US-Gefechtsfeldzentralen werden mit KI aufgerüstet

Das Pentagon hat eine Sensorplattform für "verteilte autonome cyber-elektronische Kriegsführung" in Auftrag gegeben, die automatisch auf Angriffe reagiert.

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(Bild: dotshock / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Erich Moechel

Die im November präsentierte neue Strategie des US-Verteidigungsministeriums, die Gefechtsfeldzentralen systematisch mit KI-Systemen aufzurüsten, schlägt sich bereits in Industrieaufträgen nieder. Allein im Februar wurden drei solcher Aufträge im Gesamtwert von 78 Millionen US-Dollar vergeben.

Auf dem "Defense Data and AI Symposium" des Pentagon im Februar wurden extrem beschleunigte Entscheidungsprozesse in Kampfeinsätzen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Aussicht gestellt. Wenn die nötigen Informationen an die Kommandanten nicht mehr via E-Mail und Powerpoint, sondern von einer KI-Anwendung geliefert würden, könnte das die Laufzeiten bis zur "situational awareness" – das entspricht in etwa einem Lagebild – von derzeit bis zu zwei Tagen auf zehn Minuten reduzieren. Wie der Begleittext zum jüngsten solchen Auftrag zeigt, werden vermutlich nicht nur die Informationsabläufe, sondern auch Entscheidungen durch KI automatisiert.

Bereits zwei Tage nach dem Symposium, am 23. Februar, ging ein Auftrag über 17,4 Millionen Dollar an das Rüstungsunternehmen Pacific Defense Strategies. Das auf militärische Kommunikation und elektronische Kriegsführung spezialisierte Unternehmen soll eine Sensorplattform für "verteilte autonome cyber-elektronische Kriegsführung" umsetzen, so der Begleittext. Ziel sei ein KI-gestütztes, verteiltes, autonomes und lernfähiges "Sensor-Effectuator-System", das automatisch reagiert. Hier entscheidet vermutlich also bereits eine KI, was sie dann auslöst. Dass dies kein bloßer Alarm ist, sondern auch ein möglicher Feuerbefehl sein könnte, geht jedoch indirekt aus der Beschreibung hervor. Dieser Ansatz werde zu einer neuen Gattung militärischer KI/ML-Anwendungen führen und die elektronische Kriegsführung im taktischen Bereich völlig verändern, heißt es dort.

Das erste solche System ist für die US Navy und das Marine Corps bestimmt, denn der Auftraggeber ist das "Office of Naval Research". Dabei wird es allerdings nicht bleiben, denn dieses Sensorsystem soll nicht nur auf See, sondern in modifizierter Form auch bei den anderen Waffengattungen eingesetzt werden. Die autonom agierende Feuerleitstelle ist nämlich nur ein Element einer weit größeren, modular aufgebauten Plattform für Gefechtsfeldzentralen, die vom US-Verteidigungsministerium gerade für alle Teile des US-Militärs mit KI-Applikationen aufgerüstet wird. Es handelt sich dabei um ein C5ISR-System, das Akronym steht für "Command, Control, Computers, Communications, Cyber, Intelligence, Surveillance, Reconnaissance". Die Entwicklung des ersten KI-gesteuerten "Sensor-Effectuator-Systems" soll bis März 2026 abgeschlossen sein.

Zur selben Tranche gehört auch ein mit 38 Millionen Dollar dotierter Folgeauftrag für ein neuartiges Laser-Zielerfassungssystem namens "True Pulse Logic Seeker" des britischen Rüstungskonzerns BAE. Die Technik herkömmlicher Zielerfassungsgeräte wird dabei mit der von Wärmebildkameras bekannten Infrarot-Polymetrie fusioniert, um Ziele besser "auszuleuchten". BAE soll dafür die passenden Algorithmen entwickeln, denn auch dieses System ist KI-gestützt. Der Auftrag soll bis Juli 2028 abgeschlossen sein.

Auf KI basiert auch der ebenfalls von der US Air Force vergebene Auftrag zur Entwicklung von "Kognitiven Algorithmen für Signals Intelligence (SIGINT) in umkämpften und chaotischen Territorien". Auch hier handelt es sich um einen Folgeauftrag, der vor allem die "Signalverarbeitungs-Bibliotheken um 5G-Signale" ergänzen soll. Zudem soll eine "skalierbare SIGINT-Architektur für Machine Learning im Funkbereich" entwickelt werden. Das System muss dabei mit existierenden wie künftigen Plattformen interoperabel sein. Zusammen mit dem Erstauftrag schlägt das mit rund 24 Millionen Dollar zu Buche, ausführender Auftragnehmer ist Black River Systems, das Unternehmen ist unter anderem auf die Auswertung von Daten aus ISR-Systemen spezialisiert.

KI-Anwendungen werden im militärischen Bereich der USA in Simulatoren zur Ausbildung, in der Manöverplanung, Logistik und vielen anderen Bereichen schon seit Jahren eingesetzt. KI-Anwendungen in einer C5ISR -Gefechtsfeldzentrale sind allerdings ein anderes Kaliber und ganz besonders, wenn Teile davon autonom und automatisch reagieren. Was dabei schiefgehen könnte, ist in Ausschreibungen des Pentagon naturgemäß kein Thema, beim AI-Symposium wurde abschließend aber auf die KI-Anforderungen in der Strategie des Pentagon verwiesen: "Daten- und Führungsqualität, tiefgehende Analysen, Sicherheitsüberprüfungen und verantwortlicher Umgang mit KI".

(olb)