei die Kompensierung für den Overscan-Bereich der Anzeige unter Wayland ziemlich anspruchsvoll und habe nicht korrekt funktioniert. Daher wurde sie schlicht entfernt. Es gibt jedoch Hoffnung, dass das in den Griff zu bekommen sei, sodass die Funktion wieder einziehen könne in Zukunft. Da die Icons im Systemtray einen neuen Mechanismus unter Wayland nutzen, müssen einige Anwendungen noch angepasst werden, damit sie ein Icon dort anzeigen können.

Das Wayland-Sicherheitsmodell machte zudem die Nutzung eines neuen VNC-Servers namens wayvnc nötig, RealVNC funktionierte nicht mehr. Mehr Funktionen liefere jedoch TigerVNC als Client, den Nutzerinnen und Nutzer testen können. Zudem gebe es eine Regression im RealVNC-Server, der in Bookworm auf den älteren Raspberry-Pi-Modellen genutzt werde, die noch keine Wayland-Unterstützung erhalten. Die 64-Bit-Version funktioniere, die 32-Bit-Fassung ist jedoch nicht Bookworm-Kompatibel. Die Raspberry-Pi-OS-Entwickler warten hier auf ein Update von RealVNC. Wer auf den älteren Raspis Remote-Desktop-Zugriff benötige, solle vorerst bei Bullseye bleiben.

Der Raspberry Pi Imager kann auf Mausklick die gewünschte Version von Raspberry Pi OS herunterladen und auf SD-Karte verfrachten. Die neuen Abbilder stehen ebenfalls auf der Raspberry-Pi-Seite zum Download bereit und lassen sich mit beliebigen Tools auf SD-Karte befördern.

In der Versionsankündigung plaudern die Entwickler noch etwas aus dem Nähkästchen, welche Klippen es zu umschiffen, welche Hürden es zu nehmen galt, um die neuen Subsysteme sauber zum Laufen zu bekommen. Interessierten sei daher der Blick in die volle Ankündigung zu Raspberry Pi OS auf Debian-Bookworm-Basis empfohlen.

Zuletzt war einer der größeren Entwicklungsschritte bei Raspberry Pi OS, den 64-Bit-Support fertigzustellen. Damit unterstützt die offizielle Linux-Distribution etwa den Raspberry Pi Zero 2 sowie Pi 3 und Pi 4. Die älteren Bastelrechner setzen noch 32-bittige Prozessorarchitekturen von ARM ein.

(dmk)