Rauschende A9 III und echte Echtheitsinitiative – die Fotonews der Woche 1/2024

Sonys Sportbolide schwächelt in der Bildqualität, der Echtheitsnachweis per CAI kommt in Schwung. Panasonic arbeitet an einer neuen KI zur Bilderkennung.

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So sollten alle Webseiten aussehen: Ein Klick zeigt, woher ein Bild stammt.

(Bild: CAI, Screenshot: heise online)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Willkommen im neuen Jahr, und nur für den Fall, dass Sie sich den Skiurlaub über Weihnachten verkniffen haben, um das Geld für Sonys A9 III zu sparen: Vielleicht war das ein bisschen voreilig. Denn diese Kamera, die als erste 120 Raw-Bilder pro Sekunde ohne Rolling-Shutter-Effekt fotografieren kann, entpuppt sich immer mehr als Spezialwerkzeug. Und nicht, wie von manchen erhofft, als ultimativer Allrounder.

Eigentlich war das schon klar, denn 120 fps und 24 Megapixel deuten als Eckdaten schon auf eine Kamera für Sport und Action hin, und natürlich ist die Sony für die kommenden Olympischen Spiele von Paris Mitte 2024 gedacht. Entsprechend lief auch Sonys Vorstellung in New York im November 2023: Eine perfekt ausgeleuchtete Sporthalle diente für Vorabtests von Vorserienkameras mit Vorserienfirmware. Die keine Raw-Dateien speichern konnte.

Nun ist endgültig klar, warum das so war, denn sowohl DPReview wie Petapixel hatten ihre Finger schon an Serienmodellen der A9 III, inklusive Raw-Funktionen. Wie befürchtet, geht die hohe Geschwindigkeit mit einem merklichen Verlust an Bildqualität einher. Beide Medien sind sich nach den bisherigen Tests einig, dass Dynamikumfang und Rauschverhalten bei hohen ISO-Werten zu wünschen übrig lassen. Die Rede ist sogar vom Niveau einer APS-C-Kamera.

Wir haben uns die Testbilder, insbesondere die Direktvergleiche in voller Auflösung bei DPReview, lange angesehen und können das bestätigen, allerdings mit einer großen Einschränkung: Das ist Jammern auf sehr hohem Niveau, und der APS-C-Vergleich hält nur Stand, wenn man die A9 III mit aktuellen APS-C-Kameras vergleicht. So ziemlich jede ältere DSLR wird von der Sony geschlagen. Auffällig ist bei ISO-Werten ab 6400 allenfalls ein im Vergleich hohes Farbrauschen, auch an harten Kontrastkanten. Das bekommt man in der Bearbeitung ohne Detailverluste nur schwer weg. Ebenfalls ist der Dynamikumfang bauartbedingt beschränkt, denn die Sony legt erst ab ISO 250 los.

Warum Sony noch länger an der Firmware geschraubt hat, zeigt sich anhand der Testaufnahmen nun auch, denn die interne JPEG-Bearbeitung arbeitet schlicht überraschend gut. Das bei hohen ISO-Werten störende Farbrauschen ist fast weg, das gefürchtete "Zermatschen" von Details nicht so auffällig wie bei manchen anderen, auch aktuellen Kameras. Auch das gilt unseren Augen zufolge wieder nur bis etwa ISO 6400.

Diese Funktion könnte für viele Interessenten das Argument sein, warum die A9 III eben doch für Sportfotografie taugt, denn: In diesem Fach werden unter Profis tatsächlich oft die out-of-camera-JPEGs verkauft. Ganz einfach deswegen, weil es um Sekunden geht. Wer das beste Bild einer spektakulären Szene aus dem Stadion am schnellsten liefert, gewinnt bei den großen Agenturen. Da wird allenfalls noch der Bildausschnitt verändert, sogar Entrauschen ist eher Ausnahme als Regel. Wer´s nicht glaubt, möge einmal die Bilder eines Bundesliga-Samstags noch am selben Abend in voller Größe auf der Sportseite seiner Wahl ansehen.

Das gefürchtete One-Trick-Pony, das nur für Sport taugt, ist die A9 III aber wohl auch nach all diesen noch unvollständigen Tests nicht. Die Rede ist immer noch von einer Top-Kamera, bei der allein schon der Preis von 6000 Euro den Kundenkreis einschränkt. Wer aber beispielsweise für Studio und Landschaft den maximalen Dynamikumfang und geringst mögliches Rauschen braucht, dürfte sich dennoch enttäuscht sehen. Das war aber von Anfang an klar, denn die Bauweise des Sensors mit zwei Photodioden pro Pixel halbiert prinzipbedingt die Lichtmenge. Dafür, und als erster Versuch eines Global Shutter mit der enormen Geschwindigkeit, sind auch die bisherigen Ergebnisse überzeugend. Das letzte Wort wird natürlich erst nach umfangreichen Labor- und Praxistests gesprochen. Die lassen auf sich warten, weil Sony immer noch nur sehr wenige Exemplare der A9 III zur Verfügung stellt.

Etwas schneller, wenn auch nach langem Vorlauf, geht es jetzt beim Echtheitssiegel für tatsächliche Fotos voran. Die seit über zwei Jahren laufende Initiative CAI und deren Technik dahinter, C2PA, wird endlich einer breiten Öffentlichkeit bekannt. So berichtete das asiatische Wirtschaftsmedium Nikkei in dieser Woche darüber, dass Canon, Nikon und Sony im Jahr 2024 die CAI-Funktionen in ihren Kameras anbieten werden. Das ist zwar keine Neuigkeit für regelmäßige Leser unserer Kolumne, ein bisschen Aktuelles steckt dennoch im Bericht von Nikkei: Canon will eine neue Kamera mit CAI anbieten, Sony drei bestehende mit Updates dafür versorgen, und von Nikon ist schon bekannt, dass die Z 9 CAI unterstützen soll.

Und nicht nur Bildagenturen und Medien sollen prüfen können, ob ein Foto wirklich ein Foto und keine Montage oder ein KI-Fake ist. Das Online-Tool 'Verify' zeigt, wenn CAI-Daten vorhanden sind, diese auch an. Und sonst nichts. Bei unseren Versuchen mit eigenen JPEGs, TIFFs und Raw-Dateien, MP3-Musik sowie MP4-Videos wurden nicht einmal die selbst erstellten Metadaten ausgegeben. Die lassen sich zwar beliebig fälschen, aber zumindest eine Angabe von Aufnahmeort und Zeit, unter Hinweis auf nicht geprüfte Echtheit, wäre für unbedarfte Nutzer vielleicht hilfreich.

Auf der Startseite von "Content Credentials", vulgo: der CAI, ist immerhin ein Beispiel zu sehen, wie die Funktion eingebettet werden kann. Höchste Zeit, dass auch deutsche Medien sich dem annehmen. Und am besten, anders als Nikkei, ohne nur auf KI-Bilder zu verweisen, sondern die Tatsache, dass häufig auch uralte echte Aufnahmen in sozialen Medien aktuellen Konflikten zugewiesen werden, um Stimmung zu machen. Auch dagegen könnte CAI helfen – wenn es denn überall verfügbar wäre.

Unbestreitbar nützlich ist KI bei der Motiverkennung in Kameras – alle modernen Geräte beherrschen das. Da lässt aufhorchen, dass Panasonic nun einen neuen Algorithmus, wohl eher: ein trainiertes Modell, entworfen haben will, der multimodal arbeitet. Das bedeutet in diesem Fall, dass nicht etwa nur "Hund" und "Katze" unterschieden werden, sondern auch verschiedene Rassen der Tiere.

Das klingt trivial, zieht aber bei der Arbeit einer KI gleich mehrere Komplexitätsebenen ein, weil ein entsprechendes Modell immer prüfen muss, ob denn die anhand weiterer Merkmale erkannte Nacktkatze nicht doch vielleicht ein kleiner Hund ist. Dabei muss also in beide Richtungen gerechnet werden, nicht immer nur zielgerichtet nach vorn zum vermuteten Ergebnis. Noch ist aber nicht bekannt, ob Panasonic seine neue KI auch in Kameras oder nur als Lizenz für andere Anwendungen anbietet.

Wer auf einfache Weise verstehen will, wie eine KI im Inneren arbeitet, kann das mit unserer Empfehlung für einen Long Watch zum Wochenende erreichen. Die Informatikerin Annika Rüll erklärte beim 37C3, dem Hacker-Kongress des Chaos Computer Clubs, nämlich sehr unterhaltsam und eingängig, wie ein neuronales Netz funktioniert. Natürlich mit Bilderkennung von Hunde und Katzen.

(nie)