Robotik und Künstliche Intelligenz: Was Bauern wirklich brauchen

Robotik, Digitalisierung und KI gehören in vielen Ställen und auf Feldern schon längst zur "Landwirtschaft 4.0". Forscher loten das Innovationspotenzial aus.

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Drohne in der Landwirtschaft. Mann mit Karohemd steuert Drohne über einem Getreidefeld.

(Bild: Budimir Jevtic/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Helmut Reuter
  • dpa
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Willy und Maja können fliegen, aber sie sind keine Leichtgewichte. Die beiden Agras-T30-Drohnen mit den bekannten Bienennamen gehören dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) in Rostock und wiegen leer 26 und mit vollen Düngemitteltanks bis zu 76 Kilogramm. Eigentlich kommen sie erst ganz zum Schluss zum Einsatz, wenn die hochkomplexe, KI-gestützte grafische Erkennungsarbeit über dem Feld getan ist.

Die IGD-Forscher füllen die Begriffe "Smart Farming" und Präzisionslandwirtschaft mit Leben. Ihr Ziel: Die digitale Revolution im Agrarsektor voranzutreiben. Dabei sieht sich das aus Agrarwissenschaftlern und Informatikern bestehende junge Team um Philipp Wree als Partner für Landwirte, Industrie und Wissenschaft. "Wir fragen die Bauern, ob sie das, was wir entwickeln wollen, auch wirklich brauchen", sagt Wree. Beim IGD geht es um angewandte Forschung. Mit hochauflösender optischer Datentechnik werden digitale Screens von Pflanzen, Flächen und auch von Tieren erstellt. Vieles ist durch KI möglich, nicht alles aber notwendig.

"Nur weil wir es können, müssten wir es ja nicht machen", sagt Wree, der die Abteilung "Smart Farming" leitet. Im Vordergrund der Forschung stehe der Nutzen. Der promovierte Agrarwissenschaftler wechselte 2022 zum IGD nach Rostock. Zuvor arbeitete Wree in der Industrie, war auch Unternehmensberater mit Schwerpunkt Agrar- und Lebensmittelsektor. Das IGD will Landwirten digitale Expertise zur Seite stellen. Ob bei Raps, Mais oder anderen Kulturen – die kleinen, mit hochsensiblen und teuren Hyperspektral-Kameras ausgestatteten Drohnen überfliegen die Felder und sammeln Informationen.

"Sie sehen das, was der Mensch mit Sicherheit nicht sehen kann", sagt der IGD-Agrarwissenschaftler Florian Männer. Auf verschiedenen Wellenlängen und 160 Kanälen scannen die Kameralinsen die Pflanzen ab. So werden etwa Stresssymptome bei Pflanzen durch Trockenheit, Feuchtigkeit und Krankheiten früh erkannt und Daten über Nährstoffversorgung und Proteingehalt gesammelt. Zudem werden Beikräuter und Schädlinge auf dem Feld identifiziert. All das muss man den algorithmenbasierten Systemen aber erst beibringen, wie einem Auszubildenden. Die Informationen können später genutzt werden, um Herbizide oder Dünger per Drohne und punktgenau im Spot-Spraying-Verfahren auszubringen.

Optische Datengewinnung und KI kann auch eingesetzt werden, um den Zustand von Mooren zu bestimmen oder die Einhaltung von Biodiversitätsvorgaben für Grünland- Förderrichtlinien durch die Erkennung von Arten zu bestätigen. In der Landwirtschaft der Zukunft werden Bauern ein oder zwei Drohnen in einer Garage am Ladegerät haben, die dann selbstständig aus- und einfliegen und Felder und Pflanzen scannen: "Das wird irgendwann so kommen", sagt Wree, auch wenn bis dahin – wie beim autonomen Fahren – noch viele regulatorische Fragen geklärt werden müssen.

Eine grundsätzliche Frage auch für andere Branchen ist, ob Künstliche Intelligenz Menschen oder menschliches Wissen in bestimmten Arbeitsbereichen ersetzt oder ersetzen soll. Im IGD denkt man, dass der erschaffene digitale Experte eher dem Landwirt zur Seite steht. "Es ist eine Schraube, um Effizienz zu steigern, Kosten zu sparen und den Ressourcenverbrauch nachhaltig zu gestalten", sagt Wree. Wie technologie- und digitaloffen und zugewandt sind Landwirte? "Die Affinität kommt mit einem gewissen Nutzen", so Wree.

In der 1.300 Hektar zählenden Papendorfer Agrargenossenschaft legten die Landwirte schon 2014 den Grundstein für Precision Farming, eine Art Vorstufe zum Smart Farming. "Es fing alles an mit einer teilflächenspezifischen Grunddüngung", sagt der Vorsitzende der Genossenschaft, Steven Hirschberg. Dazu werden bestimmte Bodenprobenraster für fünf Hektar genommen. Die Daten werden digitalisiert, in Computer eingespeist und ausgewertet. "Dann kann ich das alles auf den USB-Stick laden. Den nehme ich mit rüber in meinen Trecker und lade das aufs Terminal", erklärt Hirschberg das Vorgehen.

Der Traktor weiß mit Hilfe von GPS, auf welcher Bodenparzelle er ist, und der angehängte Düngerstreuer ist dafür ausgelegt zu erkennen, wo er wie viel Nährstoffe streuen soll. "So fing das alles an." Je nach Boden wurden dadurch 30 bis 40 Prozent Dünger eingespart. Weg vom Pauschalprinzip, hin zum gezielten Einsatz. Das gilt bei der Genossenschaft inzwischen auch für Pflanzenschutzmittel, wobei die Datenbasis eine andere ist. Robotik, Computergesteuerte Systeme und Automatisierung haben seit Jahrzehnten Einzug in Höfe und Ställe gehalten.

Auch die Politik forciert und fördert die Entwicklung. Die "Landwirtschaft 4.0" sei in den Ställen und auf den Äckern bereits jetzt Realität, versicherte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen Ende vergangenen Jahres im Bundestags-Digitalausschuss. Dabei verwies er auch auf 36 Projekte im Bereich KI. KI-basierte Melkroboter, die gleichzeitig erfassen könnten, wie es dem Tier gehe, böten große Chancen für die Tiergesundheit.

(mack)