Zahlen, bitte! 5 Millionen Dollar, ein Explorer: ein NASA-Name als Streitobjekt

Der Begriff "Explorer" taucht in der IT-Welt immer wieder auf. Seinen Ursprung hat dessen Popularität bei der NASA; Streits um ihn wurden teuer.

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Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Auf den Tag genau vor 60 Jahren startete Explorer 9 als Teil eines der längsten Satellitenprojekte der NASA. Es gehörte auch zu den gewinnbringendsten. Die Beständigkeit der Explorer als Markenzeichen wanderte am Ende in andere Bereiche. 1991 erschienen der Ford Explorer und der Autodesk Multimedia Explorer. Und dann kam auch noch der Internet Explorer im Jahre 1995.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Das ursprünglich von der US-Armee gestartete Explorer-Programm der NASA gilt als eines der erfolgreichsten Raumfahrt-Projekte. 89 Raketen brachten ihre Forschungssatelliten ans Ziel, nur vier Starts scheiterten. Etliche der Satelliten lieferten länger als fünf Jahre Daten, der Rekord lag bei 28 Jahren mit dem Satelliten IMP 8, der im Jahr 2001 abgeschaltet wurde. 1990 feierte die NASA ihr Programm und löste es in eine Reihe von Unterprogrammen auf.

Als Markenname tauchte "Explorer" danach in einer Reihe von Produkten auf. 1990 stellte Ford für das Baujahr 1991 den Ford Explorer vor, ein sehr erfolgreiches SUV. Im Computerbereich gab es ab 1991 den Autodesk Multimedia Explorer, eine abgespeckte Version des 1989 als DOS-Programm gestarteten Autodesk Animator, mit dem Animationen abgespielt werden konnten. Seinen großen Auftritt hatte dieser Explorer im Oktober 1991 auf einer Gala im Amerikanischen Naturkundemuseum in New York. Der Moderator verglich die Ankunft von Multimedia mit den Brüchen durch Johannes Gutenberg, Martin Luther und der US-amerikanischen Revolution. Bill Gates zeigte, wie man Töne aus einer Multimedia-Animation in Word für Windows einbetten kann. Multimedia, das waren damals Bilder und Töne, gepaart mit der CD-ROM als Datenträger. Das früheste Beispiel dieser Art war "Compton's Multimedia Encyclopedia" für Kinder, herausgebracht von Encylopedia Britannica Software. Ein Programm namens Picture Exloprer übernahm die Darstellung der Inhalte.

Auch in Deutschland war Multimedia der letzte Schrei. In Wiesbaden wurde im Herbst 1991 der erste deutsche Multimedia-Kongress veranstaltet, auf dem die CD-ROM-Produkte aus den USA gezeigt werden. Für die Dezemberausgabe der PC-Zeitschrift "Chip" berichtete der Redakteur Claus Vester unter dem Titel "Werkzeuge der neuen Art" über die Anfänge von Multimedia. Viel gab es damals nicht. Vester besprach die Software "Klick!" der Firma Symicron, die als Bildarchiv für die Bildauswertung von Einzelbildern konzipiert war. Damit begann eine lustige Verwechslung, denn Vester beschrieb die Software als "Symicron Explorer".

Sowohl Compton's Multimedia Enyclopedia mit dem Picture Explorer wie Symicrons per Zufall benannter Explorer versuchten aus dem Namen Kapital zu schlagen. In den USA wollte sich Comptons ab 1989 sogar den gleichzeitigen Zugriff auf Daten, Bilder und Töne patentieren lassen. Das vorläufig erteilte Patent auf solche Verweise – heute würde man von Links sprechen – wollte Comptons breit ausschlachten und für jeden multimodalen Zugriff zwischen 1 und 3 US-Cents. In der gerade entstehenden Multimedia-Branche brach Entrüstung aus. Nach zahllosen Beispielen von früher schon bekannten Zugriffsverfahren auf Multimedia wurde das Patent im Jahre 1994 annulliert.

Einen anderen Weg schlug Symicron ein, offenbar angeregt durch das Vorbild der US-Firma Synet, einem Internetzugangsprovider aus dem Bundesstaat Illinois. Dieser hatte eine von ihm angeblich vertriebene Zugangssoftware "Internet Explorer" genannt und 1995 Microsoft verklagt, als die Firma mit ihrem Internet Explorer den "Browser-Krieg" gegen Netscape begann. 1998 einigte sich Synet mit Microsoft auf eine Zahlung von 5 Millionen Dollar, wobei Synet aber über 3 Millionen für seine Rechtsanwälte ausgeben und Konkurs anmelden musste. Lakonisch endet die Meldung des Heise-Newstickers: "In Deutschland hat Microsoft 1996 in einem vergleichbaren Streit 90.000 DM für die Benutzung des Namens 'Explorers' berappt."

Dieser Vergleich zwischen Symicron und Microsoft war der größte Erfolg des Rechtsanwaltsduos v. Gravenreuth/Syndikus, das zahlreiche Prozesse rings um den Gebrauch des Namens Explorer führte. Unter anderem stritt man sich mit Claus Vester, dem Journalisten, der den "Symicron Explorer" in seinem Artikel kreiert hatte. Zwar wurde dieser Streit 2001 gewonnen, doch auch Symicron musste bald die Segel streichen.

Nun ist der Glanz um den Explorer erloschen, nur Ford führt ihn noch mit seinem mächtigen Plug-in-Hybrid. Doch halt, es gibt noch eine Uhr namens Rolex Explorer, die 1953 die Rolex Navigator ablöste. Beide hatten also ebenfalls nichts mit der Raumfahrt zu tun.

(mho)