Schufa-Pendant: Bürgerrechtler verklagen Auskunftei Crif und Adresshändler AZ​

Max Schrems und seine Organisation Noyb bringen den Streit über "illegale und heimliche Datenverarbeitung" durch Crif vor Gericht.​

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Viele Menschen, die in einer Wiener U-Bahn-Station zum Stiegenaufgang drängen, fotografiert von hinten

Fast alle Österreicher könnten betroffen sein.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Update
Lesezeit: 3 Min.

Eine Rüge der Datenschutzbehörde (DSB) für die Wirtschaftsauskunftei Crif (vormals Deltavista) und den Adressverlag AZ Direct reicht der österreichischen Bürgerrechtsorganisation Noyb nicht. Sie geht in der seit März 2021 laufenden Auseinandersetzung mit Crif und AZ vor Gericht. Noyb führt im Namen sieben Betroffener Klage gegen beide Unternehmen beim Landesgericht für Zivilsachen Wien. Der Vorwurf lautet auf "illegale und heimliche Datenverarbeitung".

Die Unternehmen handelten still und leise mit den Adressdaten fast aller volljährigen Menschen in Österreich, sagt die Klage. Crif gelange so an Informationen, die eigentlich zu Werbezwecken erhoben wurden, und errechne daraus Bonitätswerte. Viele Mobilfunkanbieter, Online-Shops und Banken nutzten diese "Scores" und verweigerten bei niedrigen Punktzahlen gegebenenfalls Vertragsabschlüsse.

Die DSB hat im März nach Beschwerde von Noyb entschieden, dass das jahrelange Scoring durch Crif weitgehend rechtswidrig ist (Az. D124.3816 2023-0.193.268). Stein des Anstoßes: Crif erhielt Informationen wie Namen, Anschriften und Geburtsdaten von der Bertelsmann-Tochter AZ Direct. Der Adresshändler war laut der Kontrollinstanz nicht befugt, diese Daten für Zwecke der Bonitätsbeurteilung offenzulegen beziehungsweise zu verkaufen. Denn die Daten wurden für Direktmarketing erhoben, nicht für andere Behufe.

Die umstrittene Datenverarbeitung durch die Auskunftei sei durch keinen Erlaubnistatbestand des Artikels 6 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gedeckt. Bonitätsbewerter Crif kündigte damals Rechtsmittel gegen die Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde an. Ein "ganz konkretes Verarbeitungsverbot" der von AZ Direct an Crif weitergegebenen Informationen hat die DSB zunächst nicht verhängt, um weitere Untersuchungen durchzuführen.

Sitz der österreichischen Datenschutzbehörde in Wien.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Noyb bedauert nun, dass die Aufsicht trotz ihrer klaren Position bislang keine Maßnahmen getroffen habe, um die rechtswidrige Praxis zu stoppen. Mit der Klage sollen die zwei Firmen zu Unterlassung verpflichtet werden. Ferner fordert Noyb 500 Euro immateriellen Schadenersatz für jeden Betroffenen, und zusätzlich Abschöpfung unrechtmäßiger Bereicherung. Dafür sollen Crif und AZ Direct offenlegen, wie viel Geld sie pro vertretener Person verdient haben, und diese Summen dann herausgeben. heise online hat beide beklagten Parteien Montagabend zu einer Stellungnahme eingeladen, AZ Direct möchte sich allerdings nicht äußern.

Den jetzt erfolgten Gang vor Gericht sehen die Kläger nur als ersten Schritt. "Aus dem Verfahren vor der Behörde wissen wir, dass AZ Direct die Daten von mehr als sieben Millionen Menschen in Österreich an Crif übermittelt hat", erklärte Noyb-Gründer Max Schrems. "All diese Personen haben die Möglichkeit, gegen die rechtswidrigen Verarbeitungen zu klagen. Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten, solche Ansprüche in einem Sammelklageverfahren geltend zu machen."

Österreichische Bürger, die sich an einem gemeinsamen Vorgehen beteiligten wollen, bittet Noyb, ein Auskunftsbegehren gemäß Artikel 15 DSGVO an Crif zu richten (auskunft@crif.com). Dabei sollte insbesondere nach der Herkunft der verarbeiteten Daten gefragt werden. Die Auskunftei sei verpflichtet, "sämtliche Informationen spätestens binnen eines Monats zu erteilen". Die Datenschützer monierten im Juni, dass Crif bei Auskunftsersuchen entscheidende Angaben zurückhalte. Oft sei daher Nachbohren erforderlich. "Es ist fast schon bizarr, in welchem Ausmaß Crif die DSGVO mit Füßen tritt", ärgerte sich Schrems damals. Wegen der Salamitaktik hat Noyb eine weitere Beschwerde bei der DSB eingereicht.

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Crif weist die Darstellung von Noyb, trotz zweier Bescheide der DSB weiter von AZ Direct zugekaufte Informationen zur Bonitätsbewertung einzusetzen, als unwahr zurück. Das Unternehmen nutze seit 17. Oktober 2023 keinerlei Adressdaten der Bertelsmann-Tochter mehr, was Noyb auch bekannt sei. Dies erfolge freiwillig und "unabhängig vom Ausgang des aufgrund von Einsprüchen noch laufenden Verfahrens bei der Datenschutzbehörde". Adressdaten von AZ Direct kämen "unter Beachtung aller Datenschutzbestimmungen ausschließlich zur Identitätsüberprüfung zum Einsatz". Die Unterlassungsklage sei damit "sachlich und inhaltlich unbegründet und gegenstandslos".

(ds)