Substack lässt Nazis gewähren – keine Moderation

Moderation ist laut Substack offensichtlich Zensur. Rechtsextreme dürfen deshalb auf der Plattform ungehemmt ihre Sichtweisen äußern.

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(Bild: Diki Prayogo/ Shutterstock.com)

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"Wir mögen Nazis auch nicht", aber ... so beginnt ein Statement von Hamish McKenzie, Mitgründer von Substack, als er danach gefragt wird, warum Inhalte von Rechtsextremisten nicht gelöscht oder von der Monetarisierung ausgeschlossen würden. Das Aber klingt dann so: "Wir denken nicht, dass Zensur (inklusive des Ausschlusses von Monetarisierung) das Problem lösen würde – im Gegenteil, es würde nur noch schlimmer werden."

Dieses Statement folgt auf einen offenen Brief von mehr als 200 Substack-Nutzern, darunter Forbes und The Verge. Sie beziehen sich auf einen Artikel von The Atlantic, in dem das "Nazi-Problem" von Substack beschrieben ist. Es gäbe Newsletter mit tausenden, wenn nicht zehntausenden Abonnenten, die über Substack verschickt werden, und deutlich rechtsextremes Gedankengut beinhalten würden. "Zahlreiche Nazis und 'white supremacists' inklusive Richard Spender haben nicht nur die Funktion aktiviert, dass man ihnen kostenpflichtig folgen kann, sie sind auch als "Bestseller" gekennzeichnet, was bedeutet, dass sie mindestens Tausende Dollar im Jahr damit verdienen". Substack ist ein Dienst, über den man Newsletter oder andere Inhalte als Abonnement anbieten kann.

Den Autoren des Briefs sei auch bewusst, dass Substack Moderationsarbeit leistet, nämlich bei Inhalten von Sexarbeitern und Spam. Deshalb stellen sie abschließend die Frage, warum nicht bei rechtsextremen Inhalten: "Ist es Teil eurer Erfolgs-Vision, Nazis eine Plattform zu bieten?" Die Antwort dürfte enttäuschend für die Unterzeichner sein. McKenzie und die Mitgründer von Substack verteidigen ihre Strategie öffentlich, Nazis gewähren zu lassen. Es sei die beste Strategie, um dumme Ideen kleinzumachen, wenn sie sich dem öffentlichen Diskurs stellen müssen. "Wir setzen uns dafür ein, die Meinungsfreiheit zu wahren und zu schützen, auch wenn es weh tut."

Diese Auslegung von Meinungsfreiheit ist bekannt von Menschen mit extremistischen Ansichten und kontroversen Vorstellungen. Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hat beispielsweise das Truth Social gestartet, ein soziales Netzwerk, bei dem vermeintlich alles gesagt werden darf. Der Schritt folgte auf seine Sperre bei X, damals noch Twitter, nachdem er zum Sturm auf das Capitol aufgerufen hatte. Inzwischen ist Trump auf X wieder zugelassen. Dort dürfen seit der Übernahme von Elon Musk vermehrt Menschen Beiträge posten, die zuvor wegen teils strafbarer Inhalte gesperrt wurden. Im Artikel von The Atlantic wird den Chefs von Substack allerdings auch weitere Nähe zu Rechtsextremisten nachgesagt. So hat beispielsweise McKenzie einen Podcast mit Richard Hanania aufgezeichnet, Hanania hatte zuvor rassistische Inhalte unter einem Pseudonym veröffentlicht.

Meinungsfreiheit hat Grenzen, beispielsweise bei Beleidigung und Verleumdung – auch bei der Verharmlosung der NS-Zeit. Neben dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) in Deutschland regelt der DSA in der EU den Umgang mit illegalen Inhalten im Internet. Für soziale Netzwerke mit sehr großer Reichweite, sogenannte VLOPs (Very Large Online Platforms), gelten besondere Regeln. Die EU-Kommission hat gerade eine förmliche Untersuchung gegen X eingeleitet. Auf dem Prüfstand steht, wie X mit illegalen Inhalten umgegangen ist und ob Transparenzpflichten verletzt wurden.

(emw)