Wie die Abo-Videostreamingdienste profitabel werden wollen
Disney+, Netflix & Co. können sich ihre bisherigen Strategien nicht mehr leisten. Für die Kunden bedeutet das künftig: weniger Titel und wohl höhere Preise.
- Nico Jurran
Auf dem Höhepunkt des Videostreaming-Hypes ballerten die Dienste neue Inhalte nur so raus und berauschten sich an steil steigenden Abozahlen. Mittlerweile herrscht jedoch die sprichwörtliche Katerstimmung: Niemand weiß mehr, wie die Situation so eskalieren konnte und wo das Geld geblieben ist. Die hämmernden Kopfschmerzen zeugen jedoch davon, wie sehr man es übertrieben hat. Nun geht es darum, den Schaden zu begrenzen und einen Zustand zu erreichen, mit dem man weiterleben kann – was bei den Diensten wörtlich zu nehmen ist. Ihr oberstes Ziel ist nun, künftig profitabel zu arbeiten.
Die Auswirkungen dieses Umschwungs bekommen auch die Kunden zu spüren. Wenn der Disney-Chef Bob Iger sagt, er wolle zur traditionellen Filmvermarktung zurückkehren, dann meint er, dass Disney+ neue Kinoproduktionen erst wieder zeigt, wenn sie bei Kinoverwertung, Kauf- und Mietdiensten wie iTunes und physischen Medien Einnahmen generiert haben. Vorbei ist’s mit "heute im Kino, morgen bei Disney+". Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis Disney+ auch in Deutschland ein verbilligtes Abo mit Werbung anbietet. Daran ist an sich nichts auszusetzen, allerdings erhöhte der Dienst in den USA seinerzeit parallel drastisch den Preis für das werbefreie Abo.
Dienste müssen Gürtel enger schnallen
Selbst den Verkauf von Film- und Serienlizenzen an andere Dienste zieht Iger in Betracht. Zwar habe man kein Interesse daran, Produktionen von Marvel, Disney, Pixar oder Star Wars an Dritte zu geben, aber Inhalte von 20th Century Studios (ehemals Fox) oder ABC schloss Iger von der Weitergabe nicht aus. Die Serie "The Rookie" macht es vor: Die vierte Staffel gibt es nur bei Disney+, die vorherigen Episoden auch bei Netflix, Prime Video und Sky. Marvel bleibt Disney-exklusiv, will aber weniger und dafür hochwertige Inhalte produzieren – wohl auch eine Reaktion auf wachsende Kritiken der Fans an schwachen Inhalten und Effekten.
Netflix verschaffte sich mit seinem neuen Standard-Abo mit Werbung etwas Luft. Laut Bloomberg gewann der Dienst in zwei Monaten in den USA hierfür rund 1 Million aktive Nutzer, doch noch fließt zu viel Geld ab. Im Visier stehen vor allem Filme: Nach dem Wegfall der meisten großen Studios als Lieferanten produzierte Netflix im Durchschnitt über 50 Streifen pro Jahr, mehr als jedes andere Unternehmen in Hollywood – wobei drei Gruppen für Indie-, mittelgroße und Big-Budget-Filme unabhängig voneinander entschieden, was umgesetzt wurde. Nun sollen Bereiche zusammengelegt und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Vor allem wird der Ausstoß an Filmen nach US-Berichten reduziert und Serien der Vorzug gegeben, die Zuschauer länger halten.
Kleine Qualitätsoffensive
Immerhin scheint Netflix erkannt zu haben, dass man den deutschen Kunden für 18 Euro pro Monat im Premium-Abo mehr bieten muss als bislang. Seit Jahresbeginn erschienen bei Netflix pro Monat mindestens zwei Filme mit deutschem Dolby-Atmos-Ton.
So weit ist Prime Video noch nicht, der Amazon-Dienst scheint aber zumindest bei seinen Originals-Serien endlich 4K-Auflösung mit Dolby Vision als HDR-Format (neben HDR10 und HDR10+) und englischem Dolby-Atmos-Ton zum Standard zu machen: In 2023 erschienen bereits drei Serien in diesen Formaten.
Ein Buch mit sieben Siegeln bleibt Paramount+: Mitte März veröffentlichte der Dienst zwar endlich seine lange angekündigte TV-App für Smart-TVs von LG. Das Versprechen, Inhalte in 4K/HDR und mit deutschem Mehrkanalton bereitzustellen, löste er bislang aber nicht ein. Eventuell ist das kein Zufall, denn in den USA kündigte Paramount+ eine Preiserhöhung fürs dritte Quartal 2023 an. Sollte der Dienst diese auch für den deutschen Markt planen, könnte eine bessere Bild- und Tonqualität als Argument dienen.
(nij)