Schattenboxen um Windows-Verdongelung

Microsoft verbreitet, die Zulässigkeit der Kopplung von OEM-Software an bestimmte Hardware sei gerichtlich bestätigt worden; doch ein Urteil darüber steht noch aus.

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Wie schwierig, spitzfindig, kurios und in praktischer Hinsicht ergebnisarm juristische Auseinandersetzungen in Software-Lizenzfragen manchmal sein können, demonstrierte dieser Tage Microsoft mit einem neuen Kapitel in der schier unendlichen Geschichte der OEM-Windows-Lizenzstreitigkeiten: Am 23. Mai befasste sich das Landgericht München in einer mündlichen Verhandlung mit einem Widerspruch Microsofts gegen eine einstweilige Verfügung vom 21. Februar. Im Zuge dieses Widerspruchsverfahrens gab Microsoft eine Unterlassungserklärung ab, und die Antragsteller erklärten die einstweilige Verfügung für erledigt. Thema dieses Rechtsszenariums ist die Windows-Verdongelung, und das Ergebnis gleicht in seiner Bedeutung etwa einem Hektoliter lauer Luft.

Der Hintergrund: Vor einigen Monaten hatte Microsoft mit seinem Konzept der Windows-Verdongelung für großes Aufsehen gesorgt. Im Vorfeld der CeBIT kündigte der Softwarekonzern an, dass er künftig alle OEM-Partner verpflichten wolle, die zu deren Hardware-Produkten mitgelieferten (und dazu billig von Microsoft bezogenen) Windows-Betriebssysteme technisch an die jeweilige Hardware zu binden. Das Ziel bestand darin, zu verhindern, dass solche OEM-Windows-Versionen unabhängig verkauft oder überhaupt anders als mit der ursprünglich dazugehörigen Hardware genutzt würden.

Eine Pressemitteilung, die Microsoft bereits im November 1999 herausgegeben und ins Web gestellt hatte, erweckte den Eindruck, zu diesem Zweck sollten bereits die von den OEMs auf den Festplatten der auszuliefernden PCs vorinstallierten Windows-Versionen mit einer entsprechenden Sperre versehen werden, die den Betrieb nur nach Überprüfung der BIOS-Identität zulässt ("BIOS-Lock"). Am 21. Februar des laufenden Jahres erwirkte dann die SMS GmbH, durch die im Internet abrufbare Pressemitteilung aufgeschreckt, vor dem Landgericht (LG) München gegen Microsoft eine einstweilige Verfügung auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage. Darin wurde dem Softwarekonzern verboten, vorinstallierte Windows-Versionen mit einer hardwaregebundenen "Programmsperre" zu versehen. Prinzipiell gelten Dongles in der Rechtsprechung als legitimes technisches Schutzmittel zur Wahrung des Urheberrechts – allerdings dürfen sie die erworbenen Rechte des Käufers nicht verletzen. Zu diesen gehört aber unter anderem das Recht, brauchbare Sicherheitskopien anzufertigen. Die Argumentation der SMS GmbH: Nach einem Wechsel der Hardware sei eine zuvor angefertigte Sicherheitskopie des Windows-Systems nicht mehr brauchbar, sofern dieses eine Hardwareabfrage vornehme und eine entsprechende Sperre in Aktion trete.

Microsoft legte gegen diese einstweilige Verfügung, die ganz offenbar auf einem von der Pressemitteilung genährten Irrschluss beruhte, am 25. April Widerspruch ein. Der Widerspruchsprozess gab dem Softwarekonzern dann schließlich Gelegenheit darzustellen, dass eine Hardware-Kopplung mit entsprechender Sperre nur für die Recovery-CDs der OEM-Versionen, nicht jedoch für die vorinstallierten Systeme auf den Festplatten der OEM-PCs vorgesehen sei. Insofern wird die Brauchbarkeit eines Festplattenbackups nicht künstlich beeinträchtigt – wenn auch der Gutachter der SMS GmbH darauf hinwies, dass es für einen normalen Nutzer fast unmöglich sei, das Betriebssystem ohne Verwendung einer CD zu sichern und wiederherzustellen. Allerdings kann es nun nicht mehr die (vom Gesetz garantierte) Sicherheitskopie des Festplatteninhalts sein, welche die Windows-Wiederherstellung nach dem Hardwarewechsel künstlich behindert. Es ist stattdessen die (praktisch notwendige) Wiederherstellungs-CD. Für den Nutzer ist das gehupft wie gesprungen, aber vom juristischen Standpunkt gesehen handelt es sich um einen anderen Sachverhalt.

Es fiel Microsoft nicht schwer, eine Unterlassungserklärung in puncto Programmsperre für Windows-Vorinstallation abzugeben. Die eingestandenermaßen "missverständliche" Pressemitteilung vom November 1999 hatte man bereits zuvor vom Server genommen. Als Folge musste die SMS GmbH die einstweilige Verfügung für erledigt erklären – ein Schattenboxen ohne Gewinner, ohne Verlierer, ohne Schaden und letztlich auch ohne Nutzen.

Der Softwarekonzern frohlockt nun allerdings und verbreitet in einer neuen Presseerklärung die Darstellung, Microsofts Position habe sich durchgesetzt, und eine Hardware-Kopplung für die Recovery-CDs sei nun sozusagen gerichtlich legitimiert worden. Dabei hat sich das LG in diesem Zusammenhang gar nicht mit der allgemeinen Frage der Zulässigkeit von Sperren für OEM-Software befasst. Eine Entscheidung darüber wird der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Anfang Juli treffen, und dieser höchstrichterliche Spruch wird allseits mit Spannung erwartet. Bislang ist noch offen, ob Microsoft mit der Windows-Verdongelung die Rechte von Käufern und Händlern verletzt. Der Ausgang der Münchner Verhandlung hat daran nichts geändert – es gibt jetzt lediglich eine einstweilige Verfügung weniger, die aber ganz offensichtlich ohnehin gegenstandslos war und zur eigentlichen Frage auch nichts beitragen konnte. (psz)