USA: "Allianz für die Zukunft des Internets"

Inmitten des Ukraine-Konflikts mit Russlands und des Olympiaboykotts in China rufen die USA zu den "Waffen" für ein demokratisches Internet.

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(Bild: akedesign/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert
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Mit einer Serie von "Grand Challenges" und einer "Allianz für die Zukunft des Internets" wollen die USA das Netz als Demokratiemotor retten. Das kündigten Vertreter der US-Administration am Tag 0 des von Präsident Biden für den heutigen Donnerstag und den morgigen Freitag einberufenen Demokratiegipfels in Washington an.

Gemeinsam mit Großbritannien wird laut der britischen Kulturministerin Nadine Dorries 2022 ein Preis für Privacy Enhanced Technologies weltweit ausgelobt. Weitere Preise für demokratiefördernde Technologien sollen gemeinsam mit anderen Ländern ausgelobt werden, kündigte Eric Lander, Direktor des White House Office of Science and Technology Policy, in einer der Diskussionsrunden gestern an. Niemand habe ein Monopol auf die besten Ideen, sagte Lander.

Eines der in der Runde beispielhaft vorgestellten Projekte war Adobes und Truepics nicht mehr ganz neue "Content Authenticity Initiative", mit dem Nutzer die Authentizität von Fotos überprüfen können sollen. Lander nannte viele andere Bereiche, aus denen man auf innovative Vorschläge hoffe, etwa beim Adhoc Zugang über Meshnetze in Gebieten, die von Internetblockaden betroffen sind.

Ein demokratisches Internet der Zukunft könne kein allein amerikanisches Projekt sein, unterstrich auch Tim Wu, Special Assistant des US-Präsidenten für Technologie und Wettbewerbspolitik. Wu stellte in einer Runde die von der US-Administration geplante Allianz vor.

Weil der Traum der 90er vom Demokratiemotor Internet geplatzt sei und der Trend zu Überwachung und Zensur sich in den letzten Jahren immer weiter verstärkt habe, müssten die demokratischen Regierungen dringend zusammenkommen, warb Wu. Sie sollen sich im Rahmen der Initiative auf Grundprinzipien einigen, "was Staaten im Internet tun sollen und was nicht".

Wu selbst stellte vier "Dos" und vier "Don'ts" vor. An erster Stelle stehe die Achtung der Menschenrechte. Außerdem gelte es, den Zugang zum Internet für alle zu schaffen und Gewalt im Netz und gefährliche Inhalte zu unterbinden – ohne dabei die Meinungsfreiheit zu gefährden. Auf der anderen Seite sei das Blocken des Zugangs zum Netz und zu Inhalten im Netz abzulehnen.

Der Missbrauch von Algorithmen zu Überwachung und sozialer Kontrolle muss laut Wu unterbleiben, ebenso wie die Manipulation von Wahlen und die Unterminierung der Multi-Stakeholder Selbstverwaltung von Namen, Nummern und Protokollen.

Bereits im Vorfeld der Ankündigung der neuen Allianz für die Zukunft des Internets gab es Stimmen, die davor warnten, den vielen bereits bestehenden Foren zum Thema Netz Governance noch ein weiteres hinzuzufügen. Zur gestrigen Diskussionsrunde hatten die US-Organisatoren daher auch die Vorsitzende des Programm-Komitees des Internet Governance Forum (IGF) der Vereinten Nationen, Anriette Esterhuysen, und die aktuelle Vorsitzende der Freedom Online Coalition (FOC), Nina Vaskunlathi, Staatssekretärin im finnischen Außenministerium, geladen.

Das IGF, das sich aktuell in einer harten Reformdiskussion befindet, tagt ausgerechnet diese Woche, parallel zum Demokratiegipfel im polnischen Katowice. Die FOC, eine Initiative von inzwischen 34 Staaten für ein demokratisches Internet, feierte in der vergangenen Woche ihr zehnjähriges Bestehen. Vaskunlathi unterstrich den Dialog mit afrikanischen Staaten als einen der wichtigen Pläne der FOC unter finnischer Präsidentschaft. Für Finnland nahm sie eine große Resilienz gegen Desinformationskampagnen und Fake News in Anspruch, nicht zuletzt auf Grund digitaler Bildung für alle.

Esterhuysen stellte die globale Natur des IGF heraus und nahm das Internet in Schutz. Das Internet sei nach wie vor ein Motor für die Demokratie, "warum sollten sonst Regierungen das Netz abschalten, wenn es etwa um Wahlen geht", so Esterhuysen. Der Missbrauch durch Firmen und autoritäre Regierungen sei kein Problem des Internets, sondern der entsprechenden Firmen beziehungsweise der autoritären Regierungen.

Die gebürtige Südafrikanerin mahnte zur Vorsicht vor Überreaktionen bei der Regulierung des Internets und warb für das IGF als Treffen von Globalem Norden und Süden. "Ich hoffe, sie alle beim IGF begrüßen zu können, und die Diskussion über Prinzipien dort zu führen", so Esterhuysen.

Wai Min Kwok, Senior Governance and Public Information Officer des UN-Departments of Economic and Social Affairs (UN DESA), nannte das IGF gegenüber heise online als "einzigartig in seiner Inklusivität" und gemessen an der beständig wachsenden Zahl an Teilnehmern ein Erfolgsmodell. Für die 16. Ausgabe in Katowice haben sich 9600 Teilnehmer registriert, 7300 davon online.

Während US-Vertreter Wu versicherte, dass man bestehende Foren besuchen werde, etwa am Donnerstag das laufende IGF in Katowice, gab sich die Moderatorin des Forums und langjährige Aktivistin, Rebecca McKinnon, streitlustig. Schon während des Demokratiegipfels gebe es diejenigen, die die teilnehmenden Staaten benchmarken, um zu überprüfen, wo diese selbst bei der Einhaltung der verkündeten hehren Ziele stünden.

Vielleicht, so McKinnon, müsse die neue Allianz eher eine Art Selbsthilfegruppe sein, im Stil der Anonymen Alkoholiker, bei der gerade auch westliche Staaten Fehler und nicht gehaltene Versprechen einräumten und sich dabei unterstützen, besser zu werden bei der Umsetzung ihrer Prinzipien.

Das IGF und der Washingtoner Demokratiegipfel dauern noch bis morgen und können online live verfolgt werden.

(bme)