Verbraucherklage will Fusion von T-Mobile USA und Sprint rückgängig machen​

Verbraucher verklagen T-Mobile US, weil deren Fusion mit Sprint höhere Marktpreise ausgelöst habe. T-Mobile scheitert dabei, die Klage im Keim zu ersticken.​

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Rosa beleuchtetes Bürogebäude mit Aufschrift T-Mobile

Ein Gebäude der Firmenzentrale der T-Mobile USA in Bellevue, Washington

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Inhaltsverzeichnis

Im April 2020 haben die Mobilfunk-Netzbetreiber T-Mobile USA und Sprint fusioniert. Der dadurch verringerte Wettbewerb soll die verbliebenen großen Konkurrenten Verizon und AT&T dazu veranlasst haben, ihre Preise höher anzusetzen, als sie ohne die Fusion gewesen wären. Diesen Vorwurf erheben sieben Kunden von AT&T beziehungsweise Verizon in einer Klage gegen die Deutsche Telekom, deren Tochter T-Mobile USA sowie den vormaligen Sprint-Mehrheitseigentümer Softbank. Laut Klage war der Zusammenschluss kartellrechtlich unzulässig. Die Kläger fordern, dass T-Mobile gespaltet wird, damit es wieder vier große Mobilfunk-Netzbetreiber und mehr Mobilfunk-Wettbewerb in den USA gibt.

Außerdem soll T-Mobile den bislang geschädigten Verbrauchern Schadenersatz leisten. Dazu haben die Kläger die Zulassung als Sammelklage beantragt. Nebenbei begehren sie ein Geschworenenverfahren. Softbank und T-Mobile USA haben versucht, es gar nicht erst zu einem ordentlichen Verfahren kommen zu lassen. T-Mobile, mehrheitlich eine Tochter der Deutschen Telekom, hat damit aber keinen Erfolg.

Das Bundesbezirksgericht in Illinois, bei dem die Klage anhängig ist (Dale et al v Deutsche Telekom et al, Az.1: 22-cv-0318), hat sich nur bezüglich Softbank für unzuständig erklärt. Der beklagte Teil des japanischen Konzerns hat kaum Verbindungen nach Illinois. T-Mobile USA hingegen kann sich so leicht nicht aus der Verantwortung stehlen, ist es doch zweifelsohne in Illinois auf dem Markt.

Das Unternehmen versuchte daher, den privaten Klägern das Recht auf Prozessführung unter Berufung auf US-Kartellrecht abzustreiten. Tatsächlich führen in aller Regel Behörden wettbewerbsrechtliche Prozesse gegen Zusammenschlüsse von Unternehmen, nicht Privatpersonen. Allerdings sieht das einschlägige US-Gesetz ausdrücklich vor, dass jeder Geschädigte Klage führen darf, sofern es keine besseren Kläger gibt. T-Mobile argumentierte daher, dass – soweit die noch nicht erwiesenen Vorwürfe bezüglich durch die Fusion verursachter höherer Preise zutreffen – wohl die eigenen Kunden die unmittelbar Geschädigten seien und T-Mobile deshalb von Kunden anderer Netzbetreiber nicht verklagt werden könne. Dem schließt sich das Gericht nicht an: Alle Mobilfunkkunden in den USA wären durch ein höheres Preisniveau im Markt ähnlich geschädigt.

Außerdem bestritt T-Mobile die notwendige Kausalität: T-Mobile sei für etwaige Preissteigerungen seitens AT&T und Verizon nicht verantwortlich. Doch dieses Argument ist schon in früheren US-Kartellrechtsprozessen verworfen worden. Der Zusammenschluss hat die Zahl der großen Wettbewerber von vier auf drei reduziert, womit vorhersehbar war, dass das zu Preiserhöhungen der verbliebenen Anbieter führen kann. Laut Rechtsprechung verschaffen in so einer Konstellation auch (behauptete) Preisänderungen Dritter die Klagelegitimation.

Ebenso flachgefallen ist T-Mobiles Argument, die behaupteten Schäden durch höhere Preise seien rein spekulativ. Tatsächlich seien der Umstieg von 4G zu 5G, die Inflation und die Coronavirus-Pandemie Gründe für Preiserhöhungen, nicht die Fusion, meint der Netzbetreiber. Das Gericht gesteht zwar zu, dass die Berechnung etwaigen Schadenersatzes komplex wäre, doch erkennt im grundsätzlichen Vorbringen der Kläger mehr als Spekulation.

Schließlich lehnt das Gericht auch die Behauptung T-Mobiles ab, die Klage sei zu spät eingebracht worden. Der Zeitraum sei nämlich nicht, wie von T-Mobile gewünscht, von der ersten Ankündigung der Fusionspläne zu berechnen, sondern vom Zeitpunkt der tatsächlichen Fusion. Einem Antrag auf Verlegung des Verfahrens zu einem anderen Bundesbezirksgericht ist der Richter in Illinois ebenfalls nicht nähergetreten.

Sein Beschluss ebnet den Weg für Vorbereitungen auf das Hauptverfahren sowie die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung als Sammelklage für alle gleichermaßen Geschädigten. Im Hauptverfahren ist zu klären, ob und warum die Kosten für Verbraucher gestiegen sind. Bis zu einer Entscheidung könnten Jahre vergehen.

US-Behörden haben sich bereits mehrfach mit dieser großen Fusion befasst. Die damals republikanisch dominierte Telecom-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) genehmigte den Zusammenschluss mit Sprint, weil T-Mobile sich dazu verpflichtete, bestehende Tarife für drei Jahre nicht anzuheben, in ihr 5G-Netz zu investieren sowie die Sprint-Abteilung "Boost" samt deren im Voraus zahlenden Kunden (prepaid) zu verkaufen.

Das US-Justizministerium war damit nicht zufrieden und erhob Klage (United States v Deutsche Telekom, Bundesbezirksgericht für DC, Az. 19-2232). Diese mündete in einen Vergleich: Boost wurde an Dish verkauft, das zudem für sieben Jahre T-Mobiles Netz nutzen darf. Zudem führten 13 US-Staaten und der Hauptstadtbezirk District of Columbia separat Klage (NY et al v Deutsche Telekom, Bundesbezirksgericht für das südliche New York, Az. 1:19-cv-5434). Diese führte zu einem weiteren Vergleich: T-Mobile verpflichtete sich, seine Tarife nicht bloß drei, sondern fünf Jahre lang nicht anzuheben. Eine Privatperson, die ebenfalls geklagt hatte, gab auf, als das Gericht ihren Antrag auf Stopp der Fusion per einstweiliger Verfügung ablehnte (Bradt v T-Mobile US, Bundesbezirksgericht für das nördliche Kalifornien, Az. 19-cv-07752).

T-Mobile wird im Hauptverfahren natürlich auf diese früheren Verfahren verweisen und versuchen, dort getroffene Entscheidungen ins Treffen zu führen. Grundsätzlich verhindern können die früheren Verfahren den neuen Prozess aber nicht; auch diese Konstellation ist schon in anderen kartellrechtlichen Verfahren erörtert worden.

Die neuen Kläger werfen T-Mobile USA übrigens vor, trotz der eingegangenen Verpflichtungen die Kosten für ihre Kunden erhöht zu haben. Zwar blieben die Kerntarife im Kern unverändert, doch verlange T-Mobile nun Zusatzgebühren und treibe Steuern und Abgaben ein, die zuvor in den Preisen inbegriffen gewesen seien. Ursprünglich inbegriffene Leistungen Dritter habe der Netzbetreiber reduziert oder gar eingestellt, während er parallel Preise für Zubehör, Endgeräte und deren Versicherung angehoben habe. In Summe seien die Kosten für Verbraucher trotz gegenteiliger Zusicherungen T-Mobiles gestiegen.

Bezüglich AT&T und Verizon verweisen die Kläger auf eine Untersuchung der Bundesbehörde BLS (Bureau of Labor Statistics). Deren Daten zeigen, dass die beiden großen Netzbetreiber nur wenige Monate nach der Fusion T-Mobiles mit Sprint die Tarife sprunghaft angehoben haben. Außerdem hätten sie seither deutlich weniger aggressiv auf Angebotsänderungen bei T-Mobile reagiert, Filialen geschlossen und schließlich 2022 erneut die Preise erhöht.

(ds)