Sea Launch soll auferstehen

Einst schoss Sea Launch von einer schwimmenden Plattform aus Satelliten ins All. Dann kam der Ukraine-Krieg in die Quere. Die für ihre Fluggesellschaft bekannte russische S7 Group möchte Sea Launch nun reaktivieren.

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Raketenstart

Sea-Launch-Start vom 20. April 2009

(Bild: jurvetson CC-BY 2.0)

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Inhaltsverzeichnis

Die russische S7 Group kauft das Raumfahrtunternehmen Sea Launch für 150 Millionen US-Dollar. Eine entsprechende Vereinbarung mit dem derzeitigen Eigentümer, der russischen Rocket and Space Corporation Energia, wurde am Mittwoch in Mexiko unterzeichnet. Dabei vereinbarten S7 und RSC Energia auch die gemeinsame Entwicklung von Transportinfrastruktur, die dauerhaft im Orbit stationiert sein soll. Sea Launch hatte von 1999 bis 2014 von einer am Äquator schwimmenden Plattform aus Satelliten in Geotransferorbits geschossen.

Startplattform Odyssey, im Hintergrund das Leitschiff SL Commander (Archivbild)

Das gelang 30 mal perfekt, ging aber auch drei mal komplett schief. Aber dann brach der Krieg in der Ukraine aus. Sea Launch verwendete stets ukrainische Zenit-3-Raketen. Doch als Raketenoberstufe kam die Blok-D-Variante Blok-DM-SL von RSC Energia zum Einsatz. Vor dem Hintergrund des Krieges ist das keine tunliche Kombination.

Also mottete Sea Launch seine Schiffe ein und entließ den Großteil der Belegschaft. Doch S7 glaubt, dass sich zumindest im wirtschaftlichen Bereich die Vernunft durchsetzen und die grenzüberschreitende Kooperation wieder funktionieren wird.

Das muss auch nicht sofort sein, denn die Übernahme muss noch aufwändige Genehmigungsverfahren durchlaufen. In den USA müssen das Directorate of Defense Trade Controls (DDTC) sowie das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) zustimmen. Das DDTC ist eine Einrichtung des Außenministeriums, das internationale Waffengeschäfte überwacht, worunter auch die Sea-Launch-Rakete fällt. Und das CFIUS sorgt sich um die Auswirkungen ausländischer Investitionen auf die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten.

Die Odyssey ist eine umgebaute ehemalige Bohrplattform.

(Bild: Frank Leuband CC-BY-SA 3.0)

Die S7 Group, die vor allem für ihre Fluggesellschaft S7 bekannt ist, kauft neben dem Namen Sea Launch das Leitschiff Sea Launch Commander, die Startplattform Odyssey Launch Platform samt Ausrüstung, und die in Long Beach, Kalifornien, vorhandenen Installationen. S7 rechnet damit, dass die Genehmigungsverfahren ein halbes Jahr in Anspruch nehmen werden.

Danach werde es eineinhalb Jahre dauern, Sea Launch zu reaktivieren. Ende 2018 könnte laut dem Zeitplan der erste Start erfolgen. Am Sea-Launch-Verfahren und der Technologie will S7 bewusst nichts ändern. "Wir erwarten, dass wir innerhalb von 15 Jahren 70 Starts durchführen können, ohne große Investitionen […] vorzunehmen", sagte Vladislav Filjov, CEO der S7 Group, in seiner Aussendung.

Die Starts werden also weiterhin am Äquator erfolgen. Damit kann die anderswo notwendige Anpassung der Bahnebene vermieden werden, was viel Energie spart. Außerdem verursacht die Erdrotation am Äquator eine größere Zentrifugalkraft. Diese greift der Trägerrakete unter die Arme, womit sie bei gleicher Leistung mehr Nutzlast befördern kann.

"Die Übernahme von Sea Launch ist für uns eine 'Eintrittskarte' in die Raumfahrtbranche", wird Filjov weiter zitiert, "Die Raumfahrt-Infrastruktur entwickelt sich rapide. Aus unserer Sicht ist das ein sehr aufregendes Geschäftsfeld mit guten langfristigen Aussichten." Zu dem gemeinsamen Projekt mit RSC Energia für im Orbit stationierte Infrastruktur enthält die Mitteilung keine näheren Angaben.

Das Leitschiff "Sea Launch Commander"

(Bild: Frank Leuband CC-BY-SA 3.0)

Sea Launch war ursprünglich ein US-Amerikanisch-Russisch-Ukrainisch-Norwegisches Projekt. Die Firma wurde auf den Kaimaninseln registriert und hat ihr Büro in der Schweiz. Trägerplattform und Kommandoschiff sind in Liberia registriert, haben ihren tatsächlichen Heimathafen aber in Long Beach, Kalifornien. Betrieben wurden die Wasserfahrzeuge offenbar mit philippinischer Besatzung. Der Start der ukrainisch-russischen Rakete erfolgte schließlich aus internationalen Gewässern im Pazifik.

Diese Gestaltung sollte Kosten senken und vielleicht auch regulatorische Auflagen reduzieren helfen. Doch das Fahren unter liberianischer Flagge führte zu Protesten der Internationalen Transportarbeiter-Föderation. Weil bei jedem Start tonnenweise Treibstoff ins Meer gelangen, protestierten Kiribati und andere Pazifikstaaten schon vor Betriebsaufnahme heftig. Und Sea Launch kam unter die regulatorische Aufsicht mehrerer Staaten.

2010 wurde Sea Launch zahlungsunfähig und musste neu aufgestellt werden. Seither hält RSC Energia 95 Prozent. Boeing und die norwegischen Aker Solutions teilen sich den kleinen Rest. Boeing und RSC Energia entzweiten sich, woraufhin Boeing vor einem kalifornischen Bundesbezirksgericht ein Urteil im Wert von mehr als 320 Millionen US-Dollar gegen RSC Energia erwirkte. Nun laufen Vergleichsverhandlungen. (ds)