Türkei: Bundestagsabgeordnete Akbulut wegen Social-Media-Beiträgen festgenommen

Türkische Behörden setzten die Linken-Politikerin Gökay Akbulut bei ihrer Einreise Anfang August wegen angeblicher Terrorpropaganda auf sozialen Medien fest.

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(Bild: okanozdemir/Shutterstock.com)

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Schwere Stunden für die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut: Bei ihrer Einreise in die Türkei am 3. August nahm die dortige Polizei die Parlamentarierin am Flughafen Antalya fest. "Beschuldigt wurde ich aufgrund von Social-Media-Beiträgen von 2019 mit 'Terrorpropaganda'", erklärte die 40-Jährige am Sonntag auf Instagram. "Dass ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Kayseri gegen mich vorliegt", hat sie nach eigenen Angaben erst vor Ort erfahren. Akbulut wurde in Pınarbaşı in der zentralanatolischen Provinz Kayseri geboren. 1990 siedelte sie mit ihren Eltern aus wirtschaftlichen und politischen Gründen nach Deutschland um.

Die Mannheimer Volksvertreterin unterstützt die türkische Schwesterpartei der Linken, die HDP, und forderte die Freilassung inhaftierter HDP-Politiker. Dafür erhielt sie im Juli 2020 und im Februar 2021 Morddrohungen. Diese seien – genauso wie der Haftbefehl – aus Kayseri gekommen, schrieb die studierte Sozialwissenschaftlerin. Die umstrittenen Postings in sozialen Netzwerken vor vier Jahren bezogen sich Berichten zufolge auf die türkische Militäroffensive in Nordsyrien. Damals startete die Armee von Präsident Recep Tayyip Erdoğan ihre Angriffe auf das von kurdischen Milizen dominierte Militärbündnis Demokratische Kräfte des südlichen Nachbarlands.

Das Auswärtige Amt teilte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit, die Bundesregierung habe sich nach Unterrichtung über die Festnahme "hochrangig, mit Nachdruck und auf verschiedenen Kanälen" für Akbulut eingesetzt und ihre rasche Freilassung erwirkt. Akbulut dankte dem Außenministerium für seinen schnellen Einsatz, dank dessen sie nach einigen Stunden wieder freikam. Zunächst sei sie aber "kreuz und quer durch Antalya gefahren worden", sagte sie dem SWR. Sie habe da "schon richtig großen Stress" gehabt und sich ohnmächtig gefühlt, "weil man nicht weiß, was als Nächstes passieren wird". Aussagen habe sie nicht müssen, weil "die Akte innerhalb von wenigen Stunden gelöscht" worden sei.

Der Vorfall zeigt für die Volksvertreterin, "dass es in der Türkei keine Gewaltenteilung gibt". Der Vorwurf terroristischer Online-Propaganda gehöre "leider mittlerweile" zum "Standardprogramm für alle Oppositionellen" in Kleinasien. Dass sie deutsche Staatsangehörige sei, einen Diplomatenpass besitze und einen Ausweis sowie alle Unterlagen vorgelegt habe, "hat die türkischen Sicherheitskräfte leider überhaupt nicht interessiert". Trotzdem habe sie letztlich deswegen "Glück im Unglück gehabt".

Akbulut, die seit 2017 im Bundestag sitzt, will, dass das Betätigungsverbot gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK in Deutschland aufgehoben wird. Eine entsprechende Anfrage reichte sie etwa im Mai 2022 in einer Fragestunde des Parlaments ein. Seit 1993 sind Aktivitäten der PKK und ihrer Unterorganisationen in Deutschland verboten. In der Türkei, Europa und den USA wird die PKK als Terrororganisation eingestuft. 2017 gab es Meldungen, dass Akbulut seit einigen Jahren vom Verfassungsschutz hierzulande beobachtet werde. Die Linke Baden-Württemberg forderte daraufhin, diese Praxis sofort zu beenden. Die hiesigen Behörden machten sich "zum Büttel des türkischen Diktators Erdoğan und türkischer Geheimdienste".

(tiw)