Weltraumpaket: EU-Kommission legt Plan für "souveränes" Satelliten-Internet vor

In zwei Initiativen will die EU-Kommission mit einer Megakonstellation schnelles Breitband in Europa gewährleisten und das Problem des Weltraummülls angehen.

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(Bild: sdecoret / Shutterstock.com)

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Die EU soll bis 2028 eine Megakonstellation für ein eigenes Satelliten-Internet im All aufbauen. Dies sieht der Entwurf einer Verordnung "über eine weltraumgestützte sichere Konnektivität" vor, den die EU-Kommission am Dienstag vorgelegt hat. Entstehen soll demnach ein autonomes weltraumgestütztes System, um "widerstandsfähige Satellitenkommunikationsdienste" entwickeln und gewährleisten zu können. Zweiter Teil des "Weltraumpakets" ist ein Vorschlag für ein sicheres "Verkehrsmanagement" im All.

Die europäische Satellitenkonstellation für Breitband-Internet ist schon seit über einem Jahr ein Steckenpferd von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Technisch gesehen stellt sich Breton vor, dass das Projekt erdnahe Umlaufbahnen mit einer Höhe bis zu 2000 Kilometer mit anderen kombiniert bis hin zu Satelliten im geostationären Orbit (35.786 Kilometer Höhe). Es soll bestehende Infrastrukturen ergänzen, also etwa das Signal der GPS-Alternative Galileo verbessern oder beim Netzwerk Copernicus Datenrelais-Kapazitäten für Echtzeit-Missionen zur Verfügung stellen. Vorgesehen sind auch Sensoren im All, um die Weltraumüberwachung zu verbessern.

Ziel des "ehrgeizigen" Vorhabens ist so ein "multiorbitales, hochmodernes weltraumgestütztes" Verbindungs- und Kommunikationssystem. Es soll "kontinuierlich an die Entwicklung der Nachfrage nach staatlicher Satellitenkommunikation unter Berücksichtigung der bestehenden und künftigen Ressourcen der Mitgliedstaaten angepasst" werden. Zur Zahl der Erdtrabanten, die ins All geschossen werden sollen, sowie zu potenziell erreichbaren Download- und Upload-Geschwindigkeiten macht die EU-Kommission noch keine Angaben.

Die vorgesehene Konstellation soll "die Verfügbarkeit von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen in ganz Europa" garantieren, Lücken in der Kommunikationsabdeckung in Form "weißer Flecken" schließen und den Zusammenhalt zwischen den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten sicherstellen. Der Kommission schwebt auch vor, die gebotene Konnektivität auf geografische Gebiete "von strategischem Interesse" wie Afrika und Arktis auszuweiten.

Staatlichen Nutzern in der allgemeinen Verwaltung, beim Militär oder in Strafverfolgungsbehörden sollen sicher gehen können, dass weltweit zuverlässige, sichere und kosteneffizienter Satellitenkommunikationsdienste verfügbar sind. Die Services werden dem Plan nach etwa den Schutz kritischer Infrastrukturen, das auswärtige Handeln und das Krisenmanagement unterstützen, "wodurch auch die Widerstandsfähigkeit der Mitgliedstaaten erhöht wird".

Ein weiterer Aspekt ist, dass das System beim Eindämmen von Cyberbedrohungen helfen und zur "operativen" Internetsicherheit beitragen soll. Vorgesehen ist etwa, die Weltrauminfrastruktur der europäischen Quantenkommunikationsinfrastruktur (EuroQCI) zu integrieren, um auch künftig eine sichere Übertragung kryptografischer Schlüssel zu ermöglichen.

Die Gesamtkosten schätzt die EU-Kommission auf 6 Milliarden Euro. Der von der EU zum Programm im Zeitraum zwischen 2022 und 2027 zu leistende Beitrag belaufe sich auf 2,4 Milliarden Euro. Die Mittel sollen aus verschiedenen Quellen des öffentlichen Sektors wie dem EU-Haushalt, den Zahlungen der Mitgliedstaaten und Beiträgen der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) kommen. Für die restlichen rund 3,6 Milliarden Euro hofft die Kommission auf "Investitionen des Privatsektors".

Dem gegenüber stünden eine voraussichtlich generierte Bruttowertschöpfung zwischen 17 Milliarden und 24 Milliarden Euro sowie zusätzliche Arbeitsplätze in der EU-Weltraumindustrie und bei "New Space"-Akteuren, rechnet die Kommission vor. Weitere positive "Spillover-Effekte" auf die Wirtschaft entstünden durch die nachgelagerten Sektoren, die innovative Internetdienste nutzen. Zudem profitierten die Bürger von den technologischen Vorteilen und der Zuverlässigkeit solcher Dienste.

Beim Zeitplan ist ein schrittweises Vorgehen einkalkuliert. Die erste Aufbauphase könnte demnach 2023 anlaufen. Erste Dienste sollen bis 2025 laufen, parallel in der Umlaufbahn die Quantenkryptografie erprobt werden (In-Orbit-Testing). Die Phase der vollständigen Verfügbarkeit mit integrierter Quantenverschlüsselung einschließlich des Angebots des kompletten Dienstspektrums wird planmäßig bis 2028 erreicht.

Als bevorzugtes Betriebsmodell stellt sich die Kommission öffentlich-private Partnerschaft vor. Der direkte Einbezug der Privatwirtschaft schaffe unter anderem ein günstiges Umfeld für den weiteren Ausbau schneller Breitbandnetze und nahtloser Konnektivität in der EU.

Nicht entgangen ist der Kommission, dass der Markt für kommerzielle Satellitenkommunikationsdienste "bereits gut etabliert ist". Elon Musks Raumfahrtfirma SpaceX will mit den schon längst angelaufenen öffentlichen Tests für ein vergleichbares Großprojekt mit tausenden Satelliten Geschwindigkeiten bis 500 MBit/s anbieten. Zu den Konkurrenten zählen etwa OneWeb und Amazon mit Kuiper. Die Kommission will daher "ein besonderes Augenmerk" darauf richten, kommerzielle Investitionen nicht zu verdrängen.

Angesichts eines exponentiellen Anstiegs der Zahl der Satelliten in der Umlaufbahn, der auf neue Entwicklungen bei wiederverwendbaren Trägerraketen, kleine CubeSats und private Initiativen im Weltraum zurückgehe, sieht die EU zugleich die Widerstandsfähigkeit und Sicherheit ihrer Weltraumressourcen ernsthaft gefährdet. Es sei entscheidend, auch eine nachhaltige Weltraumumgebung zu gewährleisten.

Die Kommission hat daher mit dem Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, in einer Mitteilung einen Ansatz der EU für das Weltraumverkehrsmanagement dargelegt. Demnach sollen konkrete Initiativen inklusive konkreter Einsätze und Rechtsvorschriften entwickelt werden, um etwa dem Problem des zunehmenden Weltraumschrotts Herr zu werden. So soll die technologische Fähigkeit der EU gestärkt werden, Raumfahrzeuge und Müll im All zu identifizieren und zu verfolgen. Die Beseitigung ist im Rahmen internationaler Partnerschaften vorgesehen.

(axk)