Klimaneutrale Schifffahrt: Im Fahrwasser von Ammoniak und Methanol

Bis 2050 will die Schifffahrt klimaneutral werden. Dazu muss die Branche lernen, mit ganz neuen Treibstoffen umzugehen.

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Das erste mit Methanol betriebene Containerschiff der Firma Maersk bei der Taufe.

Die Laura Maersk, das weltweit erste mit Methanol betriebene Containerschiff, wird getauft.

(Bild: EU-Kommission)

Lesezeit: 4 Min.
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Der Schiffsverkehr trägt rund drei bis vier Prozent zu den weltweiten menschengemachten Treibhausgasemissionen bei. Die International Maritime Organization, eine Sonderorganisation der UN, will die Emissionen bis 2050 auf null senken. Um das zu erreichen, kommen derzeit vor allem Methanol und Ammoniak als Treibstoff in Frage, wie das Magazin MIT Technology Review in seiner aktuellen Ausgabe 3/2024 berichtet.

Bei voller Fahrt können die Zweitakt-Diesel großer Containerschiffe täglich mehrere Hundert Tonnen Schweröl verbrennen. Dass sich diese Energiemengen nicht in Batterien speichern lassen, liegt auf der Hand. Es bleiben also nur chemische Energieträger, synthetisch oder biologisch erzeugt. Doch welcher davon?

Die Richtung gab die dänische Reederei Maersk praktisch im Alleingang vor. 2023 nahm sie den weltweit ersten Methanol-Containerfrachter in Betrieb: die Laura Maersk, mit etwas über 2.000 Containern ein eher kleines Schiff. Kurz darauf folgte mit der Ane Maersk das zweite Schiff, diesmal für 16.000 Container. Zwei Dutzend weitere Frachter hat Maersk bereits geordert.

Methanol ist flüssig und kann in normalen Tanks gebunkert werden. Entsprechend niedrig ist der Aufwand, ein Schiff umzurüsten. Um Methanol klimaneutral zu synthetisieren, ist allerdings nicht nur grüner Wasserstoff nötig, sondern auch Kohlenstoff. Dessen Gewinnung braucht viel Energie. Ammoniak hingegen benötigt neben Wasserstoff nur Stickstoff, der relativ einfach aus der Luft gewonnen werden kann. Entsprechend effizienter und preiswerter ist die Herstellung.

Die neue MIT Technology Review 3/2024

Nach dem Rätselraten um OpenAIs möglichem Durchbruch auf dem Gebiet der Allgemeinen Künstlichen Intelligenz ist es an der Zeit ist, sich mit den möglichen Folgen auseinanderzusetzen: Was bedeutet es, wenn wir es eines Tages mit einer menschenähnlichen Künstlichen Intelligenz zu tun bekommen? Highlights aus dem Heft:

Als Schiffsantrieb bringt Ammoniak allerdings auch einige Nachteile mit sich. Es ist ein stechend riechendes Gas und hochgiftig. Also muss die Besatzung durch doppelwandige Behälter und Rohre geschützt werden. Eine weitere Herausforderung: Entweicht unverbranntes Ammoniak in die Atmosphäre, entsteht Lachgas daraus, ein 300-mal stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid.

Das MAN Research Center in Kopenhagen arbeitet derzeit an der Umrüstung herkömmlicher Zweitakt-Diesel auf Ammoniak. Dafür wird der gesamte Zylinderkopf ausgetauscht, im Einzelfall auch weitere Teile des Motors. Den ersten erfolgreichen Probelauf mit Ammoniak meldete MAN im Juli 2023. 2026 will MAN die erste Maschine auf den Markt bringen. Der Schweizer Konkurrent WinGD arbeitet ebenfalls an einem Ammoniakmotor. Die ersten beiden Maschinen sollen ab 2026 Tanker der belgischen Reederei Exmar antreiben. Ein Massengutfrachter soll folgen. Und auch der finnische Motorenbauer Wärtsilä hat einen Ammoniak-Motor angekündigt – allerdings als Viertakter, die vor allem bei kleineren Frachtern, Fähren und Passagierschiffen vorkommen.

Rund 23.000 Schiffe mit MAN-Zweitaktern seien derzeit in Betrieb, teilt der Konzern mit. Bei etwa 1900 davon sei eine Umrüstung technisch und wirtschaftlich sinnvoll. Das sei zwar nur ein kleiner Bruchteil der Flotte, aber selbst dies könne jährlich immerhin 80 Millionen Tonnen CO2 einsparen.

MAN erwartet, dass 2030 etwa 40 Prozent der georderten Leistung bei den Zweitaktmotoren auf Ammoniak entfallen werden, gefolgt von Methanol (35 Prozent) und LNG (23 Prozent). Das zeigt: Ein "The-Winner-takes-it-all"-Szenario, bei dem ein Treibstoff irgendwann so dominant sein wird wie heute das Schweröl, ist nicht in Sicht.

Für die Schifffahrt würde der gesamte absehbare Output an grünem Methanol und Ammoniak reichen, schätzt die Klassifizierungsgesellschaft DNV. Allerdings seien 30 bis 40 Prozent aller klimaneutralen Treibstoffe weltweit nötig, um allein die Ziele für 2030 zu erreichen. Zudem sind Luftfahrt, chemische Industrie und Düngerhersteller an den gleichen Ressourcen interessiert. Ohne massive Investitionen in die Kraftstoffproduktion wird es also nicht gehen.

Allein bei Maersk kommen zweistellige Milliardensummen für die gestiegenen Treibstoffkosten zusammen – pro Jahr. Auf dem Weg durch die Wertschöpfungskette "verwässere" sich aber der Preisaufschlag, sagte Maersk-Vizepräsident Morten Bo Christiansen auf einem TED-Talk. "Wenn man den Spritpreis verdoppelt, klingt das erst einmal dramatisch. Die Frachtkosten steigen dadurch aber nur um 10 bis 15 Prozent. Und für ein Paar Schuhe bleiben davon dann vielleicht noch fünf Cent übrig."

(grh)