Vor 20 Jahren: Ein verliebter Wurm umrundet die Welt

Vor 20 Jahren breitete sich der "I Love You"-Wurm rasant aus. Nach vorsichtigen Schätzungen befiel er innerhalb von 24 Stunden 45 Millionen Rechner.

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Vor 20 Jahren: Ein verliebter Wurm umrundet die Welt

(Bild: oatawa/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Heute vor 20 Jahren verbreitete sich der einer E-Mail angehängte Wurm LOVE-LETTER-FOR-YOU.TXT.vbs mit rasanter Geschwindigkeit über das Internet. Auf seinem Weg von Ost nach West infizierte er Millionen von Windows-Rechnern und sorgte für einen geschätzten Schaden von 5,5 Milliarden Dollar.

Am 4. Mai 2000 wurde eine E-Mail mit dem schlichten Betreff ILOVEYOU von Manila nach Singapur geschickt. Auch der Text der Mail war schlicht gehalten: "kindly check the attached LOVELETTER from me". Wer unter Windows den angehängten Brief öffnete, startete ein Skript, das die Liebeserklärung im Namen des ahnungslosen Opfers an alle aufgeführten Adressen im Outlook-Adressbuch schickte und in allen lokalen und vernetzten Laufwerken zahlreiche Dateitypen mit sich selbst überschrieb.

(Bild: Sophos)

Nach vorsichtigen Schätzungen befiel der Wurm innerhalb von 24 Stunden 45 Millionen Rechner: Alle Welt wollte Liebe. Zu den Opfern der Liebesattacke zählten große Firmen wie Ford und Merill Lynch, aber auch das britische Parlament und die niedersächsische Landesregierung. In den USA koppelten sich CIA, FBI und das Pentagon nach eiligen Warnungen vom Internet ab.

Da das Skript mit einem Editor geöffnet und geändert werden konnte, liefen bald Dutzende von Varianten um die Welt, doch keine war so erfolgreich wie der Loveletter, vor dem heise online am 4. Mai um 12:28 warnte und um 15:57 Gegenmaßnahmen vorstellte. Einer der ersten Kommentatoren schrieb: "Der das gemacht hat bekommt richtig Ärger und kann unter www.cia.gov schon mal sein Photo auf die Ten Most Wanted setzen ;-)"

"Der das gemacht hat", wurde relativ schnell enttarnt und am 11. Mai der Weltöffentlichkeit präsentiert, doch erst im Jahre 2019 konnte der Journalist Geoff White den Philippino Onel de Guzman ausfindig machen und ihm ein Geständnis entlocken.

Unmittelbar nach der Tat hatte de Guzman, beraten von seinem Rechtsanwalt, nur zugegeben, dass er "möglicherweise" den Wurm veröffentlicht haben könnte. Das reichte nicht aus, um ihn zu verhaften und zu verurteilen, da die Philippinen damals keine Gesetze gegen Computermissbrauch und -betrug besaßen.

White, der den "Mann hinter der ersten großen Computer-Pandemie" (so der Titel im Jahr 2020) gesucht hatte, erfuhr von de Guzman, dass dieser zunächst nur ein einfaches Programm geschrieben hatte, das die Passwörter und die Nutzerkennung für den Internet-Zugang von fremden Computern stehlen sollte. Vor 20 Jahren war de Guzman Student und konnte sich die teuren Internet-Anwählverbindungen kaum leisten. Als Student des AMA Computer-Colleges versuchte er, aus dieser Idee einen Vorschlag für seine Abschlussarbeit zu entwickeln. Sein Betreuer schrieb eine Notiz auf den Vorschlag und lehnte ihn rundweg ab: "Wir erziehen keine Einbrecher. Das ist illegal".

De Guzman arbeitete trotzdem weiter und verbesserte das Skript. "Ich dachte, dass viele Leute einen Freund suchen, dass sie einen Partner füreinander wünschen, dass sie sich Liebe wünschen, deshalb habe ich es so genannt", erzählte der heute 44-jährige de Guzman dem Journalisten.

Der Name der Mail und die Tatsache, dass scheinbar Bekannte unverhofft in Liebe zueinander entbrannten, sorgten für die enorme Verbreitung und den sich anschließenden Medienrummel rund um den Wurm. Als das mak.Frankfurt im Jahre 2002 die erste Ausstellung über "Computer, Viren und Hackerkultur" eröffnet wurde, trug sie selbstredend den Titel I love you.

Der schlichte Betreff, der kurze Satz und die Tatsache, dass Windows scheinbar eine harmlose txt-Datei als Anhang ausführte, sorgten also für den durchschlagenden Erfolg des Wurmes. Dabei war seit dem ersten Auftritt von VBS/Rabbit im Jahre 1998 und VBS/BubbleBoy im Jahre 1999 das Problem der Skript-Viren durchaus bekannt. Der Wurm BubbleBoy konnte Rechner sogar infizieren und sich dann über Outlook weiter verbreiten, ganz ohne einen Liebesbrief im Anhang. Da war "kindly check the attached LOVELETTER from me" doch irgendwie romantischer.

(kbe)