Weltraumteleskop James Webb: Früheste Galaxien stellen die Forschung vor Rätsel

Unter den besonders frühen Galaxien, die das Weltraumteleskop direkt nach der Inbetriebnahme entdeckt hat, sind zwei unerwartet helle.

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Die beiden jetzt vorgestellten Galaxien

(Bild: NASA, ESA, CSA, Tommaso Treu (UCLA); Bildbearbeitung: Zolt G. Levay (STScI))

Lesezeit: 4 Min.

Schon kurz nach seiner Inbetriebnahme hat das Weltraumteleskop James Webb "außergewöhnlich helle" Galaxien aus der Frühzeit des Universums gefunden, die die Forschungsgemeinde vor Rätsel stellt. Das berichtet das für die wissenschaftliche Arbeit des Instruments zuständige Space Telescope Institute jetzt unter Berufung auf zwei geprüfte Forschungsarbeiten.

Die Helligkeit und Form der Galaxien in ihrem Zustand 350 beziehungsweise 450 Millionen Jahre nach dem Urknall deute darauf hin, dass die ersten Sterne bereits 100 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sind, schreibt das Forschungsteam. Das "dunkle Zeitalter" wäre dann viel kürzer gewesen als angenommen.

Dass das Weltraumteleskop James Webb schon direkt, nachdem es die Arbeit aufgenommen hat, besonders viele besonders weit entfernte Galaxien entdeckt, war bekannt. An den angeblichen Funden hat es aber auch Zweifel gegeben, die jetzt vorgestellten Entdeckungen haben aber ihre Peer-Review überstanden. Es handelt sich um Objekte mit den Bezeichnungen GLASS-z12 und GLASS-z10, also Galaxien mit Rotverschiebungen von z = 12,5 und z = 10,5. Erstere ist damit die am weitesten entfernte bekannte Galaxie, die wir bislang gefunden haben. Noch müssten die Distanzen aber final bestätigt werden. Beide würden extrem schnell Gas in Sterne umformen, erklärt das Forschungsteam. Sie seien kugel- oder scheibenförmig und kommen nur auf wenige Prozent der Größe unserer Milchstraße.

Die "ruhigen, geordneten Scheiben" der gefundenen Galaxien würden unser Verständnis davon in Frage stellen, wie sich die ersten Galaxien im "überfüllten, chaotischen frühen Universum" gebildet haben, meint Erica Nelson, die an der Studie beteiligt war. Außerdem sei man auf Basis aller Berechnungen auch davon ausgegangen, dass man viel länger nach derart frühen Galaxien würde suchen müssen. Für die unerwartet große Helligkeit könnten viele, vergleichsweise massearme Sterne verantwortlich sein. Möglich sei aber auch, dass es dort viele besonders helle Sterne der sogenannten Population III gibt, der allerersten Generation von Sternen überhaupt. Die wurden bislang noch nie direkt beobachtet. Erste Daten würden darauf hindeuten, aber erst genauere Analysen könnten den Beweis liefern.

Noch beruhten die Angaben zur Distanz der beiden Galaxien auf einer Vermessung der Infrarotstrahlung. Für eine unabhängige Bestätigung müssten Spektren ermittelt und die tatsächliche Rotverschiebung gemessen werden, schreibt das Team. Licht wird auf dem Weg zu uns durch die Ausdehnung des Raums selbst ins Rote und schließlich Infrarote verschoben, weswegen der Wert auch ein Maß für das Alter eines kosmischen Objekts ist. Trotzdem seien die Funde bereits faszinierend, damit werde ein ganz neues Kapitel der Astronomie aufgeschlagen, meint die Astronomin Paola Santini: "Es ist wie bei einer archäologischen Ausgrabung, bei der man plötzlich eine verlorene Stadt oder etwas Unbekanntes findet. Es ist einfach atemberaubend." Die kompakten und extrem hellen Galaxien unterschieden sich völlig von der Milchstraße und ihren Nachbarn, ergänzt Forschungsleiter Tommaso Treu.

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Das Weltraumteleskop James Webb wird von den Weltraumagenturen NASA, ESA und CSA betrieben und wurde am 25. Dezember 2021 gestartet. Nachdem es sich in einer komplexen Prozedur selbst entfaltet hat, ist es einen Monat später am Lagrange-Punkt L2 angekommen. Hier blickt es abgewandt von Sonne, Erde und Mond ins All, sodass deren Wärmestrahlung das Infrarotteleskop nicht stört. Ein riesiger Schutzschirm blockt diese ab.

Seitdem es Anfang Juli die wissenschaftliche Arbeit aufgenommen hat, fasziniert die Qualität der Daten nicht nur die Forschungsgemeinde. Die ersten Aufnahmen werden aktuell direkt veröffentlicht. Damit soll die Wissenschaftsgemeinde lernen, das neue Observatorium und seine Instrumente so gut wie möglich einzusetzen. Die Studie zu den beiden extrem frühen Galaxien wird jetzt im Fachmagazin The Astrophysical Journal vorgestellt.

(mho)