Sauerstoff für Indien: Anlage aus Deutschland liefert 400.000 Liter täglich

Die Bundeswehr hat eine ihrer Sauerstoffproduktionsanlagen nach Indien ausgeflogen. Dort produziert sie Sauerstoff für COVID-19-Erkrankte.

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(Bild: obs/Presse- und Informationszentrum Sanitätsdienst/Minh Vu)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Anne-Sophie Galli
  • dpa

Hunderte Patienten liegen in Zelten am Rande der Hauptstadt Neu-Delhi. Es ist heiß. Die Zelte gehören zu einem Feldlazarett, das das indische Militär auf Ersuchen der Regierung aufgebaut hat, um bei der Versorgung der vielen Corona-Kranken zu helfen. Die meisten Betten scheinen belegt, wie Fernsehbilder über mehrere Tage hinweg zeigen. Einige Betten sind aus Metall, andere aus Karton – also günstig und waschbar, hieß es. Neben einigen Betten stehen Metallflaschen, die die Kranken über Atemmasken mit konzentriertem Sauerstoff versorgen. Einen Teil davon liefert eine Anlage ganz in der Nähe, die erst vor Kurzem durch die Bundeswehr nach Indien eingeflogen wurde, wie es aus dem indischen Verteidigungsministerium hieß.

400.000 Liter konzentrierten Sauerstoff stellt diese Anlage jetzt pro Tag in Neu-Delhi her. Damit könnten auf einer deutschen Intensivstation rund 28 Corona-Patienten künstlich beatmet werden, sagt Oberstleutnant Claas Gärtner, Sprecher des Teams von Sanitätssoldaten aus Deutschland, das indischen Kollegen die Anlage erklärt hat. In Indien aber dürfte mit dieser Menge noch mehr Corona-Patienten geholfen werden, weil ihnen "teils etwas weniger oder weniger lang" Sauerstoff gegeben würde, so Gärtner. Nun werde der Sauerstoff aus der deutschen Anlage auf verschiedene Krankenhäuser in der Hauptstadt verteilt, sagt ein Vertreter des indischen Verteidigungsministeriums.

In Indien sind zwar die offiziellen Corona-Tageszahlen zuletzt gesunken. Allerdings verbreitet sich die Seuche zunehmend auf dem Land, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt und es viel weniger Testmöglichkeiten und eine schlechte Gesundheitsversorgung gibt. Auf dem heiligen Fluss Ganges treiben derzeit Hunderte Leichen, zumindest teils von Corona-Opfern, deren Familien sich die traditionelle hinduistische Einäscherung nicht leisten konnten, wie es von örtlichen Behörden hieß. Die Dunkelziffer dürfte groß sein.

Die deutsche Anlage filtert Umgebungsluft, verdichtet Sauerstoff, der dann in Flaschen abgefüllt werden kann, wie der Sprecher des Sanitätssoldatenteams sagt. Diesen konzentrierteren Sauerstoff braucht man für Patienten, bei denen Corona die Lungenfunktion stark eingeschränkt hat. Durch die Beatmung soll sichergestellt werden, dass der Organismus mit ausreichend Sauerstoff versorgt wird.

Herausforderungen seien die hohe Luftverschmutzung und Temperaturen um die 40 Grad täglich, sagt Oberstleutnant Gärtner. So könnten täglich 100.000 Liter weniger Sauerstoff produziert werden als in Deutschland. Die Bundeswehr habe sechs solche Anlagen, die in Feldlazaretten eingesetzt werden könnten.

Coronavirus und Heimarbeit

Insgesamt haben nach Angaben der Behörden in Neu-Delhi mehr als 40 Länder Hilfe für Indien versprochen. Bislang seien 19 Sauerstoffgewinnungsanlagen, mehr als 7400 Beatmungsgeräte, rund 550.000 Fläschchen Remdesivir, mehr als 11.300 Sauerstoffkonzentratoren sowie mehr als 15.800 Sauerstoffflaschen angekommen.

Dass Indien überhaupt ausländische Hilfe akzeptiert, ist neu – gerade auch von China, mit dem das Land im Vorjahr einen blutigen Grenzkonflikt ausgetragen hat. Während der vergangenen 16 Jahre hatte die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt stattdessen versucht, ein Image als aufkommende und eigenständige Großmacht aufzubauen – und lieber selbst Hilfe exportiert, während der Corona-Pandemie etwa in Form von Impfstoff und Medikamenten. Nun braucht Indien selbst Hilfe. Aber längerfristig muss das Land vor allem beim Impfen vorankommen. Bislang sind gerade mal rund drei Prozent der mehr als 1,3 Milliarden Menschen im Land vollständig geimpft.

(olb)