Überwachung: Interpol baut Big-Data-System Insight für "vorhersagende Analysen"

Interpol entwickelt eine Plattform, um riesige Datenmengen aus mehreren Quellen wie Social Media in unterschiedlichen Formaten effizient verarbeiten zu können.

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(Bild: zef art/Shutterstock.com)

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Interpol will Straftaten künftig möglichst schon erkennen, bevor sie passieren. Die internationale Polizeiorganisation arbeitet dafür nach eigenen Angaben an einer "sicheren, intelligenten und skalierbaren" Big-Data-Plattform. Sie soll es erlauben, "riesige Datenmengen aus mehreren Quellen" wie dem Internet allgemein und sozialen Medien insbesondere "in unterschiedlichen Formaten schnell und effizient" zu verarbeiten. Dazu gehören "Datenbanken und Analysedateien, Bekanntmachungen und Mitteilungen, Freitextinformationen, Polizeiberichte, Bilder und Videos". Final soll das System "fortgeschrittene und vorhersagende Analysen" ermöglichen, also auch künftige Ereignisse vorausahnen können.

Das "Insight" getaufte Projekt werde Kriminalisten durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen dazu befähigen, "versteckte Zusammenhänge, Kriminalitätsmuster und Trends schneller zu erkennen", verspricht Interpol. So könne man den Mitgliedsländern aktuelle und verwertbare Informationen zur Verfügung stellen, "die ihre Ermittlungen vorantreiben, interessante Themen kennzeichnen, Vorgehensweisen offenlegen und weltweit eine stärkere polizeiliche Zusammenarbeit fördern". Dabei sollen auch Fähigkeiten etwa zur Verarbeitung natürlicher Sprache, Gesichts- und Objekterkennung sowie -abgleich und Prozessautomatisierung verwendet werden, "um die ständig wachsenden Mengen und Arten von Daten zu bewältigen, die bei heutigen Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden anfallen".

Laut dem Verein zur Stärkung der Zusammenarbeit nationaler Polizeibehörden handelt es sich bei Insight um ein "groß angelegtes, komplexes" Vorhaben mit mehreren Phasen. In der ersten Phase sollte eine "minimal funktionsfähige Plattform" bereits 2021 starten und interne Daten von Interpol besser auswerten, etwa durch Objektidentifizierung, Übersetzung sowie Netzwerk- und Standortanalysen. 2018 verfügte die Organisation über 91 Millionen Datensätze, Ende 2022 waren es bereits 125 Millionen – ein Anstieg von über 37 Prozent. Allein über das 80-Millionen-Euro-Projekt I-Core zur Digitalisierung von Polizeiakten dürften in den nächsten Jahren noch viel mehr Daten dazukommen.

In der zweiten, bis 2023 laufenden Phase soll die Plattform mit "zusätzlichen Datenquellen und -typen" angefüttert werden. Auf der abschließenden, von 2024 bis 2026 angesetzten dritten Stufe ist vorgesehen, dass das System alle internen sowie externen Quellen inklusive kommerzieller Datenbanken einschließen und auswerten kann. Im Oktober 2022 berichtete Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock auf der Vollversammlung der Organisation in Indien, dass Insight inzwischen genutzt werden könne, um "die operativen Maßnahmen unserer Behörden zu unterstützen". Entscheidend seien innovative Ansätze wie neue biometrische Abgleichfunktionen, eine hauseigene Messaging-App und die Nutzung "der Kraft der Künstlichen Intelligenz".

Die Entwicklung der Plattform wird laut der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch unter anderem vom Büro zur Terrorismusbekämpfung des US-Außenministeriums mit 12,5 Millionen US-Dollar finanziert. Nach Angaben der US-Regierung stammen weitere 2,1 Millionen US-Dollar aus unspezifizierten "nicht-bundesstaatlichen Mitteln". In einem Video erklärte Interpol 2020, dass das Geld aus den USA nur für Phase 1 reiche. Beobachter schätzen, dass für Fortschritte noch einmal mehrere zehn Millionen US-Dollar nötig sind. Forscher und zivilgesellschaftliche Initiativen wie Statewatch rügten schon mehrfach, dass Interpol den Missbrauch seines Alarmsystems und anderer Fahndungsdatenbanken durch Staaten, die Dissidenten im Ausland verfolgen, nicht verhindert habe. Insight dürfte solche Kritik noch verstärken. Das EU-Parlament drängt parallel darauf, mit der geplanten KI-Verordnung ein Verbot von "Predictive Policing" zu verankern.

(tiw)