Streaming clipweise: Illegale Filme und Serien in voller Länge auf TikTok

Auf TikTok werden komplette Filme und Serien als Raubkopien gepostet – aufgeteilt in kurze Clips. Einfach zu finden sind sie nicht, aber der Algorithmus hilft.

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(Bild: Primakov/Shutterstock.com)

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Die aktuelle Filmkomödie "Barbie", die diesen Sommer in den Kinos lief und seit Kurzem als vorgezogene Premiere digital erhältlich ist, hat nun auch die erste Streamingplattform erreicht – TikTok, illegal, berichtet das Wall Street Journal (WSJ). Die kompletten Serien und Filme, die in "mundgerechten" zwei bis drei Minuten-Clips auf dem Kurzvideo-Dienst veröffentlicht werden, seien allerdings nicht auf Anhieb zu finden, da die Beiträge den Titel nicht enthielten. Habe man allerdings einen Film- oder Serien-Clip gefunden, helfe der TikTok-Algorithmus und erledige den Rest.

Es gebe lediglich kryptische Bezeichnungen für die Videos, die von den jeweiligen Kanalbetreibern etwa mit "Part 8" betitelt würden. Habe man allerdings einen ersten Teil des Films oder der Serie und weitere zugehörige Clips angesehen, erledige der Algorithmus der Videoplattform den Rest und zeige weitere Teile der entsprechenden urheberrechtlich geschützten Werke an. Oft reicht anschließend – wenn man auf einem Kanal ist – ein "Runterswipen", um zum nächsten Teil zu gelangen und die einzelnen Teile des Films oder der Serie in chronologischer Reihenfolge zu sehen. In einem kurzen Test konnte das Vorgehen in der Redaktion mit einigen Clips nachgestellt werden.

Der TikTok-Algorithmus kann aber auch auf andere Weise behilflich sein. Interessiere man sich für einen bestimmten Film oder eine Serie und sucht danach, können Ausschnitte des kompletten Werks mit den nichtssagenden Titeln laut dem WSJ auf der eigenen "For You"-Seite erscheinen. Nutzer würden so mit dem Wischfinger auf die illegalen Inhalte gestoßen. Videos, die bei TikTok erstellt werden, können dem Unternehmen zufolge bis zu 60 Sekunden lang sein, hochgeladene Videos können bis zu 10 Minuten lang sein. Die illegalen Kopien seien allerdings häufig auf drei Minuten begrenzt.

Die Filmtitel erscheinen Rechtsexperten zufolge nicht in den Beiträgen, da diese gegen das Urheberrecht und geistige Eigentum der Film- und Fernsehstudios verstoßen. Die Konteninhaber – mit Hunderttausenden Followern, Kommentaren und Likes – würden diese Videos auch nicht monetarisieren, da sie weder Werbung noch gesponserte Beiträge enthielten. Vereinzelt würden die Studios selbst mit der Veröffentlichung ganzer Filme oder Serien experimentieren, das sei jedoch die Ausnahme. "Als Mittel zur Verbreitung von Videos ist TikTok zu mächtig geworden, um es zu ignorieren."

Hollywood-Anwälte beschreiben die Überwachung der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte in den sozialen Medien als "kein leichtes Unterfangen". Ferner könnten die "unseriösen Beiträge" den Studios zugutekommen, da deren Inhalte auf diese Weise ein neues Publikum erreichen. Über die illegale Verbreitung und die damit verbundenen Vorteile für die Rechteinhaber wird mindestens schon seit Napster diskutiert. Entsprechend gehe die branchenweite Motion Picture Association (MPA) und die Alliance for Creativity and Entertainment zwar gegen die Piraterie auf globaler, kommerzieller Ebene vor, nicht aber gegen Clips auf "Titel-für-Titel-Basis", sagt Jan van Voorn, Leiter des Bereichs Global Content Protection bei der MPA.

Die Unterhaltungsunternehmen könnten sich laut Anupam Chander, Professor für Recht und Technologie am Georgetown Law, nicht über online gestellte Clips beschweren, weil TikTok die Popularität eines bestimmten Films oder einer Fernsehsendung steigern könnte. Und fügte hinzu: "Es kann für die Inhaber der Urheberrechte nützlich sein, zu sehen, dass ihr Werk einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird, um das Interesse an diesem Werk für spätere Verkäufe zu steigern."

Der 1998 verabschiedete Digital Millennium Copyright Act schützt Internetunternehmen vor Strafen, wenn ihre Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material auf deren Plattformen einstellen. Damit bleibt es den Urhebern überlassen, die Plattformen zu überwachen und Ansprüche anzumelden, wenn sie ihre Werke dort entdecken. "Solange die Plattform zügig handelt, um geschütztes Material zu entfernen, sobald sie benachrichtigt wird", sagt Aaron Moss, Anwalt für Urheberrecht bei Greenberg Glusker in Los Angeles, "ist die Plattform geschützt". TikTok biete eigenen Angaben zufolge bei der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte den Rechteinhabern eine Meldemöglichkeit.

(bme)