US-Geheimdienste: Erste heiße Spur zu Nord-Stream-Saboteuren

Über fünf Monate nach der Zerstörung der Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 gibt es eine erste heiße Spur. Was bislang bekannt geworden ist.

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Gasaustritt an der Pipeline Nord Stream 1

(Bild: Schwedische Küstenwache)

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Bei der Suche nach den Saboteuren, die Ende September 2022 drei Stränge der Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 schwer beschädigt haben, gibt es offenbar eine erste heiße Spur. Die New York Times berichtet unter Berufung auf US-Regierungskreise, dass laut Geheimdienstinformationen eine pro-ukrainische Gruppe hinter den Anschlägen nahe der dänischen Insel Bornholm stecken soll. Noch gebe es viele offene Fragen, aber eine direkte Beteiligung der ukrainischen Regierungsspitze um Präsident Wolodymir Zelensky konnte nicht nachgewiesen werden. Indessen haben deutsche Ermittler laut mehreren deutschen Medien Hinweise dafür gefunden, dass die sechsköpfige Gruppe von Rostock aus mit einer Yacht zur Sabotage-Mission aufgebrochen ist.

Dass am Ende in irgendeiner Weise über Hintermänner vielleicht doch eine Verbindung existiert, könne gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, berichtet die NYT weiter. Die Ukraine hätte demnach ein nachvollziehbares Motiv. Die Pipelines wurden schon vor Ausbruch des russischen Angriffskriegs im Land als nationale Bedrohung angesehen, weil Russland auf diese Weise einfacher Gas nach Europa verkaufen kann und die Abhängigkeit von der Ukraine als Transitland geschmälert wird. Der ukrainische Geheimdienst und die ukrainische Regierung hatten erklärt, dass sie keine Rolle bei dem Anschlag gespielt haben und auch nicht wüssten, wer dahinter stecke.

Nach US-Geheimdienstinformationen habe es sich um eine Gruppe gehandelt, die aus ukrainischen und russischen Staatsbürgern bestanden habe. Amerikaner oder Briten seien nicht beteiligt gewesen. Genauere Details zu den Mitgliedern oder wer den Sabotageakt finanziert hat, wurden nicht gemacht. Die Sprengladungen in 70 Metern Tiefe seien wahrscheinlich von erfahrenen Tauchern angebracht worden, die aber keine Verbindung zu Geheimdiensten oder dem Militär hätten. Es sei allerdings möglich, dass sie von einer Regierung auf ihre Mission vorbereitet wurden.

ARD-Hauptstadtstudio, das ARD-Politikmagazins Kontraste, SWR und ZEIT berichten nach gemeinsamen Recherchen von den bisherigen Ergebnissen der deutschen Ermittlungsbehörden. Diese hätten herausgefunden, dass Anfang September 2022 eine Gruppe von fünf Männern und einer Frau – darunter zwei Taucher und eine Ärztin – von Rostock aus aufgebrochen sei, um die Pipeline in der Nacht zum 26. September zu sprengen. Die Yacht sei von einer Firma in Polen angemietet worden. Die Täter hätten sich mit gefälschten Reisepässen ausgewiesen. Nach der Rückgabe der ungereinigten Yacht hätte man Sprengstoffspuren auf einem Tisch in der Kabine nachweisen können. Bereits im Herbst habe es erste Hinweise gegeben, die auf die pro-ukrainische Gruppe hingedeutet hätten.

Dass Russland selbst Ende September zwei Stränge von Nord Stream 1 und einen von Nord Stream 2 durch Explosionen schwer beschädigt hat, gelte den Geheimdienstinformationen nach als unwahrscheinlich. Es gebe keine Spur, die nach Russland führe. Hierzu gab es schon im Dezember erste Anzeichen. Jüngst wurde bekannt, dass Russland auf eine Reparatur vorerst verzichtet und die Leitungen stattdessen versiegeln will, um sie gegebenenfalls später reaktivieren zu können.

In US-Regierungskreisen gehe die Sorge um, dass eine Beteiligung der Ukraine an der Sabotage das deutsch-ukrainische Verhältnis belasten und die weitere Unterstützung im Krieg gegen Russland gefährden könnte. Die gemeinsame Recherche von ARD-Hauptstadtstudio, des ARD-Politikmagazins Kontraste, des SWR und der Zeit kommt indessen zum Ergebnis, dass auch eine "False-Flag"-Operation nicht ausgeschlossen werden könne. Dabei werden bewusst falsche Spuren gelegt, um einen Unbeteiligten der Tat zu bezichtigen. Hinweise dafür gebe es allerdings nicht.

Die US-Geheimdienste seien bei der Informationsgewinnung von ihren europäischen Partnern unterstützt worden. Die amerikanischen Dienste hätten vor kurzem ihre europäischen Kollegen über die bisherigen Erkenntnisse informiert. Gemeinsam versuche man nun genaueren Aufschluss über Drahtzieher und Täter zu erlangen.

Update

Es wurden weitere Details zur mutmaßlichen Tätergruppe hinzugefügt.

(mki)