SPD-Fraktionsvize: Vorratsdatenspeicherung nicht vorschnell begraben

Hat das Bundesverwaltungsgericht die Vorratsdatenspeicherung gekippt? Der SPD-Fraktionsvize sieht im Urteil keine Absage. Er will an dem Vorhaben festhalten.

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(Bild: asharkyu/Shutterstock.com)

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Gerade hat das Bundesverwaltungsgericht die anlasslose Vorratsdatenspeicherung (VDS) als nicht mit EU-Recht vereinbar verworfen – sie könne nach dem Urteil höchstens unter besonders schwerwiegenden Umständen zulässig sein, auf diese Beschränkung gehe das kritisierte Telekommunikationsgesetz jedoch nicht ein. Dennoch gibt es in der Politik sofort Bestrebungen, an der VDS festzuhalten: Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, etwa hält eine rechtskonforme Regelung zur Vorratsdatenspeicherung auch nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch für möglich. Gleichzeitig übte er Kritik an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der sie als Argument für das von ihm favorisierte "Quick-Freeze-Verfahren" interpretiert hatte. Wiese sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es überrascht mich schon sehr, wie manche in Berlin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gelesen haben und darin sogar die vollständige Absage zur gezielten IP-Adressenspeicherung sehen."

Schließlich habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgehalten, dass Verkehrs- und Standortdaten sehr wohl allgemein und unterschiedslos auf Vorrat gespeichert werden dürften. Und zwar dann, wenn es um den Schutz der nationalen Sicherheit, die Bekämpfung schwerer Kriminalität oder die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit gehe. "Das darf ein Justizminister der Öffentlichkeit nicht verschweigen, wenn er stattdessen das unzureichende Quick-Freeze-Verfahren aus dem eigenen Hause anpreist", sagte Wiese. Er ergänzte, wer nichts speichere, könne auch nichts einfrieren.

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Das Bundesverwaltungsgericht hatte die anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung als vollständig europarechtswidrig eingestuft. Der am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung lagen Klagen von zwei Telekommunikationsunternehmen zugrunde. Wegen der rechtlichen Unsicherheiten wird die Regelung seit 2017 nicht mehr genutzt. Bei der Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten fehle eine strikte Begrenzung auf den Zweck des Schutzes der nationalen Sicherheit, hielt das Gericht fest. IP-Adressen dürften zwar zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit gespeichert werden, allerdings sei das im Telekommunikationsgesetz nicht eindeutig bestimmt.

FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle warnte am Samstag davor, "weiter ein totes Pferd zu reiten" und forderte, nun für rechtliche Klarheit zu sorgen. "Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist mehrfach vor Gericht gescheitert. Das Ende dieser Pauschalüberwachung aller Bürgerinnen und Bürger ist also nicht vorschnell, sondern mehr als überfällig", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Der Gesetzgeber solle den Ermittlern eine Möglichkeit geben, Daten anlassbezogen und damit grundrechtsschonend zu speichern. Mit dem sogenannten Quick-Freeze-Ansatz könnte man den Strafverfolgern ein verfassungsfestes Instrument an die Hand geben.

Buschmann hatte erklärt, mit der Entscheidung sei endgültig klar, dass die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland "in vollem Umfang rechtswidrig und damit unanwendbar" ist. Er warb für das "Quick-Freeze-Verfahren" und sagte: "Ermittlungsbehörden können bei dem Verdacht auf eine erhebliche Straftat relevante Verkehrsdaten umgehend bei den Providern einfrieren lassen, um sie später im Verfahren zu nutzen."

Buschmann und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) liegen in der Frage seit Monaten über Kreuz. Faeser und andere Befürworter einer neuen, konkreteren Regelung zur Vorratsdatenspeicherung führen als Argument vor allem die Verfolgung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen an. Wenn entsprechendes Bildmaterial im Netz verbreitet wird, ist die IP-Adresse oft der einzige Anhaltspunkt, um den Täter zu ermitteln.

(tiw)