Tuberkulose oder Covid? KI-basierte Apps analysieren Husten, Atem und Stimme

Forscher arbeiten an Apps, die zwischen Tuberkulose und anderen Atemwegserkrankungen unterscheiden können sollen. KI analysiert dazu akustische Biomarker.

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(Bild: whiteMocca/Shutterstock.com)

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In Deutschland ist die Anzahl der Tuberkulose-Erkrankungen – auch dank Impfungen – seit vielen Jahren rückläufig. Nur noch knapp 4.000 registrierte Fälle gab es im Jahr 2021. In anderen Ländern ist die Situation anders: Im Jahr 2022 sind weltweit 1,2 Millionen Menschen an Tuberkulose gestorben, womit es die zweittödlichste Infektionskrankheit hinter Covid-19 war.

Um Fälle schneller zu diagnostizieren, haben Forscherinnen und Forscher nun eine Smartphone-App entwickelt, die Tuberkulose anhand des Hustengeräuschs des Patienten von anderen Krankheiten unterscheiden kann. Dieses Verfahren ist einfacher und wesentlich günstiger als die Entnahme von Schleim, um nach dem krankheitsverursachenden Bakterium zu suchen. Daher könnte es sich vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen als Screening-Instrument erweisen.

In der im Fachmagazin "Science Advances" erschienen Studie trainierte und testete ein Forscherteam aus den USA und Kenia sein Smartphone-basiertes Diagnosetool anhand von Hustenaufzeichnungen, die sie in einem kenianischen Gesundheitszentrum gesammelt hatten: 33.000 spontane Hustenanfälle und 1.200 erzwungene Hustenanfälle von 149 Menschen mit Tuberkulose und 46 Menschen mit anderen Atemwegserkrankungen. Die Leistung der App war zwar nicht gut genug, um die herkömmliche Diagnostik sofort zu ersetzen – denn bei immer noch etwa 30 Prozent der Tuberkulose-Patienten konnte die App die Krankheit nicht erkennen. Aber sie könnte als zusätzliches Screening-Instrument eingesetzt werden. Denn je früher Menschen mit aktiver Tuberkulose erkannt und behandelt werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Krankheit verbreiten.

Die neue Studie ist eine von Dutzenden, die in den vergangenen Jahren erschienen sind und darauf abzielen, Husten und andere Körpergeräusche als "akustische Biomarker" zu nutzen, als Geräusche, die auf gesundheitliche Veränderungen hinweisen. Das Konzept gibt es schon seit mindestens drei Jahrzehnten, aber in den vergangenen fünf Jahren hat sich das Feld stark weiterentwickelt. Was sich vor allem geändert habe, so Yael Bensoussan, Laryngologin an der University of South Florida, sei der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz, mit deren Hilfe man eine größere Datenmenge schneller analysieren kann.

Allein die Corona-Pandemie habe 30 oder 40 Start-ups hervorgebracht, die sich mit der Akustik des Hustens beschäftigen, sagt Bensoussan. AudibleHealthAI etwa wurde 2020 gegründet und entwickelte eine App zur Diagnose von Covid. Die Software, AudibleHealth DX genannt, wird derzeit von der US-Arzneimittelbehörde FDA geprüft. Jetzt erweitert das Unternehmen sein Angebot auf Grippe und Tuberkulose.

Das australische Unternehmen ResApp Health arbeitet seit 2014, also lange vor der Pandemie, an der akustischen Diagnose von Atemwegserkrankungen. Doch als Covid-19 auftauchte, schwenkte das Unternehmen um und entwickelte einen audiobasierten Covid-19-Screening-Test. Im Jahr 2022 gab das Unternehmen bekannt, dass das Gerät 92 Prozent der positiven Covid-Fälle allein anhand des Hustengeräuschs eines Patienten korrekt identifiziert. Kurz darauf zahlte Pfizer 179 Millionen Dollar für die Übernahme von ResApp.

In eine ähnliche Richtung des audiobasierten Covid-19-Screenings zielt auch der Ansatz des deutschen Start-ups Audeering. In Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg sammelt die Firma dafür Sprachaufnahmen von gesunden und erkrankten Probanden, um damit ihre KI AI Soundlab zu trainieren. Nach eigenen Angaben analysiert Audeering 6.000 Parameter der menschlichen Stimme, die bei Atemwegserkrankungen in Mitleidenschaft gezogen wird. Mit 82 Prozent Genauigkeit soll die Anwendung Covid 19 anhand der Stimme feststellen.

Bensoussan ist skeptisch, ob sich solche Apps zu einer zuverlässigen Diagnose entwickeln werden. Aber sie sagt, dass Apps, die Husten – jeden Husten – erkennen, sich als wertvolle Gesundheitstracker erweisen könnten, selbst wenn sie die Ursache nicht genau bestimmen können. Husten lässt sich mit dem Smartphone besonders leicht erfassen. "Mit einem Smartphone, das fast jeder immer am Bett oder in der Tasche dabei hat, lässt sich der Husten beobachten", sagte Jamie Rogers, Produktmanager bei Google Health, gegenüber dem Time Magazine. Die neuesten Pixel-Smartphones von Google verfügen bereits über eine Husten- und Schnarcherkennung.

Yael Bensoussan ist auch der Meinung, dass Apps zur Hustenerkennung für klinische Studien, bei denen die Forscher unter anderem den Husten messen wollen, von großer Bedeutung sein könnten. Bislang verließen sich Ärztinnen und Ärzte oft auf die Erinnerung der Patienten an ihren Husten. Eine App wäre viel genauer: "Es ist wirklich einfach, die Häufigkeit des Hustens aus technischer Sicht zu erfassen", sagt sie.

Und es ist nicht nur der Husten, der Hinweise auf unseren Gesundheitszustand geben kann. Bensoussan leitet ein mit 14 Millionen Dollar finanziertes Projekt zur Entwicklung einer umfangreichen Datenbank mit Stimm-, Husten- und Atemgeräuschen, die bei der Entwicklung von Instrumenten zur Diagnose von Krebserkrankungen, Atemwegserkrankungen, neurologischen und Stimmungsstörungen, Sprachstörungen und vielem mehr helfen soll. Die Datenbank erfasst eine Vielzahl von Geräuschen, darunter Husten, das Lesen von Sätzen oder Vokallauten, Einatmen und Ausatmen.

"Eine der großen Einschränkungen ist, dass viele dieser Studien private Datensätze haben, die geheim sind", sagt Bensoussan. Das mache es schwierig, die Forschungsergebnisse zu validieren. Die Datenbank, die sie und ihre Kollegen entwickeln, werde deshalb öffentlich zugänglich sein. Sie geht davon aus, dass die ersten Daten noch vor Juni veröffentlicht werden. Und sobald mehr Daten zur Verfügung stehen, wird es voraussichtlich noch mehr Apps geben, die anhand von Husten- oder Sprachmustern auf gesundheitliche Probleme aufmerksam machen können. Es lohnt sich, die Ohren offen zu halten.

(jle)