YouTuber auf der Tincon: "Da lastet viel Verantwortung auf deinen Schultern"

Auf der noch bis Sonntag laufenden "Teenageinternetwork Convention" soll es nicht darum gehen, Autogramme oder Selfies mit YouTube-Stars einzusammeln, sondern mit ihnen zu reden.

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YouTuber auf der Tincon
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Oguz Yilmaz, Mitglied der früheren Erfolgsvideogruppe Y-Titty, hat auf der ersten "Teenageinternetwork Convention" (Tincon) in Berlin dafür geworben, das Internet gemeinsam bewusst zu gestalten. YouTube-Stars müssten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein. Sein erstes Smartphone hatte er erst mit 18, Medienkompetenz ist ihm in der Schule kaum vermittelt worden. 2012 avancierte Yilmaz mit seinen beiden Kollegen von Y-Titty zu Deutschlands meistabonnierten YouTube-Kanal.

Anfangs war ihm nicht klar, dass man sich angesichts einer Reichweite von bis zu drei Millionen festen Zuschauern auch "richtig Gedanken machen muss, was man sagt". Die drei Jungs hätten sich "vom mittelfränkischem Jugendfilmfestivalpreis" bis zu einem "Bekanntheitsgrad von zwölf Prozent in der Gesamtbevölkerung" und von "mehr als 75 Prozent unter den 18- bis 19-Jährigen" vorgearbeitet. "Da lastet viel Verantwortung auf deinen Schultern", so der einstige Berufsspaßvogel am Freitag auf der Tincon.

Aufgehört habe Y-Titty im vorigen Jahr, weil sie das Gefühl gehabt hätten, "die Sandburg so schön wie möglich" gebaut und "das Ziel erreicht" zu haben. Ein Jahr lang sei diese Entscheidung gereift. Am Ende habe auch "ein bisschen der Ansporn" gefehlt und es sei "irgendwann doch langweilig geworden". Hinzu kam die gefühlte "große Bürde", dass jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werde und man ohne ein Team von Anwälten auskommen müsse im Gegensatz zu großen TV-Produktionen.

Tincon 2016 (11 Bilder)

Oguz Yilmaz

Oguz Yilmaz warb auf der Tincon (Teenageinternetwork Convention) dafür, das Medium YouTube erwachsener zu gestalten. (Bild: Stefan Krempl)

Yilmaz sagte, er sei nun "auf die Agenturseite" und damit zurück in die "alte Welt" gewechselt und helfe nun denen, die "irgendwas mit YouTube" machen wollten. YouTubern wie Sally oder Bianca "Bibi" Heinicke lobte Yilmaz, weil diese ihre Bekanntheit teils für soziale Kampagnen etwa gegen Krebs oder für mehr Selbstvertrauen nutzten. MelinaSophie habe mit einem Beitrag zum Coming out gegen die Diskriminierung von Homosexualität geworben, erläuterte der Insider.

Andererseits könne sich ein positiver Eindruck in der Parallelwelt der Videoplattform aber "mit einem Beitrag" auch rasch wieder ändern. Ein aktuelles Video von Melina, in dem sie zusammen mit ihrer Gang aus Jux ein Hotelzimmer zerstöre, sei schon in den Kommentaren sehr kritisch bewertet worden. "Das sehen Hunderttausende Menschen", gab Yilmaz zu bedenken und appellierte an die versammelten Jugendlichen und Heranwachsenden, "gemeinsam daran zu arbeiten, dass das Medium erwachsener wird". Er wolle zumindest Melina nicht unterstellen, dass sie ihren jüngsten Ausrutscher absichtlich gemacht habe, so Yilmaz, der sich selbst schon mit Vorwürfen von Schleichwerbung konfrontiert sah. Aber natürlich gebe es "schwarze Schafe" in sozialen Medien.

Als Hacker-Anti-Klischee stellte sich mit Constanze Kurz, die Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC) vor: sie sei weder männlich, noch trage sie ein Hoodie noch möge sie koffeinhaltige Mate-Brause. Es sei auch falsch, bei Hackern an "Cyberkriminelle" zu denken, "die Facebook-Account-Daten klauen". Die Szene habe daher versucht, sich mit der "Hackerethik" von Gaunern abzugrenzen.

Grundzüge dieser "Diskussionsgrundlage" für den schöpferischen Umgang mit Technik versuchte Kurz dem potenziellen Hackernachwuchs zu vermitteln. Wichtig sei es, Autoritäten zu misstrauen und sich "über das hinwegzusetzen, was der Hersteller des Systems wollte". So habe der CCC hierzulande etwa Wahlcomputer gerichtlich verhindern können, obwohl die Politik diese zuvor als verifiziert und besiegelt erklärt habe. Immer wichtiger werde auch die Frage, wie man mit Sicherheitslücken umgehe. insgesamt stünden beim Hacken ein gewisses "kreatives Chaos", offener Austausch und Open Source im Vordergrund. Natürlich würden aber etwa auch biometrische Systeme oder Smartphones "auseinandergenommen".

Ralph Caspers mit seiner "Cybercyber-Show" oder Nilz Bokelberg und Maria Lorenz mit ihrem "Bingcon"-Spiel zogen aber deutlich mehr Zuschauer an als die vorausgegangenen Vorträge mit ernsterem Hintergrund. Dass man Fotos mit angeklebtem Schnauzer bei Bürgeramt einreichen und so auf einen Personalausweis schmuggeln oder wie man einhändig klatschen kann, schien für viele im Publikum doch interessanter zu sein als Netzpolitik. Insgesamt war die Atmosphäre am ersten Tag sehr entspannt mit ein paar hundert Teilnehmern in einer vergleichbar großen Veranstaltungsstätte, die noch Luft nach oben ließ. (dwi)