Warnung vor Big-Brother-Olympiade verhallt im französischen Parlament

Ein umstrittenes System für die "intelligente" Videoüberwachung der Sommerspiele 2024 in Paris hat in der Nationalversammlung eine wichtige Hürde genommen.

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(Bild: Scharfsinn/Shutterstock.com)

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Der Rechtsausschuss des französischen Parlaments hat am Mittwoch im Kern einen Gesetzentwurf der Regierung gebilligt, der einen breiten Einsatz von Kameras zur "intelligenten" Videoüberwachung in Echtzeit während der Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris vorsieht. Dies gilt als richtungsweisend für die Initiative, die damit voraussichtlich am 21. März im Plenum der Nationalversammlung final beschlossen wird. Der Senat hat bereits zugestimmt. Entgegen der ursprünglichen Vorlage soll das Überwachungsprogramm bis zum 24. Dezember 2024 laufen statt bis Juni 2025.

Vor der Abstimmung der Rechtspolitiker waren 37 zivilgesellschaftliche Organisationen wie European Digital Rights (EDRi), La Quadrature du Net, Amnesty International, AlgorithmWatch, ein luxemburgischer Ableger des Chaos Computer Clubs, Digitalcourage und Privacy International in einem Brandbrief noch Sturm gelaufen gegen das Vorhaben. Dieses ebnet ihnen zufolge "den Weg für den Einsatz von invasiver, Algorithmen-gesteuerter Videoüberwachung unter dem Vorwand, Großveranstaltungen zu sichern". Mit dem Gesetz würde Frankreich der erste EU-Mitgliedstaat, "der solche Praktiken ausdrücklich legalisiert".

Die Unterzeichner schlugen Alarm, "dass die vorgeschlagenen Überwachungsmaßnahmen gegen internationale Menschenrechtsvorschriften verstoßen". Sie verletzten die Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit und stellten "inakzeptable Risiken für Grundrechte wie das Recht auf Privatsphäre, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Nichtdiskriminierung dar". In Artikel 7 des Entwurfs werde behauptet, dass algorithmische Kamerasysteme keine biometrischen Daten verarbeiteten. Dies sei falsch: Um bestimmte verdächtige Ereignisse in öffentlichen Räumen zu erkennen, müssten sie zwangsläufig physiologische Merkmale und Verhaltensweisen von Personen wie Körperhaltung, Gang, Bewegungen, Gesten oder Aussehen erfassen und auswerten.

Die Bürgerrechtler befürchten so, dass die Initiative den Weg für eine biometrische Massenüberwachung ebnet. Nur selten würden einmal eingeführte "außergewöhnlichen" Maßnahmen tatsächlich wieder zurückgenommen. Stattdessen erschiene die Überwachung als neue Normalität – oft ohne angemessene Schutzmaßnahmen, Transparenz, Einbeziehung der Betroffenen und Mechanismen der Rechenschaftspflicht. Die Volksvertreter sollten Artikel 7 daher ablehnen und das Thema für weitere Diskussionen mit der Zivilgesellschaft öffnen.

Mit dem Ansatz will die Regierung es den Sicherheitsbehörden ermöglichen, "verdächtiges Verhalten", unbeaufsichtigtes Gepäcks und große Menschenansammlungen alarmierenden Ausmaßes zu erkennen. Mehrere Abgeordnete und Fraktionen drängten darauf, auch Live-Gesichtserkennung zuzulassen. Sie fanden damit aber genauso wenig eine Mehrheit wie rund 90 Parlamentarier aus dem linken Spektrum, die sich gegen Artikel 7 aussprachen. Der Rechtsausschuss stimmte aber etwa dafür, die Öffentlichkeit besser über die Standorte der Kameras zu informieren und neben der Datenschutzbehörde CNIL auch die Cybersicherheitsagentur ANSSI einzubeziehen. Ferner hat das Gremium den Fundus an Bildern und Daten erweitert, mit denen Algorithmen im Vorfeld der Wettbewerbe trainiert werden können.

(mho)