Streaming: EuGH klärt Haftung für Urheberrechtsverstöße bei VPN-Einsatz​ ​

Laut EuGH-Generalanwalt Szpunar könnte ein Streaming-Anbieter auch bei getunnelten Verbindungen haften, wenn er Geoblocking-Schranken nicht angemessen umsetzt.

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(Bild: Shutterstock/Primakov)

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Mit dem Widerspruch, dass das Internet aus technischer Sicht ein Kommunikationsmittel mit globaler Reichweite ist, zugleich aber räumlich begrenzten Regeln unterliegt, muss sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) aktuell auseinandersetzen. Der Oberste Gerichtshofs Österreichs hat ihm die knifflige Frage vorgelegt, ob der Betreiber einer Streaming-Plattform für Urheberrechtsverletzungen von Nutzern haftet, wenn dieser auf ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) zurückgreift, um Maßnahmen zum Geoblocking zu umgehen.

Die Wirksamkeit geografischer Zugangssperren stehen im Zentrum der Schlussanträge, die der EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar am Donnerstag als nicht ganz leichte Kost aufgetischt hat. Er kommt prinzipiell zum Schluss, dass der Streaming-Anbieter das in der grundlegenden Urheberrechtsrichtlinie von 2001 verankerte ausschließliche Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken nicht verletzt, wenn die Nutzer mithilfe einer VPN-Software Geoblocking-Sperren aushebeln und für sie eigentlich nicht zugängliche Filme anschauen.

Der Plattformbetreiber würde dem Plädoyer zufolge aber haften, wenn die geschützten Werke über seinen Dienst "ohne Beschränkungen" in zugänglich sind und der Rechteinhaber dazu keine Erlaubnis erteilt hat. Dies wäre etwa der Fall, wenn er gar kein Geoblocking einsetzt, sowie, wenn die entsprechenden Sperren nicht angemessen oder absichtlich unwirksam sind.

In der Rechtssache C-423/21 geht es um einen Streit zwischen der serbischen Produktionsfirma Grand Production und GO4YU, einem anderen serbischen Online-Unternehmen, das eine Streaming-Plattform betreibt. Dessen Tochtergesellschaften GO4YU GmbH und MTEL Austria GmbH sitzen in Österreich. Sie erbringen Werbedienstleistungen für das Mutterhaus in Belgrad in der Alpenrepublik und kümmern sich um die Kundenpflege.

GO4YU Belgrad ist nicht berechtigt, die von Grand Production erstellten Unterhaltungssendungen außerhalb von Serbien und Montenegro im Internet zu verbreiten. Die Firma ist daher verpflichtet, den Zugang zu diesen Filmen für Internetnutzer außerhalb dieser beiden Länder zu sperren. User können das Geoblocking jedoch durch ein VPN umgehen, das ihren tatsächlichen Standort verschleiert. Mithilfe dieses Dienstes können Nutzer außerhalb Serbiens und Montenegros den Eindruck vermitteln, dass sie sich in diesen Ländern befinden, und so die von GO4YU Beograd verwendete Zugangssperre umgehen.

Grand Production moniert, dass sich GO4YU dieser Option bewusst sei. Zudem hätten Sendungen der Klägerin im Zeitraum vom 30. April bis zum 15. Juni 2020 über das Streaming-Portal ganz ohne Zugangssperre in Österreich angeschaut werden können. Nach einer Reihe von Anträgen auf Erlass einstweiliger Verfügungen gelangte die Sache vor den österreichischen Obersten Gerichtshof, der sich dann an den EuGH wandte.

Szpunar arbeitete nun heraus, dass GO4YU Belgrad die Filme von Grand Produktion auf seinem Streaming-Portal öffentlich wiedergebe und so grundsätzlich dafür haften könnte. Die Tatsache, dass die ursprüngliche Sendung in dem Drittstaat Serbien ausgestrahlt wird, bedeute nicht, dass die Online-Weiterverbreitung nicht unter das EU-Urheberrecht falle. Das Umgehen technischer Maßnahmen, die den Zugang zu geschützten Inhalten beschränken, sei ebenfalls als öffentliche Wiedergabe einzustufen.

Wenn Nutzer eine Sperre durch ein VPN austricksen, sind laut dem Gutachter sie es, die geschützte Inhalte einem anderen Publikum als dem vom Rechteinhaber lizenzierten zugänglich machen. Der Plattformbetreiber sei hier also weitgehend außen vor. Sollte GO4YU aber "absichtlich eine unwirksame Geosperre" anwenden, würde der Betreiber auch dafür haften.

Die Tochtergesellschaften, die keinen Einfluss auf gezeigte Inhalte und Zugangsbeschränkungen haben, nähmen dagegen keine öffentliche Wiedergabe vor, schreibt Szpunar. Gegen sie könnte sich also keine Unterlassungsverfügung richten. Ob ein österreichisches Gericht eine öffentliche Darbietung außerhalb der nationalen Grenzen oder sogar weltweit verbieten könnte, ließ der Jurist offen: Eine solche Frage sei vor dem EuGH wohl gar nicht zulässig, da sie sich auf die Auslegung des nationalen Rechts bezöge.

Anträge von Generalanwälten sind für den EuGH nicht bindend. Sollten die Luxemburger Richter dem Plädoyer in diesem Fall folgen, würde das nicht bedeuten, dass Rechteinhaber gar nicht gegen Streaming-Anbieter bei VPN-Einsatz vorgehen könnten. Es käme vielmehr auf die Qualität des Geoblockings und der unternommenen Schutzanstrengungen an.

Die italienische Rechtsexpertin für immaterielle Güter, Eleonora Rosati, geht zudem davon aus, dass das Urteil auch für Artikel 17 der neuen Urheberrichtlinie und der damit verknüpften Haftung sozialer Netzwerke und großer Inhalte-Plattformen von erheblicher Bedeutung sein werde. Auch in diesem Rahmen dürften die Betreiber neben Upload-Filtern auf Geoblocking zurückgreifen, um aus einer potenziellen Haftung herauszukommen.

(axk)