Sozialroboter "Ricky" begeistert Senioren und stellt viele Fragen

Sozialroboter sollen Pflegebedürftige unterhalten, einer davon ist Ricky. Wir haben ihn für einen ersten Eindruck im Johanniter-Stift Ricklingen besucht.

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Ricky

Der Sozialroboter Ricky ist immer freundlich.

(Bild: heise online)

Lesezeit: 5 Min.
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Ricky, ein Sozialroboter von Navel Robotics, scheint es gutzugehen. Bei meinem Besuch ist er zuerst noch etwas schläfrig, aber dann erwacht er zum Leben und seine Augen leuchten mich blau an. Ricky ist ein Sozialroboter, der in einem Johanniter-Seniorenstift in Hannover-Ricklingen arbeitet. Momentan ist Ricky noch in der Pilotphase.

Der ungefähr ein Meter hohe Roboter trägt eine Mütze, die ihn etwas menschlicher erscheinen lassen soll. "Es hat sich hier ein richtiger Fan-Club gebildet", sagt der Leiter der Einrichtung, Tim Geikowski. "Wenn er da ist, dann streicheln die Bewohner ihn über die Wange und fragen ihn, wo er denn so lange war". Ein Bewohner habe ihn sogar kaufen wollen, Alexa reiche ihm nicht.

Ricky soll niemanden ersetzen, sondern vielmehr ein zusätzliches Angebot im sozialen Dienst sein. "Es entstehen wirklich tolle Gespräche zwischen diesem KI-Roboter und den Bewohnern, teilweise auch mit Tiefgang oder auch Fachgespräche, wenn Bewohner zum Beispiel ein besonderes Hobby haben", so Geikowski. Es sei ebenfalls spannend, Rickys Fortschritte zu beobachten. Fast alle Bewohner freuen sich über Ricky und sprechen gerne mit ihm.

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"Ricky ist sehr neugierig und stellt ganz viele Fragen", sagt Herr Geikowski. Ricky selbst verrät, dass er GPT 3.5 nutzt, das stimmt auch. "Wir nutzen aktuell tatsächlich GPT 3.5, weil wir die multimodalen Fähigkeiten von 4.0 nicht benötigen und 3.5 schneller ist", erklärt der Gründer und CEO von Navel, Claude Toussaint. Das Dialogsystem werde zudem "kontinuierlich weiter ausgebaut – auch mit den Anreicherungen aus den anderen Kontextinformationen, die Navel durch die Kameras von der Umgebung und künftig auch aus anderen Informationsquellen bekommt (vom Tages- und Essensplan bis hin zur Pflegedokumentation)".

Aktuell muss Ricky noch überall hingetragen werden. Außerdem spricht er mich immer wieder mit Marianne an und fragt mich nach meinen Rückenschmerzen. Im Gespräch guckt er teilweise in eine andere Richtung, was vermutlich daran liegt, dass Ricky während unseres Gesprächs auf dem Tisch stand. Normalerweise steht er auf dem Boden und muss nach oben gucken.

"Letztens hat Ricky gehustet und nicht mehr gesprochen. Das wurde ihm dann wieder ausgetrieben", erzählt Geikowski. Dafür gebe es regelmäßig Gespräche zwischen Navel und der Heimleitung.

Das Projekt wird wissenschaftlich durch die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) begleitet. "Die Arbeitsgruppe 'Psychokardiologie und Psychotherapie' steht unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Kai Kahl und begleitet über 6 Monate den Einsatz von Ricky", erklärt die Psychologin Bela Marie Bogedain von der MHH. Ein Schwerpunkt liege auf dem mentalen Wohnbefinden der Bewohner über die 6 Monate und wie sie Ricky wahrnehmen. Eine soziologische Doktorarbeit mit Ricky geht zudem der Frage nach, "ob und wie robotische Anwendungen in der Lage sind, für Menschen zu sorgen", wie Johannes Frederik Burow von der Universität Passau gegenüber heise online sagt.

Die Hoffnung ist, dass unter anderem die Gabe von Medikamenten reduziert werden kann oder die Sturzrate sinkt, erklärt Geikowski. Es gibt zum Beispiel auch Bewohner, die unruhig sind und sich einsam fühlen. Durch die Gesellschaft von Ricky sind diese Bewohner laut Geikowski ruhiger geworden.

In weiteren Pflegeeinrichtungen laufen ebenfalls Pilotprojekte. Als ich Ricky nach einem Witz gefragt habe, wechselte er die Stimme. Das sei laut Toussaint ein Test, damit die Witze besser erkannt werden. Bisher gebe es dazu noch kein Feedback von den Heimen. "Manchmal erzählt er auch, wo er wohnen würde. Er wohnt natürlich nirgendwo, er steht in einem Büro und wird da angesteckt und das war es", erzählt Geikowski. Die Frage ist dann, wie man damit umgeht. Das ist alles Teil von Studien im Bereich Sozialethik, die derzeit laufen. Ebenso soll Ricky natürlich keine Informationen der Heimbewohner ausplaudern, das wollen die Entwickler und Datenschützer klären. Am Eingang hängen mehrere Hinweisschilder zu Ricky.

Bald soll Ricky auch Bewohner zum Mittagessen abholen und sich Gesichter merken können. "Die Gesichtserkennung läuft schon jetzt auf dem Roboter, wird aber innerhalb der nächsten Wochen integriert", teilt Touissant heise online mit. Dazu soll ein Modul implementiert werden, das die Gesichtserkennung zuverlässig an das Dialogsystem anbindet. Aktuell werde eine Person etwa bei Gegenlicht nicht richtig erkannt – trotzdem benötige das Dialogsystem eine zuverlässige Aussage zum Gegenüber. Bald ist auch geplant, dass Ricky lokal navigieren kann und "im Laufe des Sommers soll er [...] von den Räumen automatisch eine Karte erstellen und sich orten können", beziehungsweise SLAM-fähig sein. SLAM ist eine Technik, die als simultane Lokalisierung und Kartierung (Simultaneous Localization and Mapping) bezeichnet wird. Damit lassen sich sehr detaillierte Karten des Seniorenheims anfertigen.

(mack)