US-Hauptstadt verklagt Amazon wegen Bestpreisklausel

Auf Amazon.com tätige Händler dürfen Preise nicht deutlich höher ansetzen als auf anderen Webseiten. Das schade Verbrauchern, meint der District of Columbia.​

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Leere Amazon-Schachtel, farbverändert

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Die US-Hauptstadt Washington, District of Columbia, verklagt Amazon.com. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Online-Händler vor, seine Marktmacht zu schützen, in dem er Dritthändler bei der Preisfestsetzung einschränkt. Das sei nach dem Recht des District unzulässig. Im Kern geht es um eine unscharfe Bestpreisklausel.

Auf amazon.com verkauft nicht nur Amazon selbst Waren und Dienstleistungen. Auch Dritte treten dort als Händler auf. Wenn sie möchten, können sie Amazon über die Abrechnung hinaus auch mit dem Versand und sogar der Lagerhaltung beauftragen. Ursprünglich hat Amazon Dritthändlern untersagt, auf Amazon.com höhere Preise zu verlangen als in einem eigenen Online-Shop oder sonstwo im Internet.

Heute gilt eine zumindest dem Wortlaut nach sanftere "Fair Pricing Policy" für Dritthändler: Händler dürfen keine unrealistischen "Statt"-Preise angeben, um hohen Rabatt vorzugaukeln; sie dürfen keine exzessiven Versand- oder Bearbeitungsgebühren verlangen; und sie dürfen für einen Doppelpack nicht mehr als das Doppelte eines einzelnen Produkts verlangen.

Was die Staatsanwaltschaft stört, ist die vierte Säule der Amazon Marketplace Fair Pricing Policy: Sie verbietet "einen Preis festzusetzen, der deutlich höher ist als kürzlich auf oder abseits Amazon angebotene Preise". Damit sind höhere Preise zulässig, solange sie nicht "signifikant" höher sind. Was "signifikant" genau bedeutet, liegt im Ermessen Amazons. Das Unternehmen kann zuwiderhandelnde Händler sanktionieren, beispielsweise durch weniger prominente Platzierung eines teureren Angebots, und im Extremfall sogar ausschließen.

Die Klausel benachteilige nicht nur die Händler sondern auch Verbraucher ungebührlich, meint die Staatsanwaltschaft des DC. Amazon verlange bis zu 40 Prozent Gebühren von Dritthändlern. Diese Gebühren würden natürlich in die Preise einkalkuliert. Aufgrund der Fair Pricing Policy müssten die Händler ähnlich hohe Preise allerdings auch im eigenen Webshop sowie auf anderen Online-Marktplätzen verlangen, selbst wenn dort deutlich niedrigere Gebühren anfallen.

Ergebnis: Verbraucher zahlten überall höhere Preise und hätten zudem keinen Anreiz, andere Marktplätze oder Online-Shops als amazon.com aufzusuchen. Das reduziere die Auswahl an Alternativen zu Amazon, sagt die Staatsanwaltschaft. Anders ausgedrückt zementiere Amazon durch die Fairpreisklausel seinen Marktanteil ein. Damit sei die Klausel wettbewerbsfeindlich und verstoße gegen die Paragraphen 28-4502 und 28-4503 des D.C.-Gesetzeskodex'.

"Der Staatsanwalt des District of Columbia hat das komplett falsch verstanden", reagierte Amazon.com gegenüber heise online auf die Klage, "Verkäufer setzen die Preise für ihre Produkte selbst fest. Amazon ist stolz auf die Tatsache, dass wir niedrige Preise für die breiteste Auswahl bieten, und wie jedes Geschäft behalten wir uns vor, Angebote nicht hervorzuheben, die nicht kompetitiv bepreist sind." Die Forderung der Staatsanwaltschaft würde dazu führen, dass Amazon seinen Kunden höhere Preise vorsetzen müsste, was den Kernzielen des Monopolrechts widerspreche.

Die Bestimmungen, auf die sich die Klage beruft, sind kurz und allgemein gehalten. 28-4503 verbietet schon den Versuch der "Monopolisierung", während 28-4502 Verträge für illegal erklärt, die den Handel "hemmen". Mit der beim Superior Court of the District of Columbia eingebrachten Klage begehrt die Staatsanwaltschaft ein Verbot der Klausel, Schadenersatz, Strafen und Ersatz ihrer Verfahrenskosten. Entscheiden sollen möglichst Geschworene.

Die Staatsanwaltschaft behauptet, Amazon habe seine Bestpreisklausel in der EU auf Druck der Wettbewerbsbehörden schon 2013 aufgegeben, in den USA jedoch 2019 durch die ähnliche Fair Pricing Policy ersetzt. Tatsächlich wendet amazon.de in Deutschland die gleiche Klausel an wie in den USA.

Der Kartellsenat des deutschen Bundesgerichtshofs hat vergangene Woche in einem thematisch verwandten Fall entschieden, dass Booking.coms Bestpreisklausel wettbewerbswidrig ist. Der Marktführer darf Hotels damit nicht verbieten, Übernachtungen auf eigenen Webseiten billiger anzubieten (Az. KVR 54/20).

(ds)