Wirecard-Skandal: Insolvenzverwalter bereitet Klage gegen Bilanzprüfer EY vor

Die Wirtschaftsprüfer von EY müssen sich für die abgesegneten Wirecard-Bilanzen rechtfertigen. Nach Anlegern könnte nun auch der Insolvenzverwalter klagen.

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Ehemalige Konzernzentrale von Wirecard in Aschheim.

(Bild: Wirecard)

Lesezeit: 3 Min.

Im Skandal um die Insolvenz des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard bereitet Insolvenzverwalter Michael Jaffé offenbar eine Klage gegen die Wirtschaftsprüfer von EY vor. Jaffé habe spezialisierte Wirtschaftsprüfer beauftragt, die Ergebnisse von EY auf Fehler und mögliche Schadensersatzansprüche abzuklopfen, berichtet das Handelsblatt am Montag. Eine Klage sei in Vorbereitung.

Damit liegen die von EY Deutschland abgesegneten Wirecard-Bilanzen bereits zum zweiten Mal unter dem Mikroskop. Im Auftrag des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Bundestags hat Sonderprüfer Martin Wambach die Testate bereits einmal untersucht – und EY "wesentliche Defizite in der Buchhaltung" attestiert. Auf Betreiben von EY wurde Wambachs Bericht als "geheim" eingestuft, das Handelsblatt hat ihn jetzt veröffentlicht.

EY hatte die Bilanzen des Börsenlieblings Wirecard seit 2009 geprüft. Sollten Jaffés Prüfer nun Fehler finden, hängt von deren Schwere ab, ob und wie weit EY schadensersatzpflichtig ist. Die gesetzliche Haftungsgrenze, die nach dem Skandal von 4 auf 16 Millionen Euro angehoben wurde, greife nur bei fahrlässigen Fehlern, erklärte Sonderprüfer Martin Jonas dem Handelsblatt. "Wenn Prüfer wussten, dass die Bilanz falsch war und sie trotzdem ein Testat erteilen, müssen sie unbegrenzt haften."

Jaffé richtet sich auf einen Rechtsstreit ein. In seinem Sachstandsbericht vom 19. Mai 2021 teilte er laut Handelsblatt mit, dass "die Vorgänge voraussichtlich streitig ausgetragen werden", weil EY "jede Mitwirkung bei der Aufklärung verweigert" und den Zugriff auf benötigte Dokumente erschwert hätten. Jaffé habe EY auf die Herausgabe von Unterlagen verklagt und eine Nichtigkeitsklage gegen die Jahresabschlüsse 2017 und 2018 erhoben, weil diese "erheblich fehlerhaft" seien.

EY Deutschland weist die Vorwürfe "entschieden" zurück und betont, "zur Aufklärung des Falles Wirecard beizutragen" habe "oberste Priorität". Die Prüfer von EY hätten "ihre Prüfungshandlungen nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt". Daran haben nicht nur Vertreter der geschädigten Anleger ihre Zweifel. Der Bericht von Wambach attestiert den Prüfern, "Auffälligkeiten" und "Inkonsistenzen" ignoriert zu haben.

Der Fall Wirecard wird die Gerichte noch eine Weile beschäftigen. Dabei ist noch offen, wie erfolgreich die zahlreichen Klagen gegen EY sind. Bisher hat das Landgericht München die meisten abblitzen lassen. Geschädigte Anleger müssen darlegen, dass die EY-Testate maßgeblich zur Entscheidung beigetragen haben, in Wirecard-Aktien zu investieren, und dass EY-Prüfer vorsätzlich ihre Pflichten verletzt haben.

Parallel läuft seit über einem Jahr die strafrechtliche Aufarbeitung des Wirecard-Skandals. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt unter anderem wegen Betrugs, Bilanzfälschung und Untreue gegen den ehemaligen Wirecard-Chef Markus Braun und weitere Manager des Unternehmens. Die Ermittler gehen davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies. Braun sitz in Untersuchungshaft, seine rechte Hand Jan Marsalek hat sich der Verhaftung durch Flucht entzogen.

Wirecard war im Juni 2020 implodiert, nachdem die Wirtschaftsprüfer von EY keine Hinweise auf 1,9 Milliarden Euro gefunden hatten, die in der Bilanz als Guthaben aus Drittpartnergeschäften geführt wurden. Das Unternehmen musste die Luftbuchungen einräumen und Insolvenz anmelden. Im August 2020 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, seither hat Insolvenzverwalter Joffé verschieden Geschäftsbereiche und Tochterfirmen verkauft.

(vbr)