Studie zum TV-UHF-Band: Es wird eng für DVB-T2 nach 2030

Berater empfehlen in einer Analyse für die Bundesnetzagentur zum UHF-Band 470-694 MHz das digitale Antennen-TV zu reduzieren oder abzuschalten.

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(Bild: Everton Eifert/Shutterstock.com)

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Frequenzen sind ein hart umkämpftes Gut. Dies gilt auch für das UHF-Band im Bereich 470-694 MHz, der aktuell vor allem für die terrestrische digitale Übertragung linearer Fernsehprogramme (DVB-T2) sowie für den Betrieb lokaler Funkstrecken im Rahmen der professionellen Veranstaltungstechnik zugeteilt ist. Die Bundesnetzagentur will mit einer nun veröffentlichten Studie die "vielfältige Interessens- und Entwicklungslage" zu diesem Spektrum sowie mögliche Nutzungsszenarien von 2030 aufzeigen, wenn die bisherige Vergabe ausläuft.

Auf der Weltfunkkonferenz 2023 dürfte die Staatengemeinschaft grundlegende Weichen über die Zukunft dieses TV-UHF-Bandes stellen. Parallel laufen dazu Debatten auf nationaler Ebene an. Der hiesigen Regulierungsbehörde geht es darum, die technischen, ökonomischen und rechtlichen Aspekte "zu strukturieren und die Belange der unterschiedlichen Nutzergruppen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen".

Schon jetzt ist laut der Untersuchung, mit der die Netzagentur das Beratungshaus Goldmedia in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) und dem Regensburger Jura-Professor Jürgen Kühling beauftragte, eines klar: In dem Band werden "die angemeldeten Bedarfe die Kapazitäten des zur Verfügung stehenden Spektrums – auch unter Berücksichtigung effizienterer Übertragungstechniken – deutlich überschreiten".

Es bestehe "ein hohes Interesse an einer Nutzung der Frequenzen durch den terrestrischen Rundfunk, drahtlose Produktionsmittel (PMSE)" für Organisatoren und Dienstleister im Bereich Veranstaltungstechnik und für mobiles Breitband, arbeiten die Forscher heraus. Bei letzterem streckten sowohl Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und der zivile Teil der Bundeswehr die Hände nach oben als auch Mobilfunkbetreiber zur Versorgung der Öffentlichkeit. Auch eine rein militärische Nutzung etwa für Übungen, Manöver, Marschrouten und NATO-Unterstützung komme infrage.

Grundlegend ziehen die Autoren für die Inanspruchnahme des Bandes drei Hauptszenarien in Betracht: Der Status quo könnte beibehalten werden, wobei der DVB-T2-Sendebetrieb fortgeführt und durch mobile New-Radio-Broadcast-Dienste (NR) auf 5G-Basis ergänzt würde. Die "Sekundärnutzung" durch PMSE-Dienste bliebe dabei voll erhalten.

Für wahrscheinlicher halten die Wissenschaftler die beiden anderen Hauptmodelle, die sie allein näher ausformulieren. Sie beschreiben hier einmal eine künftige kooperative Nutzung des TV-UHF-Spektrums, bei dem der vom Rundfunk in Anspruch genommene Teil zugunsten der anderen Bedarfsträger verringert werde. Für die Veranstaltungstechnik ist dabei eine Art Bestandsgarantie vorgesehen. Das dritte Szenario dreht sich um eine Primärnutzung durch Mobilfunktechnik unter "Mitnutzung" durch drahtlose Produktionsmittel. Dieses Modell wäre aufgrund der Anrainer-Situation im Inland derzeit aber schwer koordinierbar.

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Die Voraussetzungen für eine längerfristige kooperative Nutzung des TV-UHF-Spektrums müsste die Rundfunkkonferenz erst schaffen. Dann könnte den Experten zufolge "unter der Prämisse einer schrumpfenden linearen TV-Nutzung" letztlich auch "im Zeitverlauf über eine Abschaltung der linearen TV-Programmübertragung über Broadcast-Technologie insbesondere für DVB-T2 diskutiert werden".

In Deutschland nutzten im Jahr 2020 2,4 Mio. TV-Haushalte die Terrestrik als Übertragungsweg für Fernsehen, führen die Verfasser dazu aus. Dies entspreche 6,3 Prozent der TV-Haushalte. Zusammen mit IPTV und dem ausschließlichen Internetempfang ("Connected TV only") gehöre die Antenne zu den drei kleineren TV-Übertragungswegen. Es sei auch nur in 52 Prozent der Fläche der Bundesrepublik "ein Indoor-Empfang und in weiteren 26 Prozent ein Outdoor-Empfang von DVB-T2 gegeben". Insgesamt nutze ferner nur knapp die Hälfte (44 Prozent) der Haushalte, die mit DVB-T2 erreicht werden, ein Abonnement von Freenet, um neben ARD und ZDF auch die privaten TV-Programme zu sehen.

Demgegenüber besteht der Studie zufolge hierzulande fast überall die Option, Fernsehen über Breitband-Internet zu empfangen. Mit Blick auf die Verfügbarkeit von 96,3 Prozent für mindestens 16 MBit/s und 93,3 Prozent mit 50 MBit/s Mitte 2020 könnten diese Dienste als "bundesweit empfangbar" eingestuft werden. Seit Jahren sei zudem "ein Trend hin zu einer nicht-linearen, zeitversetzten Nutzung der Inhalte von TV-Programmen zu erkennen". Stand Mitte 2020 nutzten 33 Prozent der TV-Zuschauer mindestens einmal pro Woche Fernsehsendungen zeitversetzt über die Mediatheken der deutschen TV-Sender.

Grundsätzlich verschiebe sich die Bewegtbildnutzung zunehmend auf Online-Plattformen wie YouTube und kostenpflichtige Streaming-Angebote wie Amazon Prime und Netflix, heißt es in der Analyse. Daher erscheine es fraglich, dass es in zehn Jahren "noch eine ähnlich hohe Zahl linearer deutschsprachiger TV-Kanäle gibt wie heute". Eine Weiterentwicklung von DVB-T2 zu einem Nachfolgestandard, der auf Basis eines effizienteren Video-Codecs etwa eine Ultra-HD-Bildauflösung (UHD) bewältige, werde aktuell weder durch die öffentlich-rechtlichen Sender noch durch Freenet verfolgt. Stattdessen solle die aktuelle HD-Auflösung auch über 2030 hinaus in der Terrestrik beibehalten werden. 5G-NR könne ein sinnvoller Zusatz sein, erfordere aber neue Empfangs- und Sendetechnik.

Der Datenverkehr in Mobilfunknetzen ist derweil in den vergangenen Jahren stark gewachsen und dürfte in einem moderaten Szenario auch nach 2024 ein Plus von rund zehn Prozent pro Jahr aufweisen. Für die 20 Prozent der Bevölkerung, die in dünn besiedelten Gebieten leben, würde das TV-UHF-Spektrum den Forschern zufolge nach 2030 einen kapazitiven Mehrwert bieten. Die Anforderungen der digitalen Mobilität wie das autonome Fahren, auf das die Mobilfunker gern verweisen, erforderten dagegen "aus heutiger Sicht keine massive Erhöhung der Datenraten im ländlichen Raum".

Für den Einsatz von Funkmikrofonen und In-Ear-Monitoren ist die Sekundärnutzung regional nicht belegter DVB-T2-Frequenzen "auch perspektivisch von zentraler Bedeutung", schreiben die Autoren. Sie würden etwa für temporäre Groß- und Sportveranstaltungen sowie bei Messen benötigt. In Konzert- und Theaterhäusern sowie in Film- und TV-Produktionsstudios seien solche drahtlosen Mikros oft auch fest installiert. "Mega-Events" wie die Tour de France oder der Eurovision Song Contest könnten zeitlich und lokal begrenzt erhebliche Spektrumsanforderungen von mehr als 150 MHz haben. Der Bedarf habe sich durch die zunehmende Zahl von Produktionen, höhere Qualitätsanforderungen erhöht und werde weiter zunehmen.

Für den militärischen Bereich sehen die Experten bis 2030 einen Bedarf von in Summe 100 MHz für taktisch-mobile Anwendungen. BOS-Dienste, die jüngst im Interesse der Energiewende im Streit um die 450-MHz-Frequenzen leer ausgingen, beanspruchten ein zusätzliches gemeinsam genutztes Spektrum im Umfang von 60 MHz etwa für Sprechfunk, Video-Übertragungen und Drohnenaufklärung. Parallel ließen sich etwa durch eine Konzentration von DVB-T2 auf Kerngebiete rund 56 MHz, durch eine weitere Einschränkung der Terrestrik bis zu 112 MHz bereitstellen.

Eine Reduktion und sogar ein Aus für den DVB-T2-Betrieb halten die Wissenschaftler rundfunkverfassungsrechtlich für unproblematisch, da das Antennenfernsehen nicht "Gegenstand der verfassungsrechtlich zwingend vorgesehenen Grundversorgung sei. Der Rundfunkbeitrag werde damit "keineswegs infrage gestellt". Es gebe keine Pflicht "zum Vorhalten einer kostenlosen Verbreitungsinfrastruktur für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Form von DVB-T2". Medienpolitiker des Bundestags hatten zuvor fraktionsübergreifend gefordert, die Zukunft der Rundfunk- und Kulturfrequenzen langfristig zu sichern.

(mho)