Wer ist eine Ratte?

Wer namentlich und mit Bild auf der Website WhosaRat.com geführt wird, steht im Verdacht, als Spitzel, Informant oder verdeckter Ermittler tätig gewesen zu sein. Den Strafverfolgungsbehörden in den USA ist die Website ein Dorn im Auge.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Seit kurzem ist die Website WhosaRat.com nicht mehr erreichbar.

Wer namentlich und mit Bild auf der US-Website WhosaRat.com geführt wird, steht im Verdacht, als Spitzel, Informant oder verdeckter Ermittler tätig gewesen zu sein. Gegen Gebühr können Interessenten konkrete Informationen darüber abrufen, welche Personen in Gerichtsprozessen als Kronzeugen der Anklage aufgetreten sind und wer sich durch mit den Behörden abgesprochene Aussagen einen Vorteil bei der Strafzumessung verschafft hat. Eigenen Angaben zufolge listet WhosaRat.com landesweit rund 4300 Informanten und 400 verdeckte Ermittler auf, die in den vergangenen Jahren bei Strafprozessen gegen andere Personen ausgesagt haben. Die Informationen stammen größtenteils aus elektronischen Gerichtsdokumenten, die im Rahmen der Digitalisierung der US-Justiz ins Netz gestellt wurden.

Das US-Justizministerium hat die Gerichte im Land jetzt aufgefordert, den Zugang zu elektronischen Gerichtsunterlagen dahingehend zu beschränken, dass künftig keine Informationen mehr zu Straferlässen im Zusammenhang mit einer Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden abrufbar sind. "Wir haben festgestellt, dass sich im Internet eine Schattenwirtschaft etabliert hat, deren Ziel es ist, Zeugen einzuschüchtern und zu drangsalieren", heißt es in einem Schreiben des Justizministeriums an die Judicial Conference of the United States, aus dem die New York Times (NYT) zitiert. Die Veröffentlichung sensitiver Details über einzelne Personen und deren Aussagen bedeute eine ernste Bedrohung für kooperierende Zeugen und Angeklagte. Richter wie der Vorsitzende der Judicial Conference, John R. Tunheim, sehen ein systematisches Zurückhalten von Informationen über Absprachen zwischen Anklage und einzelnen Angeklagten in elektronisch zugänglichen Gerichtsakten aber kritisch. Dies sollte nur in Einzelfällen zulässig sein.

Ins Leben gerufen hat die Website Sean Bucci, der den Angaben zufolge vor drei Jahren in Boston auf Grundlage von Informantenaussagen wegen Marihuana-Besitzes angeklagt wurde. Was zunächst als Privatprojekt ohne finanzielles Interesse startete, hat sich inzwischen offenbar zu einem einträglichen Geschäft entwickelt: WhosaRat.com wirbt damit, die "größte Datensammlung zu Informanten und Agenten" zu besitzen; die Preise für das Abrufen von Datensätzen reichen von 8 US-Dollar (eine Woche Zugriff auf die Datenbestände) bis zu 90 US-Dollar (lebenslange Abrufberechtigung). Kunden sind häufig Anwälte, die zusätzliche Informationen über Verfahrensbeteiligte einholen. Moralische Bedenken haben die Datenbank-Betreiber nicht. "Jeder muss selbst wissen, wie er sein Leben bestreitet", erklärt ein Sprecher von WhosaRat.com. "Und niemand mag 'Singvögel'." (pmz)