Bit-Rauschen: Übertakter-Xeons, mehr Fabs und weniger Dividende

Statt Xeons für Server liefert Intel lieber welche zum Übertakten – und gönnt Aktionären weniger Geld. AMD ergattert weiter Server-Marktanteile.

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Das tut Anlegern weh: Intel kürzt die Dividende. Für den jahrzehntelang erfolgsverwöhnten Chiphersteller ist es ebenfalls ein schmerzhafter Schnitt. Analysten unterstellen, Intel wolle damit seine Position im Poker um Subventionen verbessern. Denn es sieht etwas doof aus, wenn man einerseits Milliarden aus Steuermitteln kassiert und andererseits Milliarden an Aktionäre ausschüttet. Hierzulande erfährt gerade Mercedes-Benz, dass der Volkszorn hochkocht, wenn man angesichts von Milliardengewinnen Kurzarbeit anordnet und somit Kurzarbeitergeld vom Arbeitsamt fließt. Firmenkapitäne in ihren schicken Büros leben doch weit weg von den Nöten der Durchschnittsfamilien, die unter Mieten, Energiekosten sowie Inflation ächzen und mit ihren Steuern die Subventionen subventionieren.

In Lehi zwischen dem Utah Lake und Salt Lake City baut Texas Instruments die nächste 11-Milliarden-Dollar-Chipfabrik, hier blau skizziert.

(Bild: Texas Instruments)

Intel-Chef Pat Gelsinger verkündet unverdrossen große Fortschritte bei künftigen Prozessoren, sozusagen unsichtbare Innovationen. Noch im laufenden Jahr 2023, wie Gelsinger mehrfach beteuerte, soll der Core i-14000 "Meteor Lake" kommen, den Intel aus mehreren Chiplets – Pardon, "Tiles" – zusammenklöppelt. Einige Spökenkieker behaupten nun, Meteor Lake käme nur als Mobilversion für Notebooks und Mini-PCs, also nicht für Desktop-PC-Mainboards mit der neuen Fassung LGA 1851. Das mit Meteor Lake erwartete Thunderbolt 5 mit 80 oder gar 120 Gbit/s legt vielleicht erst 2024 los.

Unsichtbar ist bisher auch der am 10. Januar offiziell vorgestellte Xeon-SP der vierten Generation "Sapphire Rapids". Zwar ist es normal, dass Serverprozessoren nicht sofort nach dem Start im Einzelhandel oder bei Online-Preisvergleichern auftauchen. Doch bisher haben sich auch keine Testgeräte materialisiert, weder im c’t-Labor noch bei den meisten anderen internationalen Computerjournalisten. Es scheint fast, als hätte Intel die Virtualisierung bei diesen Xeons ein bisschen zu weit getrieben. Auch Cloud-Instanzen mit Xeon-SP Gen4 befinden sich bei Amazon AWS und Google Cloud weiterhin in der "Preview"-Phase für ausgewählte Kunden.

Der taiwanische Newsdienst Digitimes schätzt, dass Intels Server-Marktanteil bis Ende 2023 auf 71 Prozent sinken wird; AMD kommt der Quelle nach auf knapp mehr als 20 Prozent und ARM-Chips auf rund 8 Prozent – nach Stückzahlen gerechnet. Die US-Firma Counterpoint meint, AMD habe 2022 schon fast 20 Prozent Umsatzanteil bei den Serverprozessoren eingeheimst und Intel bloß noch 71 Prozent. Die ARM-Chips von AWS und Ampere kämen auf 3,2 respektive 1,5 Prozent. Laut Counterpoint schrumpfte der Markt für Serverprozessoren im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent. In diesem Jahr soll es aufwärtsgehen: Die Firma Trendforce erwartet, dass die Nachfrage nach Server-DRAM so stark steigt, dass wieder mehr davon produziert wird als von Smartphonespeicher.

Intel hat mit den Xeon W-2400 und W-3400 auch Workstation-Abkömmlinge der neuen Xeons vorgestellt. Die kommen vielleicht schon vor ihren SP-Geschwistern in den Einzelhandel und lassen sich auch übertakten. Deshalb wiederum fertigt G.Skill bunt blinkende Registered DIMMs (RDIMMs), die sonst eigentlich nur im Dunkeln von Servergehäusen leben. Bei Preisen von über 900 Euro für die passenden W790-Mainboards dürfte sich die Begeisterung von Privatleuten allerdings in Grenzen halten. Xeon-W-Übertakten ist eher ein Spaß für Influencer, die die Hardware nicht selbst bezahlen.

Bei AMD läuft es besser: Der Ryzen 9 7950X3D mit großem L3-Cache rennt Intels Core i9-13900KS davon, zumindest in Spielen. Dafür sollen die Käufer aber auch satte 750 Euro hinblättern.

Während die EU ihr Fördermittelpaket namens "Chips Act" weiterhin sehr langsam packt, klotzen die US-Amerikaner. Texas Instruments (TI) verkündete, zusätzlich zu den zwei Fabs im nordtexanischen Sherman noch eine weitere Fab in Utah hochzuziehen. Die soll 11 Milliarden US-Dollar kosten und neben dem Fertigungswerk in Lehi entstehen, das TI im Sommer 2021 von Micron gekauft hat. In Sherman könnte TI später noch zwei weitere Fabs bauen, was dann insgesamt bis zu 41 Milliarden US-Dollar kosten könnte. Damit rüstet sich TI für die wachsende Nachfrage nach Chips für Autos und will ab 2026 nicht etwa feinste Chipstrukturen von 3 oder 2 Nanometern belichten, sondern geradezu rustikale Halbleiter der 65- und 45-Nanometer-Klassen.

TI-Konkurrent Infineon kündigt an, die Werke in Malaysia mit noch besserer Abgasreinigung auszustatten, um Treibhausgase auszufiltern. Das verbessert den ökologischen Fußabdruck der Chipfertigung und könnte ein Verkaufsargument für E-Autos werden, die auf eine umweltbewusste Kundschaft zielen.

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(ciw)