Giftiger Streit zwischen Schachprofis endet mit Einigung

Magnus Carlsen ist bereit, wieder gegen Hans Niemann zu spielen. Chess.com hebt den Boykott auf, dafür führt Niemann die Verleumdungsklage nicht weiter.​

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Eine Hand führt eine Schachfigur auf einem Schachbrett

"Be kind, helpful, and forgiving" lautet die erste Regel für Benutzer der größten Schach-Webseite Chess.com.

(Bild: Shutterstock.com / Impact Photography)

Lesezeit: 4 Min.

Der öffentliche Streit zwischen Schachprofis ist beigelegt: Hans Moke Niemann, Magnus Carlsen sowie Chess.com, die größte Schachwebseite, wollen wieder mit einander spielen. Vor rund einem Jahr verlor Ex-Weltmeister Carlsen bei einem Turnier in Missouri eine Präsenzpartien gegen Niemann. Daraufhin bezichtigten Carlsen und einige Geschäftspartner, darunter Chess.com, Niemann des Betrugs, ohne Beweise. Der damals 19 Jahre junge Niemann verklagte Carlsen und Chess.com wegen Verleumdung.

Chess.com hatte einen Bericht veröffentlicht, der Niemann des Betrugs bei zahlreichen Online-Spielen bezichtigte, bei Präsenzpartien dafür aber keine Beweise fand und auch keine mögliche Methode schilderte. Universitätsprofessor Kenneth Regan, der das Anti-Betrugs-System der FIDE entwickelt hat, fand bei seiner Analyse aller Niemann-Spiele ab dem Jahr 2020 keine Unregelmäßigkeiten. Dennoch wurde Niemann nicht nur von Chess.com und dessen Schwesterseite Play Magnus ausgeschlossen, sondern auch von allen Präsenzturnieren, die von diesen Webseiten gesponsert werden – was den Großteil der Turniere des Schachweltverbandes FIDE betrifft. Niemann gibt zu, als Teenager bei zwei Online-Partien geschummelt zu haben, bei Präsenzpartien habe er das aber nie getan.

Die vor einem US-Bundesgericht erhobene Klage Niemanns wurde bezüglich wettbewerbsrechtlicher Vorwürfe abgewiesen, weil Niemann dafür nicht klageberechtigt ist. Für die Kernvorwürfe der Verleumdung und Vertragsverletzung war damit nicht mehr das Bundesgericht, sondern ein Gericht des US-Staates Missouri zuständig. Dort wollte Niemann ein Urteil erwirken, wozu es jetzt aber nicht kommt.

Chess.com teilt mit, eine Vereinbarung mit Niemann getroffen und den Streit beigelegt zu haben: "Hans ist wieder komplett auf Chess.com aufgenommen, und wir freuen uns auf seine Teilnahme bei unseren Veranstaltungen. Wir möchten bekräftigen, dass wir zu unserem öffentlichen Bericht über Hans vom Oktober 2022 stehen, dabei (die Feststellung), dass es keinen entscheidenden Beweis gibt, dass er in irgendeiner Präsenzpartie geschummelt hat." Auch Carlsen erkennt ausdrücklich an, dass es keinen Beweis für den Vorwurf gibt, Niemann habe ihn in Missouri mit unlauteren Mitteln besiegt, und fügt hinzu: "Ich bin bereit, gegen Niemann bei zukünftigen Veranstaltungen zu spielen."

Carlsens Niederlage im September des Vorjahres war nicht seine erste Niederlage gegen Niemann, aber die erste bei einem FIDE-Turnier. Und sie war offenbar besonders schmerzlich. Carlsen hatte ausdrücklich darauf verzichtet, seinen Weltmeistertitel zu verteidigen. Stattdessen wollte er seinen eigenen Weltrekord von 125 unbesiegten FIDE-Spielen brechen und ein noch von niemandem erreichtes FIDE-Rating von 2900 Elo schaffen. Dabei kam ihm die Niederlage gegen den 19-jährigen Shootingstar des Schachs in die Quere.

"Ich bin zufrieden, dass meine Klage gegen Magnus Carlsen and Chess.com auf diese wechselseitig akzeptable Weise beigelegt worden ist, und dass ich auf Chess.com zurückkehre. Ich freue mich darauf, gegen Magnus im Schach anzutreten, anstatt vor Gericht", sagt Niemann, der sich zudem bei seinen Anwälten bedankt. Dicke Freundschaft zwischen den Schachprofis zeichnet sich zwischen den Zeilen ihrer öffentlichen Stellungnahmen nicht ab.

Carlsens FIDE-Rating ist seit der Niederlage gegen Niemann um 22 Punkte auf 2839 Elo gefallen, Niemanns Rating um 21 Punkte auf 2667. Der Norweger Carlsen steht seit Juli 2011 ununterbrochen an der Spitze der Weltrangliste. Niemann liegt derzeit unter den Junioren auf Platz 8, insgesamt auf Platz 69. Letzteres ist eine Verbesserung um acht Plätze gegenüber dem Vormonat. Altersbedingt scheint der US-Amerikaner erst seit Mai 2022 in der allgemeinen Rangliste auf. Im Mai 2023 erreichte er mit Platz 31 seine bislang beste Reihung.

Das Verfahren am US-Bundesbezirksgericht für Missouri hieß Hans Moke Niemann v Sven Magnus Øen Carlsen und trug das Az. 22-cv-01110.

(ds)